Umstrittener Moderatorenjob: Mischke ist auch aus kultureller Sicht eine Fehlbesetzung

Die ARD-Mischke-Krise zieht weitere Kreise mit einem offenen Brief, den über 100 Kulturschaffende an die ARD adressiert haben – mit der eindeutigen Ansage, „ttt“ in Zukunft mit Thilo Mischke als Moderator zu boykottieren. Unterschrieben haben Autorinnen und Autoren wie Saša Stanišić, Ulrike Draesner, Charlotte Gneuß, Daniela Dröscher oder Kirsten Fuchs.

In dem Brief wird unter anderem kritisiert, dass die ARD der eigenen Selbstverpflichtung, aktiv gegen Sexismus vorzugehen, nicht nachkommt, sie geradezu konterkariert wegen des Sex-Reiseberichts „In 80 Frauen um die Welt“, den Mischke 2010 geschrieben hatte.

Ob die ARD diese Kritik nun „hört“, wie es schon Heiligabend auf dem Instagram-Account der Kultursendung „Titel, Thesen, Temperamente“ versprochen wurde? „Wir nehmen eure Kritik ernst“ hieß es da. Der Sender stellte „intensive Gespräche“ in Aussicht, „um die Vorwürfe zu prüfen“.

Krieg, Krise, Kultur

Das Resultat dieser Gespräche war nach Weihnachten die ARD-Mitteilung, Mischke sei ein vielfach ausgezeichneter Journalist und als solcher enorm kompetent, man freue sich auf seine „Sicht auf Kultur“. Und wegen des Vorwurfs des Sexismus habe sich Mischke selbstkritisch damit auseinandergesetzt und für seine Ausdrucksweise entschuldigt. Punkt und aus. Krisenmanagement erledigt.

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Es fragt sich nun, wie selbstkritisch eigentlich die ARD mit ihrer eigenen Entscheidung umgeht, Mischke in einem offensichtlich kompliziert-undurchsichtigen Verfahren mit zusätzlichem „Nutzertesting“ und „Publikumsbefragung“ so mir nichts, dir nichts ausgewählt zu haben.

Mal abgesehen davon, dass es den Anschein machte, als habe die ARD von Mischkes Buchveröffentlichungen keine Ahnung gehabt, hat sich der ja tatsächlich für seine Polit-Reportagen ausgezeichnete Mischke im Kulturbetrieb nie hervorgetan. Zumindest nicht in dem, in dem „Titel, Thesen, Temperamente“ zu Hause ist.

„Ab jetzt Krieg und Krise und Kultur“ – so begrüßte Mischke seinen neuen Job. Und dass sein Kulturbegriff ein „unterkomplexer“ und deshalb Kultur für alle sein Ziel sei. Was für eine Visitenkarte! Vermutlich wird die ARD auch diesen offenen Brief ignorieren wollen und als Cancel Culture abtun. Bislang gibt es seitens des Senders kein Statement dazu.