Weitsprung und Sprint: Ali Lacin greift in Tokio zweimal an
Der Berliner Ali Lacin hat sich bei den Paralympics in Tokio für den Weitsprung und den 200-Meter-Sprint qualifiziert. Eine favorisierte Sportart hat er jedoch nicht: „Beide machen mir genauso Spaß, obwohl ich die 200 Meter schon länger mache.“ Er weiß noch genau, wie er 2019 mit dem Weitsprung angefangen hat: „Mein damaliger Trainer Ralf Otto hatte die Idee dazu. Er meinte, wir können es ja probieren. Und als mein erster Sprung so um die fünf Meter weit war, ohne Training, ohne Technik, meinte er: ‚Da kriegen wir was hin.‘“
Der 33-jährige Berliner konzentrierte sich vorher jahrelang ausschließlich auf den 200-Meter-Sprint. „Aber Abwechslung finde ich immer gut“, sagt er. „Beide Sportarten zu machen, hat mich super motiviert, das macht mir extrem Spaß.“ Die Kombination aus Sprint und Weitsprung ist auch bei anderen Leichtathleten keine Seltenheit: Leon Schäfer, Katrin Müller-Rottgardt und Felix Streng sind nur einige Beispiele für weitere Athleten. Warum ist das so? „Für den Weitsprung braucht man halt den Anlauf, und das ist ja eine Sprint-Einheit“, erklärt Lacin. „Man muss schnell sein, um weit springen zu können.“
Eine Medaille ist das Ziel
Im Training trennt er die beiden Sportarten. „Ich trainiere zwei Mal in der Woche Weitsprung und zwei bis drei Mal Sprint. Dann kommt natürlich noch Kraft-, Stabi-, Koordinationstraining dazu.“ Dass er es nach Tokio geschafft hat, kann er selbst kaum glauben. „Das ist einfach mega. Wenn man schon Sportler ist, setzt man sich ja auch Ziele und hat Träume“, erklärt er. Nach der gescheiterten Qualifikation für die Spiele in Rio 2016 beendete Lacin zwischenzeitlich seine sportliche Karriere, auch, weil er zu diesem Zeitpunkt noch einen eigenen Süßwarenhandel mit seinem Bruder betrieb. „Aber Selbstständigkeit und Leistungssport, das ist einfach nicht kombinierbar.“ Nach einem Anruf vom Olympiastützpunkt Berlin entschied Lacin sich 2017 doch dazu, mit dem Laufen wieder anzufangen und das Geschäft gänzlich in die Hände seines Bruders zu geben.
Lacins Ziel für Tokio ist eine Medaille – auch, wenn er sich noch Ende April beim Training den Arm brach. „Das hat mich schon etwas nach hinten geworfen, aber ich versuche, mich nicht davon beeinflussen zu lassen. Ich möchte das abrufen, was ich im Training geschafft habe, und am besten eine persönliche Bestzeit laufen.“ Die Mondo-Bahn in Tokio sei eine besonders schnelle Bahn. „Davor habe ich auch ein bisschen Respekt, weil die Feder ganz anders reagiert.“ Aber der Berliner will das Gefühl genießen, „einfach schnell zu laufen, frei zu sein. Es ist jedes Mal eine Herausforderung, die Federn zu kontrollieren, aber eine schöne.“
Sitzvolleyball als auch im Rollstuhlbasketball
Der Kanadier Dariusz Symonowicz trainiert sowohl im Sitzvolleyball als auch im Rollstuhlbasketball für die Paralympischen Spiele. Auch wenn die Qualifikation in diesem Jahr nicht geklappt hat, will er sich davon nicht entmutigen lassen. „Bei den Paralympics anzutreten, ist das Größte, was ein Athlet in seinem Sport erreichen kann, abgesehen von einer Goldmedaille“, sagt er. Ihm sei es da auch egal, in welcher Sportart er sich dafür qualifiziere. „Paris 2024 habe ich klar im Blick.“
Symonowicz trainiert etwa sechs Tage die Woche für beide Sportarten zusammen. Dazu gehören auf Einheiten auf dem Spielfeld, Krafttraining, Videosessions und auch mentales Training, wie zum Beispiel Meditation und Visualisierung. „Es fühlt sich sehr gut an, unterschiedliche Sportarten auf einem hohen Level zu betreiben, das ist eine große Ehre“, erzählt der 39-Jährige. Seine Motivation sei stets, „das Beste zu sein, was ich sein kann.“
Sitzvolleyball spielt Symonowicz bereits seit 2011, ein Jahr später wurde er ins kanadische Nationalteam berufen. „Nachdem wir 2016 die Qualifikation für die Paralympics in Rio verpasst hatten, habe ich mich auf den Weg gemacht und angefangen, Rollstuhlbasketball an der Academy in Toronto zu trainieren“, erzählt er. Dort trainierte er „mit einigen der besten Spieler Kanadas fünf Tage die Woche, mehr als drei Stunden am Tag.“ Symonowicz ist zwischendurch immer mal wieder in Deutschland unterwegs, spielte 2019 für die Köln 99ers. Er hofft nun darauf, es auch im Rollstuhl-Basketball ins kanadische Nationalteam zu schaffen „und mein Land 2024 in Paris zu vertreten.“ Eine Lieblingssportart hat auch er nicht: „Es gibt unterschiedliche Aspekte, die mir an jeder Sportart gefallen, daher wäre es schwierig, sich für einen zu entscheiden“, sagt er. Am Ende genieße er am meisten das Streben, die beste Version von sich selbst zu finden – und andere damit zu inspirieren, es ihm gleich zu tun.
Rennrollstuhl und Ski Alpin
Merle Menje hat bei den Europameisterschaften in diesem Sommer richtig abgeräumt. Als 16-jährige Schülerin gewann sie mit dem Rennrollstuhl zwei Mal Gold und zwei Mal Silber – und das, obwohl sie zusätzlich noch für den Skilanglauf trainiert. „2012 habe ich mit dem Rennrollstuhl angefangen, und 2013 dann mit dem Ski Nordisch“, erklärt sie. Mit ihrer Familie habe sie schon immer viel Urlaub im Schnee gemacht. „Aber Rollstuhl und Schnee vertragen sich nicht so gut. Für mich war das dann irgendwann ein bisschen langweilig“, sagt Menje. Die perfekte Lösung: Langlauf.
„Beide Sportarten ergänzen sich sehr gut“, freut sich die junge Frau. „Rein sportlich gesehen sind die Muskelgruppen relativ dieselben.“ Besonders ihre Ober- und Unterarmmuskulatur werden gebraucht. Außerdem trainiert die 16-Jährige die Ausdauer für den Langlauf gleich mit, wenn sie im Rennrollstuhl den Fokus auf Langstrecken legt. „Für den Langlauf braucht man allerdings noch mehr Bauch- und Rückenmuskulatur, um die Balance zu halten und Kurven zu manövrieren“, erklärt sie. Das sei beim Rennrollstuhl nicht so sehr der Fall.
Von Anfang April bis Ende September liegt der Trainingsschwerpunkt auf dem Rennrollstuhl, von Anfang Oktober bis Ende März auf dem Skilanglauf – passend zur jeweiligen Wettkampfsaison. Menje schätzt die Abwechslung: „Ohne den Langlauf würde ich im Winter nur auf der Rolle trainieren, aber so kann ich mit dem Langlaufschlitten raus in die Natur.“ Beide Sportarten machen ihr gleich viel Spaß, sagt die Sportlerin. „Eine Präferenz habe ich nicht. Ich mag bei beiden Sportarten die Freiheit, die Technik, den Spaß an der Bewegung und die Geschwindigkeit, die man bekommen kann.“ Ihre Lieblingsdistanzen im Rennrollstuhl sind 800, 1500 und 5000 Meter auf der Bahn. „Auch Straßenrennen fahre ich sehr gerne. Beim Skilanglauf mag ich gerne den Sprint, das sind dann so 800 bis 1200 Meter.“
Menje geht mit dem neuen Schuljahr nun in die 11. Klasse, das Training findet nach dem Unterricht statt. Einen trainingsfreien Tag pro Woche hat die Schülerin. „Es gibt natürlich immer wieder Punkte, wo man sich überlegt: Ist es wirklich so gut, beides zu machen? Das Pensum mit zwei Sportarten ist extrem hoch“, erklärt sie. Aber wirklich konkret habe sie noch nie darüber nachgedacht, nur eine Sportart zu machen. „Ich mache beides super gerne und nehme diesen Stress auch ein bisschen in Kauf.“ Im Langlauf kann Menje unter anderem auf einen vierten Platz (Sprint) und zwei sechste Plätze (Kurz- und Mitteldistanz) beim Weltcup in Planica zurückblicken. Ihr Fokus liegt nun aber ganz auf Tokio. „Mein Hauptziel ist, dort ganz viel Erfahrung zu sammeln. Es ist eine Riesenehre für mich, an den Paralympics teilnehmen zu können. Ich möchte einfach mein Bestes geben und zeigen, was ich kann.“
Dieser Text ist Teil der diesjährigen Paralympics Zeitung. Alle Texte unserer Digitalen Serie finden Sie hier.