Formstarkes Eigengewächs: Tim Schneider steht bei Alba Berlin plötzlich im Scheinwerferlicht
Tim Schneider unterbricht seine morgendliche Routine nur zögerlich. „Die wollen mit mir sprechen?“, fragt der Power Forward von Alba Berlin den Mitarbeiter der Presseabteilung fast ungläubig. Es ist Mittwochvormittag, Medientraining und völlig überraschend ist es nicht, dass es da Anfragen gibt. Nur richten sich diese meist an Luke Sikma, Maodo Lo, Johannes Thiemann oder Louis Olinde.
Schneider kann sich normalerweise ganz in Ruhe auf das Training vorbereiten. Dieses Mal ist er allerdings der gefragte Mann. Schließlich hat er am vergangenen Wochenende innerhalb von 48 Stunden zwei persönliche Bestleistungen pulverisiert. 15 Punkte am Freitagabend in der Euroleague gegen Monaco, dann 17 Punkte in der Bundesliga gegen Ulm. Dazu zehn Rebounds und somit sein erstes Double Double.
Es sind ziemlich spektakuläre Zahlen für einen Spieler wie Schneider, der seine Arbeit sonst ebenso zuverlässig wie unauffällig im Schatten der Stars verrichtet. Abseits des Scheinwerferlichts fühlt sich der 25-Jährige durchaus wohl und auch die zwei starken Spiele locken Schneider nicht aus der Reserve. „Ich fühle mich gut, habe gute Pässe bekommen, stand frei und habe das Ding einfach raufgeworfen“, beschreibt er das Geschehen nüchtern.
Die starken Leistungen haben Schneider dennoch sehr gutgetan. Denn auch wenn er eher ein ruhiger Vertreter ist, heißt das nicht, dass er mit seiner Rolle im Team stets zufrieden ist. Gerade in der Euroleague schwanken seine Einsatzzeiten extrem. Mal kommt er wie in der vergangenen Woche in Bologna gar nicht zum Einsatz, dann spielt er wie zwei Tage später gegen Monaco 18 Minuten.
Es sei gar nicht so einfach, jedes Mal bereit zu sein, ohne zu wissen, ob man überhaupt aufs Feld darf, „aber ich habe mich mittlerweile ein bisschen dran gewöhnt“, sagt Schneider. Zumal die Einsatzzeiten in der Bundesliga deutlich besser aussehen.
Seit seinem Profidebüt vor sechs Jahren hat er sich kontinuierlich verbessert, große Sprünge hat er dabei aber nicht gemacht – anders als etwa Jonas Mattisseck, der im Alter von 18 Jahren die Bayern mit fünf Dreiern aus dem Pokal warf, oder Malte Delow, der in den vergangenen zwei Jahren mit einer beeindruckenden Entwicklung an den anderen Eigengewächsen vorbeigezogen ist. Von NBA-Profi Franz Wagner, mit dem Schneider in der Saison 2018/19 bei Alba zusammenspielte, ganz zu schweigen.
An der Wertschätzung von Kollegen und Trainern ändert das aber nichts. „Tim ist ein Spieler, der jedes Jahr besser wird und wir sind sehr zufrieden mit seinen Leistungen“, sagt Trainer Israel Gonzalez. Schneider arbeite jeden Tag kontinuierlich an sich – und das gilt nicht nur für seine Basketballkarriere.
Im vergangenen Jahr hat er seinen Bachelor im Studiengang Sport und Event Management, den Alba in Kooperation mit der „University of Europe for Applied Sciences“ anbietet, abgeschlossen. Anfang Dezember hat er nun ein Masterstudium der Betriebswirtschaftslehre an einer Fernuni begonnen. „Das ist für mich ein bisschen Beschäftigungstherapie, damit ich nicht die ganze Zeit vor Netflix oder der Playstation sitze, aber natürlich auch Vorbereitung für das spätere Berufsleben“, sagt Schneider.
Alba will die Serie von elf Niederlagen in Folge beenden
Mit dem ersten Skript ist er mittlerweile fast durch, doch der Fokus liegt momentan natürlich auf dem Sport. Albas Spielplan ist auch über die Feiertage eng und Schneider wird dabei vermutlich mindestens genauso gefragt sein wie beim Medientraining.
Denn die Erkältungswelle, die Alba seit zwei Wochen Probleme bereitet, hat aktuell vor allem die großen Spieler erwischt. An diesem Donnerstag (20 Uhr, Magentasport) in der heimischen MB Arena gegen Maccabi Tel Aviv wird die Flexibilität des 2,08 Meter großen Schneider auf den Positionen drei, vier oder fünf dringend gebraucht.
Schneider ist optimistisch, dass die seit elf Spielen andauernde Niederlagenserie in der Euroleague dann endlich ein Ende nimmt. „Wir sind alle etwas angefressen von der Situation, aber es ist auf jeden Fall ein positiver Trend zu erkennen. Ich hoffe, dass wir uns kurz vor Weihnachten noch ein kleines Geschenk machen“, sagt Schneider.
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