Wie ein Comic die AfD entlarvt
Die Handlung des Comics, der seinen Titel einer Aussage des AfD-Politikers Alexander Gaulands verdankt, ist schnell umrissen: Ein pensionierter Lehrer und Alt-68er namens Rudi und seine Nachbarin Eleni beschließen nach einem rechtsextremen Terroranschlag in ihrem näheren Umfeld, dass es nun genug sei mit rechtsextremen Umtrieben.
Da die AfD in ihren Augen als geistige Brandstifter eine Mitverantwortung tragen, beschädigen sie deren Plakate, indem sie die Slogans übermalen.
Später steigern sie ihre Kampagne zu einer Art Happening: Vögel werden mit einer Vogelfutterkanone auf die AfD-Zentrale in Berlin gelockt, damit sie dort alles vollscheißen. Danach jedoch geraten Rudi und Eleni selbst ins Visier gewaltbereiter Extremisten.
Zum Glück begnügen sich Autorin Frauke Bahle, Zeichner Julian Waldvogel und das weitere Team hinter „Vogelschiss – Die Graphic Novel gegen Rechts“ (Guano Project, 128 S., 24 €) nicht mit dem Abfeiern einer originellen Idee. Mit Fortschreiten der Story gehen sie durchaus in die Tiefe und beschäftigen sich mit Thesen und Dogmen, deren Richtigkeit sich nicht unmittelbar erschließen. „Niemals mit Rechten reden“ lautet so ein Dogma, das Eingang in „Vogelschiss“ gefunden hat, weil es eben so eine fundamentale Regel ist.
Rudi, unser Alt-68er, und Eleni unterhalten sich mit einer Mutter am Fußballplatz über die Einflussnahme eines AfD-Vorstandsmitglieds, der den Vereinskids Trikots spendiert hat. In dem Gespräch redet sich Rudi in Rage: Dass die AfD eine demokratisch legitimierte „Volkspartei“ sei, lässt Rudi nicht gelten, dass AfD-Aktivisten lediglich Andersdenkende seien, die man nicht ausgrenzen darf, auch nicht.
Handwerklich gelungen, überzeugend und nachhaltig
Da mag man fast ein bisschen Mitgefühl mit der Dame haben, ein Grund, weshalb das Gespräch eine Schlüsselstelle im Comic ist: Hier werden zweifelnde Leser abgeholt. Rudi liefert gute Argumente, sozusagen Handwerkszeug.
„Vogelschiss“ ist eine kluge, unterhaltsame, spannende Geschichte. Der Vandalismus der beiden Hauptfiguren ist dabei nicht als Handlungsanweisung für den Leser zu verstehen, er ist aber relevant für den weiteren Verlauf der Geschichte, die von den gefährlichen wie heftigen Konsequenzen der Aktionen handelt.
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Das wirklich überzeugende Kernstück der Graphic Novel liegt indessen auf einer weiteren Ebene. Frauke Bahle und Julian Waldvogel haben gekonnt Zitate von AfD-Abgeordneten und AfD-Aktivisten in ihren Comic eingeflochten, die ganz sicher nicht deswegen eindeutig nationalsozialistisch und menschenverachtend wirken, weil sie aus dem Zusammenhang gerissen sind.
Ebensowenig sind die Zitate nur Einzelfälle. Das brodelnde Verlangen nach Eskalation und Gewalt und eine stete Verklärung des „Dritten Reichs“ sind allgegenwärtig.
[Der Artikel wurde zuerst auf der Website Comicgate veröffentlicht, dort finden sich zahlreiche weitere Rezensionen aktueller Comics.]
Somit liegt hier neben einer unterhaltsamen Erzählung auch gleich eine verdienstvolle und aufschlussreiche Zusammenstellung von rechtsextremen Zitaten aus dem AfD-Umfeld vor, die dazu einlädt, sich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen.
Grafisch ist der Comic dabei an jeder Stelle kompetent gelöst, die Dialoge sind nuanciert, lebensnah, flott zu lesen und an den entscheidenden Stellen eindringlich. Definitiv kein Comic, der sich nur an die ohnehin Überzeugten richtet.