Die Schreier und das Mobbing
Roswitha Quadflieg ist Schriftstellerin, und Mitglied im PEN Deutschland. Zuletzt erschien ihr Roman „Ihr wart doch meine Feinde“.
Wie schön! Endlich scheint in den deutschen Medien Platz für Äußerungen von SchriftstellerInnen zu sein. Herbei, herbei! Plötzlich haben alle noch etwas zum Thema PEN zu sagen. Friedrich Christian Delius teilte kurz vor seinem Tod mit, warum er den PEN Deutschland verlässt, und ihm folgten prominente Namen.
Allmählich weiß wohl jeder/jede in diesem Land, dass es nicht um Schlafprobleme geht, wenn das Wort PEN fällt, sondern um einen Verein von Schriftstellerinnen und Schriftstellern. Wie schön! Und jetzt gibt es außer dem PEN Zentrum Deutschland, Sitz in Darmstadt, und dem PEN Zentrum der Schriftstellerinnen und Schriftsteller im Exil deutschsprachiger Länder, Sitz in Berlin, ab dem 10. Juni 2022 einen weiteren PEN, den PEN Berlin.
Jetzt könnte man sich wie Bernhard Schlink in der „FAZ“ vom 14. Juni allerdings fragen: „Muss das sein?“ Diese Abspaltung des PEN Berlin vom PEN Deutschland, nach der Jahresversammlung in Gotha Mitte Mai 2022? Dort, so konnte man überall lesen, schmiss Präsident Yücel hin, obwohl er mit immerhin einer Stimme Mehrheit wiedergewählt wurde – doch sein Schatzmeister nicht.
Fehler in der Kommunikation
Das wäre eine Komödie wert. Aber so lustig ist es nicht. Denn keine vier Wochen nach Gotha wurde der PEN Berlin aus der Taufe gehoben, zu dem sich in Windeseile über 300 Schriftsteller bekannten.
„Wenn wir hier im reichen, friedlichen Deutschland unsere vielen internen Meinungsverschiedenheiten, unsere politischen und moralischen Haltungen hintanstellen können, gewinnen wir vereint eine enorme symbolische Kraft“, schrieb Eva Menasse in der „FAZ“ vom 20. Juni.
Warum nicht im PEN Deutschland? Weil auf der Versammlung in Gotha ein paar Schreier die Contenance verloren? (Ich war seit meiner Zuwahl 2008 zum ersten Mal nicht bei der Jahresversammlung dabei.) Oder weil seit der Wahl des Präsidenten in Frankfurt, nur ein knappes halbes Jahr vorher, so viel Unschönes passiert war?
Am 9. März schrieb das Yücel-Präsidium an seine Mitglieder: „Wir wenden uns heute mit einer Geste der Demut an Sie und an Euch. In letzter Zeit haben wir Fehler in der Kommunikation innerhalb des Präsidiums gemacht. Das bedauern wir sehr. Wir haben uns im Ton vergriffen, und das ist nicht der Standard, den wir selbst von uns verlangen.“
Alle rieben sich die Augen, was sollte das denn? Nur wenige Tage darauf prasselte es Beschimpfungen wie „Flusspferde“ und „Silberrücken“ (womit die vielen älteren Mitglieder gemeint waren), zuletzt flog die jetzt legendär gewordene Bratwurstbude durch den Raum. Merkwürdigerweise sind nun einige der Silberrücken mit vor Begeisterung glänzenden Augen in den PEN Berlin eingerückt.
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Alles vergessen? Schwamm drüber? Von Deniz Yücels Dauermobbing – vor allem seines Schatzmeisters –, dem die MitarbeiterInnen im Darmstädter Büro und die Verantwortliche für das Ressort „Writers in Exile“ ausgesetzt waren, war bisher in keinem der vielen Berichte die Rede.
Wie merkwürdig, wo dieses Gebaren doch kein Geheimnis mehr ist – und wo sonst doch allein bei Mobbingverdachtsfällen sofort sämtliche medialen Alarmglocken schrillen. Es gäbe noch vieles zu hinterfragen.
„Arbeit gibt es mehr als genug.“ Damit, und mit dem Hinweis, dass man sich für Julian Assange einsetzen wolle, endet Eva Menasses „FAZ“-Artikel unter der Überschrift „Viel mehr als ein Yücel-Wahlverein“. Seit seiner Inhaftierung fordert der PEN Deutschland die Freilassung Assanges. Regula Venske, die ehemalige Präsidentin, stand unter den Protestierenden vor dem Gefängnis in London, Anfang November 2021 wurde Assange zum Ehrenmitglied ernannt.
Wofür jetzt also ein weiterer PEN in Deutschland? „Die Mitglieder der Berliner Gründung“, so Bernhard Schlink, „wollten mit der Bratwurstbude nichts mehr zu tun haben und haben einen neuen Verein gebildet – und nicht gemerkt, dass sie die Vereinsmeierei damit fortgesetzt haben.“ Einen neuen Spitznamen hat der Club jedenfalls schon – sowas geht in Berlin immer schnell: PENnY.