Western „Horizon“ im Kino: Kevin Costner erklärt sein Amerika
Drei Gräber am Flussufer markieren die westliche Grenze der Neuen Welt. Die Expansion des amerikanischen Westens folgte im 19. Jahrhundert einer pragmatischen Logik, sie orientierte sich an den natürlichen Begebenheiten. Das funktionierte so lange, bis der sich scheinbar ins Unendliche erstreckende Horizont, das ultimative Versprechen von Freiheit, im Blau des Pazifiks versank.
An der Ostküste waren die Grenzen schon ein gutes Jahrhundert früher schwer umkämpft gewesen, hier hatten reiche Siedlerfamilien aus Europa ihr Territorium reklamiert. Die Mason-Dixon-Linie zwischen Pennsylvania und Maryland, den Nord- und Südstaaten, wurde wie mit einem Lineal in die Landschaft gerammt.
Im Westen stieß der Anspruch der weißen Siedler dagegen auf den erbitterten Widerstand der amerikanischen Ureinwohner, symbolisiert in den Gräber von drei Landvermessern am Anfang von Kevin Costners Westernepos „Horizon“. An dieser Stelle an der mexikanischen Grenze entsteht einige Jahre später, kurz vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs, die titelgebende Siedlung – sozusagen als Vorposten der Zivilisation.
Die Menschen tragen Kaufverträge für das Land, das ihnen nicht gehört, mit sich, doch sie dienen den europäischen Landspekulanten bloß als Kanonenfutter für ihre Eroberungspläne. Die Apachen interessiert das Papier sowieso nicht. Eines Nachts überfällt eine abtrünnige Gruppe um den rachsüchtigen Pionsenay (Owen Crow Shoe) den Ort und brennt ihn nieder, die Siedlerin Frances Kittredge (Sienna Miller) und ihre Tochter Lizzie (Georgia MacPhail) sowie der junge Russell (Etienne Kellici) überleben als einzige das Massaker.
Costner spielt einen ehemaligen Revolverhelden
Mit „Horizon“, der im Original den unmissverständlichen Zusatz „An American Saga“ im Titel trägt, will Kevin Costner die Entstehungsgeschichte der Vereinigten Staaten von Amerika noch mal ganz grundsätzlich erklären. Auf vier Kinofilme hat er sein Großprojekt veranschlagt, die ersten beiden, hintereinander gedreht, kommen dieses Jahr in die Kinos. So episch haben nicht mal die Pioniere William Wellman, John Ford oder Howard Hawks das klassischste aller amerikanischen Kinogenres gedacht, aber „Horizon“ deutet bereits an, in wessen Gesellschaft sich Costner gerne in den Geschichtsbüchern sehen würde.
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Costner war schon immer ein eitler Künstler, auf seinen Konzerten, auf denen er den bodenständigen heartland rocker gab, liefen früher im Hintergrund Szenen aus seinen Kinofilmen. Dass er bei „Horizon“ gleichzeitig als Produzent (mit eigenem Risikokapital) und Hauptdarsteller fungiert, unterstreicht, wie ernst es ihm ist – auch wenn er im ersten „Kapitel“, wie die einzelnen Filme heißen, erst nach weit über einer Stunde seinen Auftritt hat.
Costner spielt den Pferdehändler und ehemaligen Revolverhelden Hayes Ellison, der sich in der Einöde von Montana mit dem mächtigen Sykes-Clan anlegt. Er rettet die junge Marigold (Abbey Lee) vor dem sadistischen Sohn Caleb (Jamie Campbell Bower) und tötet ihn im Duell – was wiederum dessen Bruder Junior (Jon Beavers) auf die Spur der beiden bringt.
Im Camp Gallant äußert der Kavallerie-Oberleutnant Gephardt (Sam Worthington) vorsichtig Verständnis für die Wut der Indigenen, während er bereits ein Auge auf die schöne Witwe Kittredge geworfen hat. Weiter östlich auf dem Santa Fe Trail wird ein Siedlertrek unter der Führung von Matthew Van Weyden (Luke Wilson) von einer Gruppe Apachen umzingelt. Und der Waise Russell schließt sich dem Kopfgeldjäger Tracker (Jeff Fahey) an, der die Skalps der feindlichen Stämme sammelt.
All diese Handlungsstränge versucht „Horizon“ mit viel erzählerischem Aufwand in seinem Western-Panorama zu etablieren, ohne dass die Archetypen zu Figuren werden. Bei bekannten Stoffen mag das serielle Erzählen im Kino funktionieren, aber auch wenn dieses Amerika von vielen Menschen immer noch als Erfolgsgeschichte verstanden wird, findet Costner keine Struktur, um das Publikum mit dessen Gründungsmythos zu fesseln.
Costner auf einem Pferderücken, im Hintergrund eine imposante Landschaft, reichen über 30 Jahre nach „Der mit dem Wolf tanzt“ als Attraktion nicht mehr aus. Vielleicht hätte er sich ein paar Tipps von Taylor Sheridan, Autor und Showrunner der Neowestern-Soap „Yellowstone“, holen sollen, in der Costner zuletzt als Serienstar seinen zweiten Frühling erlebt hatte.
Über Costners Ausstieg bei „Yellowstone“ ist viel spekuliert worden, es soll um inhaltliche Differenzen mit Sheridan gegangen sein. Mit seinem Langzeitprojekt „Horizon“ hat er nun die Möglichkeit, seine ganz persönliche Version des amerikanischen Projekts erzählen. Ein Problem mit „Yellowstone“ ist für den konservativen Liberalen Costner immer gewesen, dass die Serie große Anhänger unter Trump-Wählern gefunden hatte.
Auf dem Parteitag der Demokraten kann man dieser Tage ja schön beobachten, wie traditionelle amerikanische Werte wieder vom liberalen Amerika vereinnahmt werden. „Horizon“ ist konservatives Kino, das in den ersten 180 Minuten die amerikanische Geschichte als eine Gewaltgeschichte erzählt. Bleibt die Frage, als welche Sorte Held sich Kevin Costner darin gerne sehen würde.