Wie „ein Knast mit großem Hofgang“
Mitunter ist es auch nur eine Frage der Perspektive. Auf der einen Seite sei das Olympische Dorf „ein Knast mit großem Hofgang“, wie es der Ruderer Marc Weber im Interview der Deutschen Presse-Agentur lachend formuliert – die Sportlerinnen und Sportler dürfen das Gelände in Tokio wegen der Corona-Sorgen und -Regeln nur in Shuttle-Bussen auf direktem Weg zu ihren Wettkampfstätten verlassen.
Auf der anderen Seite waren der 23-Jährige und die anderen Ruderer eben erst in Kinosaki und hatten dort im Trainingslager nicht mal Zugang zur Hotellobby oder dem Pool. Und im Vergleich dazu sind die Freiheiten und Möglichkeiten nun eben riesig.
„Es hat alles, was ein Olympisches Dorf braucht“, findet auch Tobias Hauke. „Es ist japanisch sehr gut organisiert“, sagt der Hockey-Nationalspieler. „Die ersten Tage waren schon echt sehr beeindruckend. Wir hoffen, dass wir bis zum Turnierstart noch ein bisschen Zeit haben, das alles mehr aufzusaugen.“
Von erfahrenen Olympioniken heißt es, die für die Spiele neu gebaute Tokio-Version des Olympischen Dorfs unterscheide sich im Prinzip nicht groß von früheren Varianten. Mit dem Unterschied, dass die Corona-Pandemie dieses Mal eben für Plexiglasscheiben auf den Tischen der Mensa und Masken in den Gesichtern gesorgt hat, eine gewisse Anspannung zu spüren sei, die nicht nur mit den anstehenden Wettkämpfen zu erklären ist. Täglich muss in ein Plastikröhrchen gespuckt werden – für den Coronatest.
Bis 9 Uhr werden diese Proben eingesammelt, zu diesem Zeitpunkt haben die Sportlerinnen und Sportler auf ihren Betten aus Pappe die Nacht in den meisten Fällen schon längst beendet. Für einen guten Schlaf kann mit Hilfe einer App oder eines Servicecenters die Konfiguration von Matrazenhärte und Bett so optimiert werden, dass es für jeden individuell passt.
Frühstück und alle weiteren Mahlzeiten gibt es in der 24 Stunden am Tag geöffneten Mensa. Normalerweise das Herz des Olympischen Dorfs mit Begegnungen zwischen Superstars und Nischensportsympathieträgern, soll das aus Furcht vor Coronainfektionen dieses Jahr nicht so sein. „Das ist weniger ein Ort des Treffens geworden und mehr nur zur Nahrungsaufnahme und man geht wieder“, erzählt Weber. Die Scheiben auf den Tischen verhindern nicht nur die Ausbreitung von Tröpfchen, sondern auch die angenehme Verständigung. „Man unterhält sich zwar, aber verliert schneller die Lust daran und geht auch schneller wieder“, sagt Weber.
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Wer will kann sich beim kostenfreien Friseur die Haare in Form bringen lassen, für ein obligatorisches Foto bei den großen olympischen Ringen am Wasser vorbeischauen oder sich in einem Shop mit einem Souvenir eindecken. Fürs Training abseits der Wettkampfstätten gibt es Krafträume und Fitnessstudios auf dem Gelände, zum Zeitvertreib neben einem Bereich mit Spielkonsolen auch das unter den Athletinnen und Athleten offenbar beliebte Spiel „PinQuest“, einer Mischung aus Quiz und Wissensvermittlung rund um die Olympischen Spiele und das Leben als Sportler. Für 10 000 Punkte gibt es einen Pin.
In die Kategorie Unterhaltung fallen auch die autonom fahrenden Busse, die so langsam sind, dass jeder Fußgänger sein Ziel im Olympischen Dorf schneller erreicht. „Aber ich glaube jeder ist eine Station gefahren, um es auszuprobieren“, sagt Weber. (dpa)