„Boah, die Alte nervt“: Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist die Jeanne d’Arc der Politik
Der Satz ist ungehörig, ja eine Frechheit. Getwittert hat ihn Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Jens Plötner, der außenpolitische Berater von Bundeskanzler Olaf Scholz soll ihn gesagt haben: „Boah, die Alte nervt“.
Setzt Scholz unter Druck
Und zwar als Reaktion bei der Bundeswehrtagung, die das Verteidigungsministerium am Donnerstag und Freitag ausrichtete. Die FDP-Politikerin Strack-Zimmermann hatte den Kanzler gefragt, ob die Bundesregierung eine „nachhaltige Strategie zur Ukraine-Unterstützung“ habe. Die aufschlussreichste Antwort sei daraufhin von seinem anwesenden Chefberater Plötner gekommen.
Der Tweet von Strack-Zimmermann ging viral, mehr als eine Million Mal wurde er bereits angeklickt. Unverkennbar traf er einen Nerv, nein, zwei Nerven.
Die einen werden sich mehr oder weniger klammheimlich über den Plötner-Satz gefreut haben. Endlich mal einer, der diese FDP-Politikerin in die Schranken weist. Immer vorlaut, immer besserwisserisch, diese Frau ist eine wahre Nervensäge innerhalb und außerhalb des Parlaments. Derartige Ansichten werden nicht in großer Runde geäußert, es besteht ja Misogynie-Verdacht. Aber natürlich existieren sie.
„Boah, die Alte nervt“
Jens Plötner, außenpolitischer Berater von Bundeskanzler Olaf Scholz
Der andere – und ich würde sagen, der größere Teil – versteht die Plötner-Äußerung als Kompliment für die 65-jährige Politikerin. Weil sie, obgleich die FDP Regierungspartei ist, namentlich das Wischi-Waschi, das Ungefähre, das Zögerliche in der Scholzschen Ukraine-Politik benennt. Sie will Antworten, keine Ausflüchte, die resolute Streiterin verlangt eine glasklare Unterstützung Deutschlands im Angriffskrieg Russland gegen die Ukraine. Strack-Zimmermann ging und geht voran.
Erinnert sei an die vielbeachtete Twitterschlacht von Strack-Zimmermann mit SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, als Sozialdemokraten im Januar zögerten, Leopard-Panzer freizugeben. Sie warf ihrem Gegenüber „Ansichten von gestern“ vor. Der Gescholtene mokierte sich über „Empörungsrituale“ der prominenten Liberalen. Strack-Zimmermann gibt immer hundert Cent auf einen Euro raus.
Eine derartige Persönlichkeit ist natürlich ein Liebling der Talkshows. Vertreterinnen und Vertreter des Luther-Deutsch besitzen bei Will & Co. quasi eine Carte blanche. Und Strack-Zimmermann wäre nicht Strack-Zimmermann, wenn sie bei „Markus Lanz“ nicht den Gastgeber und dessen Podcast-Bruder Richard David Precht vorgeführt hätte. Precht hatte horrenden Unsinn über die ultraorthodoxen Juden erzählt, heftig akklamiert von Lanz. Beide gerieten unter Antisemitismus-Verdacht, Precht entschuldigte sich, ein flaues Gefühl blieb.
Strack-Zimmermann drehte die Rollenverteilung bei „Markus Lanz“ um. Sie konfrontierte Lanz, sie stellte Fragen in so unerbittlicher Weise zu Precht und Antisemitismus, dass Lanz in seiner Augenblickangst schier aus seiner eigenen Talkshow verschwand.
Agnes-Marie Strack-Zimmermann ist die Jeanne d’Arc der öffentlichen, politischen Rede. Sie steht damit in der Reihe bemerkenswerter FDP-Frauen wie Hildegard Hamm-Brücher. Das Verdrucktste, das Vernebelnde ist ihre Sache nicht. Sie verlangt Klartext, sie teilt aus. Manche nervt das, aber Strack-Zimmermann wird gehört.
Formen sollten gewahrt bleiben
Empfindlich ist die dabei nicht, aber die Formen sollten gewahrt bleiben. Dem „Spiegel“ sagte sie,, eine Entschuldigung von Sven Plötner wäre angemessen. Sie erwarte aber keine. „Es spricht nicht für Herrn Plötner, dass der Chefdiplomat des Kanzlers bereits bei den eigenen Parlamentariern die Nerven verliert.“
Marie-Agnes Strack-Zimmermann wird hoffentlich weiter nerven.