WM-Organisator gerät schnell unter Druck: Die Probleme in Katar bleiben
Wenn Hassan Al-Thawadi auf die Fußball-Weltmeisterschaft angesprochen wird, die in gut zwei Monaten beginnt, gerät der Cheforganisator schnell unter Druck. Es sei nie darum gegangen, Katar zu präsentieren, betonte er jetzt bei einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung. „Wir haben einfach an die Macht des Sports geglaubt und daran, dass er ein Katalysator für positiven Wandel sein kann, wenn es um ökologische Nachhaltigkeit, wirtschaftliche Diversifizierung oder soziale Entwicklungen geht.“
Es sind Sätze, die Al-Thawadi bei jeder Podiumsdiskussion abspult, und wenn ihm doch mal Zahlen fehlen, um seine Thesen zu untermauern, gibt es immer einen Kollegen im Publikum, der sie ihm zuwirft. Geklappt hat das mit dem positiven Katalysator nur bedingt, was auch daran liegt, dass das Emirat viel zu spät Reformen hinsichtlich der Arbeitsbedingungen eingeleitet hat.
Zwischen der WM-Vergabe 2010 und 2017, als der öffentliche Druck langsam zu wachsen begann, geschah erst einmal wenig. Mittlerweile hat der Golfstaat das sogenannte Kafala-System zumindest formal abgeschafft. Menschenrechtsorganisationen beobachten Fortschritte, was den Mindestlohn und die Arbeitszeiten angeht.
Auch Dietmar Schäfers, Vizepräsident der Bau- und Holzarbeiter Internationale, sagt: „Es gibt Arbeiter, die von ganz beschissenen Arbeitsbedingungen berichten. Aber es gibt auch Menschen, die sagen: Seit es in der öffentlichen Diskussion ist, hat sich unsere Situation verbessert.“ Wenn man jeden Tag draufhaue, stoße man damit jene vor den Kopf, die sich in einem autokratischen Land trotz aller Widerstände für Reformen einsetzten.
Nun ist es so, dass die Reformen auf dem Papier und in der Realität weit auseinanderklaffen, zumeist scheitert es an der Kontrolle durch die katarischen Behörden. Dieses Problem gilt nicht nur Katar, sondern auch für weitere Länder. Al-Thawadi pocht deshalb darauf, dass jeder sich vor Ort ein eigenes Bild von der Situation und der Kultur machen soll.
Und er kritisiert, dass es von Anfang an eine Fehlwahrnehmung von Katar gegeben habe: „Die Menschen in Asien wissen, dass wir eine Fußballnation sind, die Menschen in Europa nicht. Ihnen war nicht mal klar, dass wir schon sehr lange Fußball lieben.“
Tatsächlich stellen die Golfstaaten, die in den vergangenen Jahren gigantische Summen in den Sport gepumpt und sich dort längst einen festen Platz verschafft haben, das europäische Verständnis von Fußball, radikal auf den Kopf.
Trotzdem offenbart Al-Thawadis Forderung gleich zwei Probleme: Erstens hat nicht jede*r überhaupt die Möglichkeit, sich ein eigenes Bild zu verschaffen, schwule Paare zum Beispiel nicht.
Und zweitens gehören zu der „Kultur“ eben auch die Arbeitsmigrant*innen, die rund 90 Prozent der gesamten Bevölkerung ausmachen, und queere Kataris wie Nas Mohamed, die fliehen mussten. Ihnen gilt das öffentliche Gehör, denn nur an ihnen lässt sich „positiver Wandel“ messen.
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