Tausende Kilometer Abstand
Annette Kögel ist Mitbegründerin der Paralympics Zeitung von Tagesspiegel und DGUV und schreibt hier immer jeden ersten Mittwoch im Monat.
Alle hoffen jetzt, dass das, was Karl Lauterbach (SPD) der Uefa vorgeworfen hat, nicht Realität wird: Dass durch die mit euphorisch feiernden Fans besetzten Stadien die Delta-Variante von Corona noch mehr Menschen das Leben kostet als ohnehin.
Auch Japans Olympia-Macher wollen lieber Publikum und keine Geisterspiele. Bis zu 10.000 heimische Zuschauer sollen bei jedem Wettkampf dabei sein können. Maximal dürfe die Hälfte der Plätze in den Arenen besetzt werden, wie die Gastgeber jetzt nach Beratungen mit dem Internationalen Olympischen Komitee entschieden.
Ausländische Zuschauer sind nicht zugelassen
Der Beschluss stehe unter Vorbehalt, wie die Nachrichtenagentur dpa meldet. Sollte sich die Corona- Infektionslage bis zum 12. Juli verschlechtern und erneut ein Notstand ausgerufen werden müssen, könnten „Zuschauer komplett ausgesperrt werden“. Ausländische Besucher dürfen ohnehin nicht zu den Sommerspielen, das hatten die Organisatoren bereits im März entschieden.
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Zugleich zeigte sich Japans Organisationschefin Seiko Hashimoto zuversichtlich, dass die Olympischen Spiele mit umfangreichen Maßnahmen zum Schutz gegen Corona ein Erfolg würden. Die Fans seien aber aufgefordert, sich ohne Umwege direkt zu den Arenen zu begeben, stets Masken zu tragen und nach Ende der Veranstaltungen direkt abzureisen. Auch dürfen die Zuschauer sich weder laut unterhalten noch jubeln.
Natürlich einleuchtend und wichtig, aber auch deprimierend. Japans wichtigster Corona-Regierungsberater, der Mediziner Shigeru Omi, hatte sich zuletzt für Geisterspiele ausgesprochen. Für die Paralympics, die am 24. August beginnen, soll die Entscheidung am 16. Juli getroffen werden.
Der Kontakt zu echten Typen wie Paralympics-Star Niko Kappel fehlt
Immerhin sind jetzt mehr Paralympioniken weltweit zweifach geimpft, erläuterte Karl Quade, Chef de Mission der Deutschen Paralympischen Mannschaft, dem Jungjournalistenteam der Paralympics Zeitung (PZ). Das internationale Medienprojekt von Tagesspiegel und Deutscher Gesetzlicher Unfallversicherung bereitet sich in diesem Jahr auch mit tausenden von Kilometern Sicherheitsabstand in Berlin auf die Spiele in und um Tokio vor.
Im Tagesspiegel-Verlagshaus am Askanischen Platz haben wir unser Vorbereitungsseminar mit täglichen Testungen abgehalten. Das Fieber stieg dennoch täglich. Euphorisierende Erinnerungen an frühere Spiele wurden ausgetauscht, die Begeisterung über die Athlet*innen geteilt, inklusive Sprache gelehrt – und zum Abschied japanisch Essen gegangen (ein ausführlicher Bericht folgt auf unserer Donnerstagsseite „Menschen helfen“).
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Ach, sechs Paralympics durfte ich live miterleben. Könnten es unsere tollen, engagierten, sich so professionell vorbereitenden und als Team zusammenwachsenen jungen Reporter*innen aus ganz Deutschland es doch auch.
Dann würden sie echte Typen wie den kleinwüchsigen Paralympics-Star Niko Kappel im Wettbewerb persönlich kennenlernen. Der kann es überhaupt nicht leiden, wenn Menschen im Gespräch mit ihm in die Hocke gehen. „Wenn das bei mir jemand macht, gehe ich automatisch auch in die Knie, weil ich das aus meiner Sicht normale Verhältnis wiederherstellen möchte“, sagte der 1,41 Meter große Kugelstoßer jetzt in einem Interview mit der „Bild am Sonntag“. Der 26-Jährige vom VfB Stuttgart hatte 2016 in Rio die Goldmedaille geholt und war 2017 Weltmeister geworden.
Die Paralympics in Tokio sollen am 24. August beginnen und bis 5. September andauern. Geisterspiele, Athlet*innen ohne Kontakt zueinander, eine absolut sterile Umgebung. Es muss so sein in der Pandemie; beim Fußball-EM-Gucken habe ich die wabernden Aerosolwolken quasi vor Augen gesehen. Unvorstellbar sind solche Geisterspiele trotzdem. Doch die Gesundheit geht vor, liebe Sportsfreunde.