Das Gelbe vom Lied
Zeilen wie diese entstehen, wenn Musicaltexter zu tief in ein Glas mit Eierlikör schauen: „Was geschieht mir, was ist los? / Eben noch in einer Hand, jetzt schwerelos!“ Oder noch besser: „Ein Ei kann eine Brücke sein“.
So klang es Anfang November aus dem Mund von Sängerin Angelika Milster, die in Jan Böhmermanns furiosem Minimusical „Der Eierwurf von Halle“ im ZDF-Magazin Royale zu sehen war.
Ich bin ein Ei, ich bin frei
Und zwar in der Gaga-Titelrolle. Als Ei! Schön bekloppt umtanzt von anderen, mit Federfächern ausstaffierten Eiern legt die Sängerin in der beschwingten Ost-West-Vereinigungs-Parodie eine sehnsuchtsvoll-schräge Ballade hin. „Ich bin ein Ei, ich bin frei. / Ich sehe Frieden hier auf Erden, Menschen werden Brüder werden.“
Dabei zeigt die Sängerin genau jene Selbstironie, die nur echte Könner beherrschen. Bratsch, lautet in der Satire das Ende vom Ei, das am Kopf von „Birne“ Helmut Kohl zerschellt.
Deutschland kennt kaum Musicalstars, es fehlt nun mal ein Broadway. Doch da sind Angelika Milster und Uwe Kröger. Und unter den jüngeren Jahrgängen noch Alexander Klaws, dessen Popularität allerdings auf seinem Sieg bei der ersten Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“ beruht.
Los ging es mit Grizabella in “Cats”
Angelika Milster hat sie sich allabendlich auf den Brettern verdient. Als Grizabella, der alternden Glamourkatze in Andrew Lloyd Webbers Hit „Cats“. Die verkörperte die am 9. Dezember 1951 in Neustrelitz geborene und in Hamburg aufgewachsene Schauspielerin und Sängerin in der deutschsprachigen Erstaufführung des Theaters an der Wien von 1983 bis 1987. „Erinnerung“, ihre deutsche Interpretation von Grizabellas Schmachtfetzen „Memory“ durfte von Stund an in keiner Samstagabendshow fehlen. Eine Diva war geboren.
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Seither hat Angelika Milster außer reichlich Lloyd Webber auch Brecht-Weill, Pop, Schlager und Kirchenliederprogramme gesungen und in vielen Fernseh- und Bühnenrollen gespielt. In Berlin, wo sie mehr als 30 Jahre lebte, bevor sie mit ihrem Schweizer Ehemann dorthin übersiedelte, war sie in den Neunzigern Dauergast im Theater des Westens. In Shows wie „Hello Dolly“, „Blue Jeans“ und „Mein Name ist Marlene“. Inzwischen sind Schlosspark- und Renaissance-Theater ihre Stammadressen.
Sie fange bei jedem Stück wieder bei Null an, sagt Angelika Milster, die auch mit 70 regelmäßig zum Gesangsunterricht geht. „Erinnerung“ hat sie an die 4000 Mal gesungen.