Was am Set von „Manta Manta“ geschah: Til Schweiger ist nicht das Problem

Diese Woche startet eine deutsche Komödie in den Kinos, die ein Problem thematisiert, das gesellschaftlich immer noch tabuisiert wird – statt es wie eine Krankheit zu behandeln: Alkoholsucht. In „One for the Road“ spielt Frederick Lau einen erfolgreichen Bauleiter, der nach Feierabend über die Stränge schlägt, am Arbeitsplatz aber von seinen Angestellten für seine Fairness respektiert wird. Seine Geschäftspartnerin toleriert, „was er in seiner Freizeit macht“, solange er seine Arbeit erledigt. Aber irgendwann färbt das Freizeitverhalten auf seine Leistung am Arbeitsplatz ab. Klingt irgendwie vertraut?

Es ist natürlich ein Zufall, dass Til Schweiger genau in dieser Woche sein erstes Interview ein halbes Jahr nach den Vorwürfen gegen ihn über die Arbeitsbedingungen am Set von „Manta Manta – Zwoter Teil“ gibt. Und gut Woche nach der Veröffentlichung eines Gutachtens, in dem sein langjähriger Produktionspartner Constantin Film ihm ein problematisches („grenzwertig, übergriffig, verletzend“), aber weitgehend harmloses Verhalten während der Dreharbeiten bescheinigt.

Fast wie Klassentreffen: Szene aus „Manta Manta – Zwoter Teil“ über 30 Jahre nach dem Original.
Fast wie Klassentreffen: Szene aus „Manta Manta – Zwoter Teil“ über 30 Jahre nach dem Original.
© Constantin Film/Mathias Bothor

Unter anderem wurde Schweiger gegenüber seinem Produktionsleiter handgreiflich, weil der ihn nicht ans Set lassen wollte: Der Regisseur, Produzent, Autor und Hauptdarsteller sei zu betrunken gewesen. Doch die Koinzidenz von Filmstart und „Stern“-Interview ist bemerkenswert.

Rationalisierung des „Kontrollverlusts“

Schweiger gibt sich glaubwürdig zerknirscht und spricht offen über seinen Alkoholkonsum, über den er bereits seit Jahren mit Familie und Freunden spricht, wie er erzählt. Er gibt zu, dass er ein Problem hat („Es gab eine Situation, in der ich durch meinen Alkoholkonsum nicht ich selbst war.“), das er lange nicht einsehen wollte. Weil er ja trotzdem einer der erfolgreichsten Akteure im deutschen Kino war. Konnte also alles gar nicht so schlimm sein. Man nennt diesen Typus „funktionierender Alkoholiker“.

Das Interview mit dem „Stern“ weist aber noch ein paar andere Zwischentöne auf, die wieder an eine Rechtfertigungsstrategie erinnern. Vor der Scham, die er für den Angriff auf seinen Produktionsleiter empfindet, kommt zunächst mal ein Sermon von Rationalisierungen des „Kontrollverlusts“, wie Schweiger seine Ausfälle nennt. „Ich habe immer abgeliefert. Niemals einen Drehtag verloren, bin nie zu spät gekommen, und meinen Text konnte ich auch.“ Die Reue geht immer mit einem „aber“ einher.

Auch die Argumentationslinie, immer wieder auf die schönen Momente bei den Dreharbeiten hinzuweisen („Ich liebe mein Team“, sagt Schweiger einmal) kennt man eher aus toxischen Beziehungen. Viele aus seiner Crew haben dies im Gutachten auch bestätigt. Trotzdem neigt Schweiger zu Relativierungen, was sein Verhalten angeht. Überraschen muss das nicht, Til Schweiger inszeniert sich gerne als Opfer von Neid und Missgunst, auch sein Verhältnis zur Filmkritik ist angespannt. Dem „Spiegel“ mit seiner Recherche wirft er eine Art Hetzkampagne vor, dabei hat ihn niemand, wie er behauptet, je mit Harvey Weinstein verglichen. Für etwas mehr Selbstreflexion könnte ein Kinoabend mit „One for the Road“ durchaus hilfreich sein.

Doch das Gutachten der Kanzlei hat die Vorkommnisse am Set heruntergespielt. Wundert das – wenn der Bericht von einer „externen“ Anwaltskanzlei stammt, die ebenfalls für die Constantin arbeitet? Es passt eher ins Bild einer Branche, in der starke, auch wirtschaftliche Abhängigkeiten vorherrschen. Dass die Produktionsfirma nun, sechs Jahre nach MeToo, endlich auf die Idee kommt, einen Maßnahmenkatalog für Verhaltensregeln am Set vorzulegen, spricht für sich. Wäre dies früher geschehen, hätte man nicht nur einige Mitarbeiter vor Til Schweiger schützen können. Sondern auch Schweiger vor sich selbst.