Es donnert wieder im Berliner American Football

Als die Spieler von Berlin Thunder an den Zaun kommen, um nach dem Spiel mit den Zuschauern abzuklatschen, warten dort ihre Anhänger. So weit, so normal, zumindest wenn überhaupt Zuschauer ins Stadion dürfen. 1325 Fans waren am Sonntag im Spiel gegen die Panthers Wroclaw live im Jahnsportpark dabei, wo Berlin Thunder zuletzt vor 18 Jahren gespielt hat.

Schon zwischen 1999 und 2003 trugen sie hier ihre Heimspiele aus. Es war die erfolgreichste Zeit der Klubhistorie, bevor es ins noch viel größere Olympiastadion ging. 2007 wurden die Thunder dann gemeinsam mit der gesamten Liga aufgelöst.

Einige Minuten vorher deutet Alex auf die große Anzeigetafel. Die Thunder liegen in der European Football League (EFL) im letzten Viertel 26:45 zurück, „trotzdem haben hier alle Spaß.“ Als dem Widereceiver Seantavius Jones ein spektakulärer Catch gelingt, stehen nochmal fast alle Zuschauer und feiern die Aktion.

Drei Thunder-Flaggen werden geschwungen. Das Publikum ist da. Obwohl die Niederlage nicht mehr abzuwenden ist, fiebert auch Alex weiter mit, trommelt mit dem Ring auf das Geländer vor ihm und klatscht beim First Down mit seiner Frau und seinen Freunden ab.

Er trägt ein Trikot der Green Bay Packers, sein Freund eine Kappe der Denver Broncos. „Hier geht alles viel familiärer zu. Niemand stört sich daran, wenn jemand ein anderes Trikot trägt.“ Auf der ganzen Tribüne sitzen Menschen mit Trikots, T-Shirts oder Kappen der verschiedenen NFL-Teams. Die beiden wahrscheinlich besten Quarterbacks der Welt Patrick Mahomes und Aaron Rodgers hocken direkt nebeneinander und auch Colin Kaepernick ist da.

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Neben vielen Legenden aus den USA sind auch einige alte Thunder-Trikots in Schwarz und Grün mit dem klassischen Hammer-Logo zu sehen. Die meisten Trikots sind aber rot mit einer goldenen Nummer auf dem Rücken. Es ist das neue Dress der Berliner, das während des Spiels mit anderem Merchandise hinter der Tribüne verkauft wird.

„Nummer 26, Du kannst das“, ruft eine junge Frau, bevor der Berliner Kicker Jonas Schenderlein zum Fieldgoal antritt. Das Publikum ist bunt gemischt. Familien und Freunde. Väter mit ihren Söhnen und Freundinnen in Thunder-Shirts. Echte Football-Nerds und Neulinge.

Die Stimmung ist gut, auch wenn Sprechchöre nur selten auf die große Masse überschwappen. Die 13 Gäste-Fans sind da besser aufgestellt. Mit Trommeln, Hupen, Klatschpappen und viel Herzblut sorgen sie für ordentlich Lautstärke.

Schon beim Einlaufen der Thunder, zehn Minuten vor Kick-Off, wird deutlich, dass es beim American Football etwas anders zugeht. Wie vor gut fünfzehn Jahren läuft noch immer „Thunderstruck“ von AC/DC. Mit sechs großen Fahnen stürmen die rund 50 Spieler durch den rot-weißen Rauch und das Spalier der Cheerleader des Berlin Dance Teams mit ihren goldglänzenden Pompons.

Bierzeltgarnituren, Massagebänke und Getränkefässer

Dass im Jahnsportpark – der nach länger Schließung nun doch wieder genutzt werden darf – sonst vor allem Fußball gespielt wird, lässt sich nur anhand der schwer zu erkennenden dunkelgrünen Linien erahnen. Die Tore und die Ersatzbänke wurden weggeräumt. Stattdessen haben die Teams ihre eigenen Lager aufgebaut, mit Bierzeltgarnituren, Massagebänken und großen Getränkefässern.

Football ist ein Spiel der Unterbrechungen. Nach jedem Spielzug gibt es eine kleine Pause. Am Sonntag gibt es die erste nach genau elf Sekunden. Die Trainer schicken dann eine andere Mannschaft aufs Feld. Auch für den Stadionsprecher beginnt die Arbeit. Er erklärt gleichzeitig als Kommentator das Geschehen auf dem Feld und gibt den Einpeitscher für die Fans: „Also, Thunder Fans: Defense go!“ Außerdem spielt ein eigener DJ in jeder noch so kleinen Unterbrechung Musik ein.

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„Dieses Tamtam gehört beim Football eben dazu“, sagt Phillip, der selbst Football bei den Berlin Kobras spielt. Er sieht die Kommerzialisierung und Amerikanisierung positiv. „Weil die EFL alles zentral organisiert geht es viel schneller und sieht besser aus.“

Commissioner der Liga ist Patrick Esume, Deutschlands wahrscheinlich bekanntestes Footballgesicht, der gemeinsam mit dem ehemaligen NFL-Spieler Björn Werner selbst beim ersten Spiel im Stadion vor Ort ist.

Zur Kommerzialisierung gehört auch das Ausrichten des Live-Events auf die Fernsehübertragung. Drei der vier Spielfeldseiten, jene die die TV-Kamera einfängt, sind mit modernen LED-Banden versehen. Hier wirbt die EFL unter anderem auch immer wieder für sich selbst. Ansonsten bleiben dem übertragenden Fernsehsender Pro Sieben Maxx genügend Werbepausen.

Am Ende verliert Thunder recht deutlich. Aber das stört kaum jemanden. „Das wichtigste ist erstmal, dass Thunder zurück in Berlin ist“, sagt Kay. Gemeinsam mit einigen anderen Thunder-Fans hat er noch ein Erinnerungsfoto mit den Gästen aus Wroclaw gemacht und will unbedingt zum Rückspiel nach Polen reisen.