Vom Comiczeichner zum Lyrik-Lehrer: Nicolas Mahler übernimmt Leitung der Wiener Dichterschule
Er war der erste Zeichner, der im Literaturverlag Suhrkamp einen Comic veröffentlicht hat. Er beschäftigt sich in seinem Werk ausführlich mit Schriftstellern wie Thomas Bernhard, Marcel Proust, James Joyce und zuletzt Franz Kafka. Und er hat einige Bände mit Gedichten veröffentlicht, die aus montierten Textfunden bestanden und ähnlich minimalistisch und humorvoll wie seine Zeichnungen sind. Nun übernimmt der Österreicher Nicolas Mahler (54) die Führung einer Institution, die sich der Sprachkunst verschrieben hat.
Mahler wird Anfang des kommenden Jahres künstlerischer Leiter der Schule für Dichtung (sfd) in Wien. Das verkündete die Einrichtung am Donnerstag. „Wieder keine ‘ordentliche‘ Dichterin, wieder kein ‘gelernter‘ Literaturvermittler: Die Schule für Dichtung bleibt ihrem Prinzip ‘verquerer Direktorenschaft’ treu“, heißt es in der Mitteilung vom Donnerstag.
Mahler soll dem Radiomacher und Musiker Fritz Ostermayer folgen, der die Schule seit 2012 geleitet hat und inzwischen 68 Jahre alt ist. „Mahlers Wahl mag ‘schräg‘ erscheinen, doch zur Schrägheit gesellt sich ein loderndes Herz für Dichtkunst und Experiment“, erklärte Ostermayer. „Das ist und war entscheidend.“
Als bester deutschsprachiger Comic-Künstler ausgezeichnet
Mahler ist mehrfach mit Comic- und Literaturpreisen ausgezeichnet worden, 2010 bekam er den Max-und-Moritz-Preis als bester deutschsprachiger Comic-Künstler und 2015 den Preis der Literaturhäuser.
Seine bei Suhrkamp erschienenen Literatur-Adaptionen in Comicform zeugen nach Einschätzung der Schule für Dichtung „von seiner Liebe zu den modernen Klassikern, sein Naheverhältnis zu gegenwärtigen literarischen Biotopen weist ihn als einen Kenner aktueller Dichtung aus“. Eine ausführliche Vorstellung von Mahler in seiner neuen Funktion und seines Programms ist für März 2024 angekündigt.
Die Schule für Dichtkunst, die vom österreichischen Kulturministerium und der Stadt Wien finanziell unterstützt wird, wurde 1991 von Autorinnen und Autoren aus den Bereichen Lyrik, Performance und experimentelle Sprachkunst gegründet. Sie versteht sich als unabhängiges Künstlerprojekt und bietet seit 1992 Kurse an, in denen „lehrhafte Begegnungen mit renommierten Autorinnen und Autoren“ geboten werden. Im Zentrum stehe die praktische Übung. Neben analogen und digitalen Klassen organisiert die Schule Symposien, Konzerte, Lesungen und andere öffentliche Veranstaltungen.
Zu den Autorinnen und Autoren, die in den vergangenen gut 30 Jahren an der Schule gearbeitet haben, zählen neben der Schriftstellerin Friederike Mayröcker, dem Dichter Allen Ginsberg und Bestseller-Autorin Waris Dirie auch Menschen, die aus anderen Kunstformen bekannt sind, darunter die Musiker Nick Cave, Blixa Bargeld und Falco.