Der Kreis der Sieganwärter ist deutlich größer als sonst
Ein Sport-Highlight jagt in diesem Sommer das andere. Die Fußball-EM läuft noch bis zum 11. Juli. Nächste Woche beginnt das Tennisturnier von Wimbledon und am 23. Juli in Tokio die Olympischen Sommerspiele mit den daran anschließenden Paralympics.
Aber war da nicht noch etwas anderes, immer jährlich, immer Anfang Juli? Genau, heute startet in Brest die Tour de France mit der 1. Etappe nach Landerneau (11.45 Uhr/Eurosport live), das wichtigste Radsport-Ereignis der Welt.
Dabei braucht sich die 23 Tage andauernde Frankreich-Rundfahrt nicht hinter den anderen Großveranstaltungen verstecken. Im vergangenen Jahr wurden Bilder der Tour in 190 Länder übertragen, von den 100 TV-Sendern berichteten sogar 60 live von den Etappen. Das wird in diesem Jahr nicht anders sein.
Die Fans in aller Welt dürfen wieder auf eine spannende Tour de France hoffen. Zwar werden mit Vorjahressieger Tadej Pogacar (UAE-Team Emirates) aus Slowenien und seinem zweitplatzierten Landsmann Primoz Roglic (Team Jumbo- Visma) die üblichen Verdächtigen als Topfavoriten gehandelt.
Bergfeste Rouleure im Vorteil
Doch der Kreis der Sieganwärter ist diesmal deutlich größer als sonst. Das liegt auch an der Strecke selbst. Sieben Bergetappen mit nur drei Bergankünften stehen acht flache Teilstücke gegenüber. Zwei Zeitfahren sowie vier hügelige Tagesabschnitte runden die Jagd nach dem Gelben Trikot ab. Im Vorteil sein dürften demnach diesmal bergfeste Rouleure.
Die reinen Bergfahrer werden in den beiden Einzelzeitfahren vermutlich so viel Zeit verlieren, dass sie die im Gebirge kaum wieder aufholen können. Auch deshalb verzichtet beispielsweise ein Egan Bernal auf einen Start und konzentrierte sich in dieser Saison von vornherein auf den Giro d’Italia, den der Kolumbianer dann auch für sich entscheiden konnte.
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Die härtesten Gegner der beiden slowenischen Überflieger kommen trotzdem aus dem Team Ineos-Grenadiers. Mit Richard Carapaz (Ecuador/Sieger des Giro d’Italia 2019), Tao Geoghegan Hart (Carapaz Nachfolger in Italien) und Geraint Thomas (beide Großbritannien/Tour-Sieger 2018) bringt die britische Mannschaft immer noch drei Grand- Tour-Champions an den Start.
Extra leichte Strecke?
Als Backup könnte auch noch Teamkollege Richie Porte in die Bresche springen. Der Australier wurde im Vorjahr bei der Tour Gesamtdritter, konnte aber noch nie eine der großen Landesrundfahrten gewinnen. Wer aus dem Quartett am Ende auch Kapitän für die Gesamtwertung sein wird, zeigt sich erst im Rennverlauf.
Denn bis auf Hart konnten alle im Verlauf der Saison schon bei den Vorbereitungsrundfahrten wie dem französischen Critérium du Dauphiné (Sieger Porte), der Tour de Romandie in der Schweiz (Sieger Thomas) oder der Tour de Suisse (Sieger Carapaz) glänzen.
Böse Zungen behaupten, dass die Strecke diesmal extra leichter gewählt wurde, um mit Julian Alaphilippe endlich einmal wieder einen Franzosen am Ende ganz vorne zu haben. Gerade die erste Woche hat gleich drei hügelige Etappen im Programm, genau das richtige Profil für einen Fahrertyp wie den Weltmeister.
Und da der frischgebackene Vater auch im Einzelzeitfahren ganz passabel unterwegs sein kann, träumt man in Frankreich schon ein wenig von Gelb. Zu den Mitfavoriten zählen ebenso Rigoberto Uran, Miguel Angel Lopez (beide Kolumbien) und Wilco Kelderman (Niederlande). Chancen auf einen Podestplatz in Paris hat jeder von ihnen, ein Tour-Sieg wäre aber eine mittlere Sensation.
Kelderman, Kapitän des deutschen Bora-hansgrohe-Teams, in dem ihm Emanuel Buchmannn diesmal als Helfer zur Seite steht, hat bisher als bestes Grand-Tour-Ergebnis den dritten Rang beim letztjährigen Giro d’Italia vorzuweisen. Lopez’ Welt sind die Berge, was er zuletzt bei der Mont-Ventoux-Challenge Anfang Juni mit seinem Solosieg unter Beweis stellte.
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Zweimal musste bei dem Rennen der „Kahle Riese“ in der Provence erklommen werden, ähnlich, wie es für die spektakuläre 11. Tour-Etappe geplant ist. Aber im Zeitfahren reißt der Kolumbianer keine Bäume aus.
Sein Landsmann Uran bringt da deutlich mehr Geschwindigkeit auf die Straße. Mit zweiten Plätzen beim Giro d’Italia 2013 und 2014 sowie bei der Tour 2017 hinter Chris Froome war er jeweils knapp am Gesamtsieg dran. Viel wird für den 34 Jahre alten Routinier auch davon abhängen, wie gut sein Team für ihn arbeitet.
Mit dabei, um den Teamkollegen zu helfen
Und was ist mit Chris Froome? Der viermalige Tour-Sieger wird auch dabei sein. Zwei Jahre nach seinem schweren Sturz während des Critérium du Dauphiné steht er am Samstag an der Startlinie des Rennens, dass er zwischen 2013 und 2017 dominieren konnte. Leistungsmäßig ist er weit von einer Topplatzierung im Gesamtklassement entfernt.
Aber darum geht es dem 36 Jahre alten Briten nicht: „Ich fahre hier nicht um die Gesamtwertung, sondern um meinen Teamkollegen zu helfen. Sie haben in der Vergangenheit alles für mich getan, nun hoffe ich, ihnen ein wenig von dem zurückzugeben.“
Seine Kollegen bei der Tour werden im Team Israel Start Up Nation Andre Greipel und Rick Zabel sein. Der Sprint-Routinier und sein Anfahrer sind zwei von insgesamt zwölf Deutschen im Tour-Peloton, die sich auf den Weg nach Paris machen und auf den einen oder anderen Achtungserfolg idealerweise in Form eines Etappensieges hoffen.