Der Streik der US-Schauspieler und die Folgen: Der rote Teppich bleibt ab jetzt leer
Die Fans von Margot Robbie und Ryan Gosling müssen jetzt sehr tapfer sein: Die Stars von Greta Gerwigs „Barbie“ kommen am Samstag nicht zur Deutschlandpremiere aus Los Angeles nach Berlin. Der rote Teppich vor dem Berlinale Palast bleibt weitgehend leer.
Bei der New Yorker „Oppenheimer“-Premiere am Montag wird das Red Carpet Event ebenfalls weitgehend entfallen. Schon bei der London-Premiere am Donnerstagabend war das Schaulaufen kurzfristig um eine Stunde vorgezogen worden, dann verließen Matt Damon, Emily Blunt, Gillian Murphy, Robert Downey jr. und Florence Pugh die Gala. Auf der Bühne stand schließlich nur noch Christopher Nolan, der Regisseur des lange erwarteten Films über den „Vater der Atombombe“.
Der Grund für all die No Shows: der am Donnerstag beschlossene Streik aller Hollywood-Schauspieler, die in der Screen Actors Guild (SAG – AFTRA) organisiert sind. Es gehe hier nicht um akademische Spielchen, sagte Matt Damon am roten Teppich, sondern unter anderem um die Gesundheitsvorsorge für Schauspieler. „This is real life and death stuff“, wird er vom Branchenblatt „Variety“ zitiert. Und dass er auf eine schnelle Einigung hofft, so dass alle ihre Arbeit wieder aufnehmen können.
Der Streik verbietet allen Gewerkschaftsmitgliedern nicht nur die Arbeit am Set, sondern auch jegliche Mitarbeit beim Promoten von Filmen. Die Gewerkschaft hatte wochenlang mit den großen US-Studios verhandelt, unter anderem für bessere Entlohnung, Tantiemen bei erfolgreich laufenden Serien und Regelungen für den Einsatz von KI im Filmgeschäft: Wie die Drehbuchautoren, die bereits seit 2. Mai streiken, wollen auch die Schauspieler:innen verhindern, dass sie durch Maschinen ersetzt werden.
Die Folgen dieses ersten Doppelstreiks seit 1960 sind immens für die 134 Milliarden schwere US-Filmindustrie. Sie betreffen bei weitem nicht nur die Premieren und das Marketing aktueller Titel – und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem mit „Barbie“ und „Oppenheimer“ nächste Woche gleich zwei der wichtigsten Blockbuster der Saison international parallel in die Kinos kommen.
Noch kann keiner sagen, wie lange die beiden Streiks andauern werden, bei denen insgesamt rund 170.000 Kreative im Ausstand sind. Disney-Chef Bob Iger sagte im Interview mit dem Sender CNBC, nach all den Erschütterungen durch die Corona-Pandemie sei dies der „schlechteste Zeitpunkt“ für weitere Unterbrechungen des Filmbetriebs. Er sei sehr besorgt, die Forderungen der Schauspieler seien unrealistisch hoch.
Die Gewerkschafts-Vorsitzende Fran Drescher – in den USA vor allem als Schauspielerin aus der 90er-Jahre-Sitcom „Die Nanny“ bekannt – betont im Interview mit dem Branchenmagazin „The Hollywood Reporter“ umgekehrt, die Angebote des Studioverbands seien bisher entwürdigend und respektlos gewesen.
In den sozialen Medien haben zahlreiche Stars ihre Solidarität bekundet. Jamie Lee Curtis postete auf Instagram einen Kommentar mit zwei Theatermasken, einer komischen, einer dramatischen: Es sei Zeit, „die Masken abzusetzen und die Schilder hochzuhalten“. Cynthia Nixon („Sex and the City“) twitterte: „Wir werden das gewinnen“.
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Fran Drescher verweist auf die auch geografisch weitreichenden Folgen des Streiks: „Die Tentakel, von dem, was jetzt geschieht, werden alle Ecken der Welt erreichen“. Wohl wahr: Vom Streik betroffen sind sowohl Dreharbeiten in Thailand („White Lotus“, die „Alien“-Serie) als auch in Marokko, Malta und Großbritannien, wo Ridley Scotts „Gladiator 2“ entsteht.
Fachmagazine wie „Deadline“ oder „Variety“ nennen auch Teil 2 des gerade gestarteten ersten Tom-Cruise-Blockbuster-Teils „Mission Impossible – Dead Reckoning“, außerdem listen sie unter anderem das nächste „Spiderman“-Sequel auf, Serien- und TV-Produktionen wie „Blade Runner“, „The Last Of Us“, „The Mandalorian“ oder die zweite Staffel von „Bad Sisters“.
Auch „Doctor Who“ könnte betroffen sein. Entwarnung gibt es jedoch bei „House of the Dragon“, dem Prequel zu „Game of Thrones“: Beim Dreh in England sind kaum US-Schauspieler dabei, und die lokale Gewerkschaft Equity hat zwar ihre Solidarität mit dem US-Streik erklärt, streikt jedoch ihrerseits nicht.
Schon jetzt sorgen sich deshalb auch viele um die wichtigen Herbst-Festivals in Venedig, Toronto und Telluride, die ab Ende August im Kalender stehen. Das Filmfest am Lido, das große Publikumsfestival in Kanada ohne Stars, wie soll das gehen? „Wir hoffen im Interesse der audiovisuellen Industrie, dass es zwischen den Parteien zu einer schnellen Einigung kommt“, zitiert „Variety“ ein Statement der Venedig-Biennale, der Dachorganisation der Mostra del Cinema.
Ist sogar die nächste Award Season in Gefahr? In Venedig und Toronto laufen traditionell die ersten neuen Oscar- und Golden-Globes-Anwärter. Was ist mit der Emmy-Verleihung am 19. September. Und werden die Studios wichtige Titel gleich aufs nächste Jahr verschieben?
Die Sorgen sind berechtigt, blickt man zurück auf die beiden großen Streiks in der Geschichte Hollywoods. Der letzte Schauspielerstreik datiert auf 1980, er dauerte vom 21. Juli bis zum 23. Oktober, und bei der Emmy-Verleihung nahm nur ein einziger Schauspieler seine Trophäe entgegen. Damals ging es um Profitbeteiligung an der Pay-TV-Verwertung und bei den Videokassetten, auch da kam die Produktion vollständig zum Erliegen.
Der letzte Doppelstreik 1960 war noch gravierender, er dauerte von Januar bis Juni, 148 Tage. Hintergrund war der Streit um Rechte- und Gewinnbeteiligung angesichts des Fernsehbooms. Chef der Schauspieler-Gewerkschaft war damals übrigens ein gewisser Ronald Reagan.