Wechsel zum SC Bern: Eishockey-Bundestrainer Toni Söderholm hört überraschend auf
Seit 158 Minuten ist das deutsche Eishockey-Nationalteam ohne Gegentor. Nun lässt sich einwenden, dass diese imposante Marke aus dem Deutschland-Cup stammt und bei einem mittelklassigen Turnier mit mittelklassigen Mannschaften und einer mittelklassigen deutschen Mannschaft erzielt wurde. Aber in Krefeld hat Toni Söderholm zuletzt vor ein paar Tagen demonstriert, wie gut er seine Teams, egal mit welchen Spielern, inzwischen strukturell auf den Weg gemacht hat.
Der Finne hat ihnen die starken Elemente des finnischen Eishockeys eingeimpft. In der Abwehr Beton, in der Offensive Intelligenz – in Unterzahl keine Gegentore und in Überzahl wird getroffen. So, wie das im modernen Eishockey eigentlich nur noch funktioniert auf hohem Niveau, denn bei fünf gegen fünf werden die Unterschiede in der Weltspitze immer geringer.
Drei Jahre lang hat Söderholm das deutsche Eishockey nicht nur begleitet, sondern entscheidend entwickelt und sich dabei eben auch international als Trainer einen soliden Ruf erarbeitet. An sich wollte er trotz vieler Offerten auch weiterarbeiten, erst in diesem Jahr hatte Söderholm seinen Vertrag als Bundestrainer bis 2026 verlängert.
In Bern war Söderholm früher schon als Spieler
Doch nun geht er doch, der Lockruf aus Bern war zu laut: Beim SC Bern hat der finnische Vize-Weltmeisterspieler von 2007 einst selbst verteidigt. Der Klub aus der Schweiz ist eine der besten Adressen in Europas Klubeishockey – nicht nur, weil er seit Jahren den höchsten Zuschauerschnitt aller europäischen Ligen hat. Bereits am Mittwoch leitete er das erste Training in Bern, sein Vertrag läuft bis 2024.
Als Bundestrainer findet die Arbeit eher hinter den Kulissen statt. Strukturen aufbauen, bei den U-Teams entwickeln und dann nach ein paar läppischen Vorbereitungsturnieren hoffen, dass die besten Spieler, vor allem die aus der National Hockey League (NHL) auch kommen können und dann mit einer immer anderen Mannschaft zum Saisonhöhepunkt Weltmeisterschaft antreten.
Das ist den meisten Trainern auf Dauer zu wenig, sie wollen näher an ihrer Mannschaft sein, sie kontinuierlich durch die gesamte Saison begleiten und formen, es ist bei Toni Söderholm nicht anders.
Dass der Entwickler nun die Biege macht, trifft den Deutschen Eishockey-Bund (DEB) hart. Lassen wir mal außen vor, dass sicher viele kleine Scharmützel hinter den Kulissen zum plötzlichen Abschied des Finnen geführt haben.
15
Siege in 26 Spielen hat Söderholm bei drei Weltmeisterschaften mit dem deutschen Team eingefahren.
Seine Bilanz ist in jedem Fall eindrucksvoll: Eine Halbfinalteilnahme und zwei Viertelfalteilnahmen bei Weltmeisterschaften und dazu Siege gegen Teams aus Finnland und Kanada, die nach den Niederlagen gegen die Deutschen später sogar Weltmeister wurden. Die Bilanz war mit 15 Siegen in 26 Spielen positiv. Nur bei Olympia 2022 hatte sich Söderholm verzockt und schied bereits nach vier Spielen mit dem Team aus.
Toni Söderholm hat beim DEB viel auf den Weg gebracht. Der Verband sollte nun bei der Suche nach dem Nachfolger jemanden finden, der weiter aufbauen kann. Ein erfahrener Trainer auf Durchreise könnte vieles zerstören. Und das wäre schlecht für das gesamte deutsche Eishockey.
Söderholm arbeitet sehr eng mit den Spielern und nimmt sie nach außen hin immer in Schutz. „Man muss seine Sportler kennen, wenn man etwas aus denen herausholen will“, hat er einmal gesagt. Unter ihm ist der Kreis jener, die für die Nationalmannschaft in Frage kommen, enorm gewachsen. Was sicher aber auch mit der gesamten Entwicklung des deutschen Eishockeys zusammenhängt. Aber Söderholm war eben auch erfolgreich, wenn seine Topstars wie Leon Draisaitl oder Tim Stützle nicht im Aufgebot waren.
Unter Söderholms Vorgänger Marco Sturm hat mit dem Gewinn der Silbermedaille bei den Winterspielen 2018 eine neue selbstbewusste Zeit beim Nationalteam begonnen. Auch bei Söderholm hatte man immer das Gefühl, dass eine Medaille bei großen Turnieren möglich ist, weil Spielkultur, Selbstverständnis und Selbstbewusstsein bei den Spielern stetig gewachsen sind. Insofern ist sein Verdienst um die Nationalmannschaft groß.
Toni Söderholm hinterlässt das Versprechen, dass in naher Zukunft mit dem deutschen Team eine Medaille machbar ist. Einlösen muss es nun ein anderer. Und das wird anspruchsvoll.
Zur Startseite