Das dritte Trainerdebüt des Ungarn bei Hertha BSC: Pal Dardai setzt auf den Überraschungseffekt
Aus der Nähe stellen sich manche Dinge doch ganz anders dar als aus der Distanz. Selbst für Pal Dardai, der bei Hertha BSC eigentlich nie besonders weit weg ist. Der neue Trainer des Berliner Fußball-Bundesligisten ist dem Klub traditionell eng verbunden, er weiß immer, zumindest in groben Zügen, was gerade Sache ist. Insofern war es nur zu verständlich, dass er am Montag dieser Woche, bei seiner offiziellen Vorstellung, ein paar Zweifel durchklingen ließ, als es um die Führungsqualität innerhalb des Kaders ging.
Nach vier Tagen mit seiner Mannschaft, nach einer knappen Handvoll Trainingseinheiten und nach Einzelgesprächen mit sämtlichen Spielern hat Dardai festgestellt: Es ist doch nicht so schlimm. Sechs, sieben Spieler, so seine Erkenntnis, kämen als Führungskräfte für das schlingernde Team infrage, das am vergangenen Wochenende in der Bundesliga auf den letzten Tabellenplatz zurückgefallen ist und das daher für den Saisonendspurt noch einmal einen neuen Trainer bekommen hat.
Wer die potenziellen Führungsspieler sind, die er identifiziert hat, das hat Dardai natürlich nicht erzählt. Wie er sich auch sonst mit der Preisgabe relevanter Informationen vor seinem dritten Debüt als Cheftrainer an diesem Samstag im ausverkauften Olympiastadion gegen Werder Bremen (15.30 Uhr, live bei Sky) weitgehend zurückgehalten hat.
Verständlicherweise. Aktuell scheinen Hertha und Dardai wenig Trümpfe in der Hand zu halten. Der Überraschungseffekt ist möglicherweise einer. „Wir können uns nicht sicher sein, wie sie auftreten werden“, sagte Werders Trainer Ole Werner über die Berliner.
Dreierkette oder doch Viererkette? Das sind die beiden Varianten, auf die Werner sich und sein Team zumindest gedanklich vorbereiten muss. „Natürlich haben wir die Viererkette geübt“, sagte Dardai. Es kann aber auch bei der Dreier- respektive Fünferkette bleiben, die sein Vorgänger Sandro Schwarz zuletzt hat spielen lassen. Allerdings mit einer anderen taktischen Herangehensweise, nicht so hasenfüßig wie etwa beim 2:5 gegen Schalke. „Man muss Mut haben und Vertrauen“, forderte Dardai.
Nähere Informationen könnte Werders Trainer Werner bei seinen Spielern Niklas Stark und Mitchell Weiser einholen, die lange unter Dardai gespielt haben. Aber würden ihre Erfahrungen von damals in der aktuellen Situation wirklich helfen? Dardai hat die Mannschaft zwar immer im Abstiegskampf übernommen, aber jeder Abstiegskampf ist anders und jeder Kader auch.
Beim ersten Mal, im Februar 2015, ließ Dardai nach eigener Aussage „4-4-1-1 und Bunker“ spielen, beim zweiten Mal, sechs Jahre später, stellte er auf Fünferkette um. „Wir werden sehen, was jetzt kommt“, sagte er.
Niklas Stark erwartet keine revolutionären Neuerungen, dafür sei die Zeit zu kurz: „Ich glaube, Pal versucht, wieder Spaß in die Mannschaft zu kriegen, die Köpfe freizubekommen, die Räume eng zu halten, gut in die Zweikämpfe zu kommen“, erklärte er. „Die einfachen Dinge des Fußballs, wie man so schön sagt.“
Das Team sei fit, sagt Dardai
Nur die erste Trainingseinheit unter Dardai war für die Fans und die Medien zugänglich. Und da ging es tatsächlich recht munter zu. Es wurde gelacht und gescherzt; der praktische Teil bestand hauptsächlich aus einem Fußballtennisturnier. Aber auch bei einer solchen Einheit geht es Dardai nicht nur darum, seine Spieler auf möglichst unterhaltsame Art zu beschäftigen.
Der Ungar ließ die Tennisfelder bewusst in der Mitte des Platzes aufbauen. Mit viel Auslauf zu beiden Seiten, damit die Spieler auch scheinbar verlorene Bälle noch erlaufen konnten, so wie im Spiel, wenn es um die sogenannten zweiten Bälle geht. Zudem schaute er seinen Spielern bei der Einheit intensiv ins Gesicht: Wer lässt wann die ersten Anzeichen von Müdigkeit erkennen? „Die Mannschaft ist fit. Ich kann nicht klagen“, sagte Dardai.
Das ist schon deshalb hilfreich, weil Hertha sofort funktionieren muss. Dem neuen Coach bleiben für seine Rettungsmission nur sechs Spiele, vielleicht auch acht, wenn das Team zwei Plätze klettert und noch auf den Relegationsrang vorstößt. „Ich kann jetzt nichts mehr ausprobieren“, sagte Dardai. „Es interessieren nur: Ergebnisse, Ergebnisse, Ergebnisse.“
In der Vergangenheit ist es ihm zumindest immer recht schnell gelungen, die Defensive zu stabilisieren. Das Problem ist: Als Tabellenletzter ist Hertha kurz vor Saisonende in einer Situation, in der die Defensive alleine nicht mehr reichen wird. Die Mannschaft muss attackieren, ihre Gegner im Spiel ebenso wie die Teams, die in der Tabelle vor ihr liegen.
Trotzdem: „Wir können nicht alle sinnlos angreifen“, sagte Dardai. Andererseits dürfe die Mannschaft auch nicht zu defensiv auftreten. „Mit der Defensive gewinnst du gar nichts. Da spielst du 0:0. Du musst nach vorne spielen und Tore machen.“
Herthas neuer Trainer ist zuversichtlich, dass dies auch mit dem vorhandenen Kader möglich ist; Qualität und Schnelligkeit seien vorhanden. „Wenn wir das, was wir uns ausgedacht haben, gut machen, gewinnen wir“, sagte Pal Dardai.