SPD lädt Musikbranche zum Gespräch: Pop, Politik und jede Menge Probleme
Wenn man das Wort Pop liest, denkt man an Spaß, glanzvolle Momente und dass sich alles irgendwie richtig anfühlt. Doch im Fall einer von der SPD initiierten Diskussionsrunde am Freitagnachmittag im Europa-Saal des Paul-Löbe-Hauses ergeben Pop und Politik nur Probleme, Probleme, Probleme.
Die Probleme der Politik liegen auf der Hand: Die SPD hat eine Bundestagswahl zu gewinnen, schneller, als sie dachte. Im Wahlkampf wird Pop vermutlich wieder kein Thema sein. Aber die Angst der Sozialdemokraten vor einem rechten Machtzuwachs ist so groß, dass ihr jedes Mittel recht ist. Sogar das: von der Popkultur Schützenhilfe für die Demokratie zu erbitten („Engagiert euch!“).
Die ganze Popkultur kann sie dabei nicht meinen. Bei den vergangenen Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen haben überdurchschnittlich viele junge Menschen rechte Parteien gewählt. Und auch „Donald Trump ist jetzt Popkultur“, heißt es einmal auf dem Podium.
Es ist also nicht ganz klar, was SPD-Politiker genau meinen, wenn sie von Popkultur sprechen. Das war schon bei Sigmar Gabriel, dem früheren Pop-Beauftragten seiner Partei, so. Er rettete sich seinerzeit damit, Pop als heimischen Wirtschaftszweig zu behandeln. Helge Lindh, der quasi Gabriels Nachfolge angetreten hat, zitiert liebe U2s „One“ und appelliert daran, „diese eine Gesellschaft“ zu schaffen, die in Pop als gelebte Utopie angelegt sei.
Um den gelebten Anteil daran ist es aber schlecht bestellt. Der Musikmarkt hat einen fundamentalen Wandel durchlaufen. Während Popkultur früher vergessen ließ, dass westliche Gesellschaften über ihre Verhältnisse leben, ist sie zum Opfer dieser Ausbeutung geworden.
Mittlerweile erwirtschaften etwa 15 Prozent der Top-Künstler 85 Prozent der Umsätze. Während die Kulturlandschaft in der Breite sich außer Stande sieht, die steigenden Kosten zu aufzufangen, verdienen einige Wenige wie Taylor Swift so viel, dass bei Swifts letzte Tournee ein Reingewinn von einer Milliarde Dollar abfiel – für sie allein.
Steigende Kosten, schwindendes Publikum
Da hört der Spaß auf. Denn was die großen Namen an Summen aus dem Markt ziehen, das fehlt anderen. So betreffen die Probleme nicht nur das Event-Geschäft, das sich eingeklemmt sieht zwischen steigenden Betriebskosten, schwindendem Publikum und größer werdendem Angebot. Hinzu kommen für Künstler beschämend niedrige Vergütungen durch Streaming-Plattformen, zusammengestrichene Förderbudgets und der administrative Aufwand.
Das zu hören, kompetent vorgetragen von Verbandsvertretern und Branchenexperten, die vernünftige Verbesserungsvorschläge formulieren an diesem Nachmittag, lässt einen nach einer halben Stunde nur noch nach Hause gehen wollen. Die anfängliche Frage, wie Pop der Politik helfen kann, kehrt sich um und lautet: Wie kann Pop geholfen werden?
Welche Leidenschaft brächte der Staat mit?
An diesem Punkt hätten Lindh und sein Stellvertreter Daniel Schneider gerne auf Erfolge verwiesen, die sie in den Haushalt 2025 hineinverhandelt hatten, aber der ist ja nun Geschichte. Überdies scheint eine zündende Idee zu fehlen, wie generell der ungleichen Verteilung von Ressourcen in einem unregulierten Markt begegnet werden kann. Diskutierte Maßnahmen wie eine Ticket-Steuer stammen aus anderen Ländern.
Das Gerede vom Kulturgut („Von allen für alle mit allen“) führt in die Irre. Denn der Wert von Popmusik bemisst sich daran, was Menschen bereit sind, für sie zu geben. Von dieser Allianz der Leidenschaft zehrt sie. Wenn Menschen im digitalen Zeitalter weniger bereit sind zu geben, als der Apparat kostet, kann nicht der Staat einspringen. Denn welche Leidenschaft brächte er mit?
Dennoch ist ein Ausgleich bitter nötig. „Es gibt keine fairen Regeln im Streaming-Zeitalter“, sagt eine Musikerin. Die Marktmacht der Plattformen sei zu groß und zu dysfunktional. Obwohl Streaming-Anbieter nur den technologischen Vorteil einer Innovation nutzen, wie es ehedem Plattenkonzerne wie Philips taten, agieren sie nach Regeln, die nicht offengelegt werden. Weil niemand nachvollziehen kann, wie das System funktioniert, kann es nicht beschnitten werden.