Lollapalooza-Festival in Berlin : Beim Auftritt von Justin Timberlake gibt der Regen den Ton an
Willkürliches Line-up, eine konkurrierende Technoparade und Dauerregen. Die Voraussetzungen für ein gelingendes Festival-Wochenende sind denkbar schlecht. Ändern kann man das an diesem Samstagmorgen aber auch nicht mehr. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass das Lollapalooza zum zehnjährigen Jubiläum längst nicht ausverkauft ist.
Gegen zwölf Uhr mittags, seit einer Stunde läuft der Einlass auf dem Olympiagelände, sind die Flächen vor den vier großen Bühnen mehr oder weniger leer. Es kann nur besser werden. Irgendwann. Ab Nachmittag dann.
Bis dahin gilt es, in jeder Hinsicht trocken zu bleiben. Hätte der angekündigte Jahrhundertsommer schon gestartet, könnte man meinen, man wäre auf dem kalifornischen Coachella, oder auf dem katalanischen Primavera – so aufwändig herausgeputzt haben sich viele der Gäste. Glitzer im Gesicht, Cowboy-Stiefel an den Füßen, Federn im Haar. Jetzt ist es aber nun mal nass und grau, die schöne Kostümierung mit schützendem Plastik verhüllt.
Apropos Fashion: Unzählige Lifestyle-Marken haben sich hier eingerichtet. Begleitet von Influencer-Entouragen, verbreiten sie mit allerlei Geschenken und Glücksspielen gute Stimmung vor der kleinen „Fashion Palooza“-Bühne, auf der Models bibbernd „Fashion“ präsentieren. Daneben verlost ein Gartenschuh-Hersteller mit Mode-Anspruch neue Modelle. Dass sich hier eine Schlange gebildet hat, spricht für sich. Ein gewisser Avaion aus dem bayerischen Fürth musiziert auf der „Perry’s Stage“ im Olympiastadion TikTok-Schlager, während der schwedische Sänger Benjamin Ingrosso sein Glück auf einer der zwei Hauptbühnen versucht.

© Lollapalooza 2025
Den Sound ihres Debütalbums „Prelude to Ecstasy“ (2024), der vor allem durch seine beeindruckende Vielschichtigkeit besticht, reproduzieren sie live fast eins zu eins. Zwischendurch greift Lead-Gitarristin Emily Roberts zur Querflöte oder Mandoline, mit bis zu fünf Stimmen singen sie in Harmonie. Gesanglich eine Naturgewalt.
Irgendwann, zur Halbzeit ihrer einstündigen Einlage, können es The Last Dinner Party nicht lassen, über „Palestine“ zu sprechen, so sagen sie. Normalerweise würde sie bei ihren Konzerten ja einen QR-Code einblenden, über den man dann an die Organisation ihrer Wahl spenden könne, das wäre hier aber nicht möglich. Wer sich aber ein Bier leisten könnte, der könne sich auch anderweitig irgendwie einsetzten, so die Botschaft. Politischer wird es nicht. Mindestens die Fans in den vorderen Reihen kreischen glücklich. Mission erfüllt. Auch der Wilmersdorfer „Atze“ Ritter Lean hat eine Botschaft: „Ich hab mies ADHS!“ Vor der kleineren „Alternative Stage“ freuen sich sehr viele sehr junge Berliner auf den Auftritt des besten Freundes von Ski Aggu.

© Nadja Aumüller
Abrams derweil gibt sich nahbar, erzählt und spricht viel, scheint emotional recht betrübt und beherrscht die Akustikgitarre. In Sachen performativer Natürlichkeit eifert sie gekonnt ihrem großen Vorbild Taylor Swift nach. Pünktlich zu ihrem Mega-Hit „That’s So True“, fängt es gegen 20.30 Uhr wieder leicht an zu regnen. Zum Dahinschmelzen.
Ein wohliges Gefühl von Weltfrieden
Dann, endlich, der Rausschmeißer: Justin Timberlake. Knapp zwei Stunden lang soll der Popstar das heutige Programm als oberster Headliner abschließen. Der in der Pop-kulturellen Öffentlichkeit nicht mehr ganz so geliebte Ex von Britney Spears, bei allen anderen Ex *NSYNC-Mitglied, brachte im vergangenen Jahr erst eine neue Platte heraus. Die ist aber nicht der Rede wert und das weiß Justin wohl am besten. Nachdem er mit seinen alten R&B-Party-Fegern „Mirrors“ (2013) und „Cry Me a River“ (2002) seine Show fulminant startet, verlässt er sich auch danach größtenteils auf seine Klassiker.

© IMAGO/mix1/IMAGO/Daniel Lakomski
Darunter viele Medleys und gekonnte Instrumental-Passagen seiner ihn begleitenden Big Band. Es braucht eigentlich nicht lange, bis man alles vergisst, was man in den letzten Jahren über Timberlake gelesen oder nicht gelesen hat. Der 44-Jährige kann es noch. Er flirtet mit den Fans und scheut, ganz Profi, den inzwischen andauernden Sturzregen nicht. Große Teile seiner ausgefeilten und aufwändigen Performance verbringt er tanzend am nicht überdachten Bühnenrand. Dass sich auf dem Boden derselbigen inzwischen ein See gebildet hat, stört ihn reichlich wenig. Im stehenden Wasser tanzen, ein Effekt für sich.
Zur Zugabe, das als Ballade vorgetragenen Liebeslied „Until the End of Time“, legt er dann erstmals seine Regenjacke ab und spielt im T-Shirt das Keyboard. Der Himmel dankt es ihm und hält kurzzeitig dicht. Tausendfach leuchten Handys vor ihm auf. Der Applaus, wie das Gekreische der Fans ist entsprechend ohrenbetäubend.