Der Letzte seiner Art: Iggy Pop und sechs weitere Konzerthighlights in Berlin und Potsdam

Iggy Pops Narben erzählen von einer langen Karriere als bekennender Bühnenberserker.

Wild und beglückend ist aber auch die Bühnenshow von Erobique. Und die australische Band Amyl And The Sniffers gilt als Live-Sensation im Open-Air-Sommer. Dazu zwei große Rock-Ladies, britische Progrocker und eine irische Geschwisterband.

1 Iggy Pop

Keiner hat beeindruckendere Falten: Iggy Pop.

© Jimmy Fontaine

Waren es die Gebete seiner Mutter? Sein gutes Immunsystem? Die täglichen Yoga-Übungen? Glück? Was immer dazu geführt hat, dass James Newell Osterberg Jr. alias Iggy Pop die jahrzehntelangen Exzesse seiner Karriere überlebt hat, ist ein Geschenk an die Gegenwart.

Iggy ist 78, und das Faltenrelief seines geschundenen Körpers lässt ihn nochmal 20 Jahre älter wirken. Dabei strahlt er auf der Bühne die Agilität und Gefährlichkeit eines Dreißigjährigen aus. Nur dass es so gefährliche Dreißigjährige nicht mehr gibt in der Rockmusik.

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Dass Iggy Pop Rockgeschichte geschrieben hat, wäre eine Untertreibung. Sein Einfluss auf spätere Generationen ist kaum zu überschätzen.

Wobei er nach der gängigen Maßeinheit für Wichtigkeit im Rock, dem kommerziellen Erfolg, keiner der ganz Großen ist.

The Stooges, mit denen er Ende der Sechziger als selbstzerstörerischer Bühnenberserker berüchtigt wurde und deren Stern als Wegbereiter von Heavy Metal und Punk bis heute am Rock-Firmament strahlt, waren notorisch erfolglos.

Und auch Iggys seit 1977 erschienene Solo-Alben, knapp 20 an der Zahl, haben sich nie so gut verkauft, wie es ihr Nachruhm vermuten lässt.

„Ich fing einfach an, auf und ab zu springen, wie Paviane es tun, bevor sie kämpfen“, so beschreibt Iggy in Jim Jarmuschs Doku „Gimme Danger“ die Anfänge seines Tanzstils.

The Stooges zerbrachen an Alkohol, Drogen und Misserfolg. 2003, als er längst ein Weltstar war, brachte Iggy die Stooges wieder zusammen. 2014 starb mit Scott Asheton der letzte seiner Bandkollegen. Iggy, das letzte Urviech des Rock, macht allein weiter. Bis dass der Tod uns scheidet. (wun)

2 Erobique

Ist in jedem Element gut druff: Die Hamburger Spaßkanone Erobique.

© Anne Backhaus.

Während die Berliner Konzerte des Hamburger Gute-Laune-Garanten Erobique regelmäßig ausverkauft sind, gibt es für seinen Potsdamer Open-Air-Auftritt noch Karten!

Carsten Meyer, wie so viele Herzenshamburger aus Westfalen stammend, ist mit seinem euphorisierenden Soulpop, den er gerade mit Jacques Palminger auf dem Album „Songs for Joy auf der Veddel“ festgehalten hat, ein Unikat der deutschen Popszene.

Dass er einen Ruf als Rampensau zu verteidigen hat, macht sein Konzert zum Pflichttermin im Potsdamer Kulturkalender. (wun)

3 Marillion

Marillion

© imago/Christian Grube/IMAGO/Christian Grube

Viertelstündige Songs, minutenlange Instrumentalsoli – Progressive Rock ist ein Genre der Rockmusik, das sich gern mal etwas mehr Zeit lässt.

Insofern ist es angemessen, dass die britische Band Marillion ihre Fans nicht nur zu einem Konzertabend bittet, sondern ein sogenanntes „Marillion Weekend“ ausruft.

Dabei spielen sie an zwei aufeinanderfolgenden Abenden zwei völlig unterschiedliche Shows, die erst in der Kombination als Kompletterlebnis funktionieren.

Marillion galten in den Achtzigern als legitime Erben der frühen Genesis und teilten mit ihren Vorbildern das Schicksal, einen charismatischen Sänger im Streit zu verlieren.

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Doch wie Genesis nach dem Ausstieg von Peter Gabriel sogar noch erfolgreicher wurden, haben auch Marillion den Weggang von Fish gut verkraftet.

Sein Nachfolger Steve Hogarth (Foto) mag etwas weniger exzentrisch sein, stellt sein voluminöses Organ aber seit 1989 uneigennützig in den Dienst der progressiven Sache. So sei es! (wun)

4 Kim Deal

Verletzlich, aber ungebrochen: Kim Deal entdeckt solo neue Seiten an sich.

© Steve Gullick

Das Warten hat sich gelohnt: Fast 40 Jahre ist Kim Deal schon im Musikbiz, und erst im letzten November legte sie, mit 63, ihr erstes Soloalbum vor.

Alle, die glaubten, sie würden die Bassistin und Sängerin von ihrer Arbeit mit zwei der legendärsten Bands der US-Indierock-Historie, Pixies und The Breeders, hinreichend kennen, dürften von „Nobody Loves You More“ überrascht sein.

Denn Deal, die stets Kraftzentrum ihrer Bands war, zeigt sich auf ihrem Solodebüt verletzlich. Wohl ein Reflex auf ein schwieriges Jahrzehnt, in dem sie außer ihren Eltern auch einen langjährigen Freund und Mentor, den Produzenten Steve Albini, verlor.

Dessen guter Geist schwebt über dem Album, das außer fragilen Songwriter-Preziosen auch einige jener herrlichen Bratzrock-Hymnen bietet, mit denen Deal ihren Ruhm erwarb. (wun)

5 Melissa Etheridge

Glaubt an die heilenden Kräfte des Rock: Melissa Etheridge.

© Promo/Trinity

Eine Wutpredigt, wie sie Bruce Springsteen kürzlich bei seinem Berliner Konzert gehalten hat, ist von Melissa Etheridge zwar nicht zu erwarten.

Doch genau wie er verkörpert die 64-Jährige seit Ewigkeiten den klassischen US-amerikanischen Rock mit rechtschaffen linkem Herzen. Sie glaubt weiterhin an die einende Kraft der Musik, die auch ihr half, nach Schicksalsschlägen immer wieder aufzustehen.

All das wird mitschwingen, wenn Etheridge in die Saiten greift und mit ihrer rauen Stimme Hits wie „Bring Me Some Water“, „Like The Way I Do“ oder „I’m The Only One“ anstimmt. (nal)

6 The Corrs

Zusammen ist es am schönsten: Die irische Geschwisterband The Corrs.

© Times Newspapers Ltd/Chris Mcandrew

In den Neunzigern stand irische Popmusik in voller Blüte. U2 galten als größte Rockband des Planeten, die Folk-Elfe Enya feierte Welterfolge, Bands wie The Cranberries eroberten europaweit die Charts.

Auch The Corrs, 1990 in Dundalk gegründet, hatten eine wirklich gute Zeit. Die vier Geschwister Jim, Caroline, Andrea und Sharon Corr (von links) trafen mit ihrem Mix aus traditionellem irischem Folk und Rock- und Pop-Elementen den Zeitgeist.

Ihr zweites Album „Talk on Corners“ zählt immer noch zu den 50 bestverkauften Platten der britischen Popgeschichte. Nach einer längeren Pause, die sie für Familiengründungen und Soloprojekte nutzten, kamen die Geschwister 2015 wieder zusammen – und sind seither wieder ein Herz und eine Seele. (wun)

7 Amyl And The Sniffers

Kann auch stillhalten: Amy Taylor (rechts) von Amyl And The Sniffers.

© John Angus Stewart

Auch ohne ihre Sängerin wären The Sniffers eine respektable Band, die in ihren besten Momenten den lässigen Garage-Rock der Black Keys mit Led-Zeppelin-Riffs und dem Wüsten-Swag von ZZ Top überblendet.

Aber zur Live-Sensation des Open-Air-Sommers werden die australischen Indierocker Amyl And The Sniffers erst durch Amy Taylor, die sich in einer Textzeile von schläfrigem Schnurren zu infernalischem Gekreisch emporschrauben kann.

Mit ihrem explosiven Temperament erinnert die 29-Jährige aus Mullumbimby, New South Wales, an eine der expressivsten Sängerinnen der letzten 25 Jahre, Karen O von den Yeah Yeah Yeahs. (wun)