The new normal: Endlich wieder unter Leute gehen

Präsenzunterricht statt Homeschooling, Restaurant statt selbst zu kochen, Besuch von Freunden statt Bier, Wein und Small Talk via Zoom. Lange ist es her, das ganz normale, unbedachte Zusammentreffen mit anderen Menschen. Ganz sicher werden wir einiges neu lernen müssen. Während wir in den langen Monaten der Pandemie social distancing üben mussten, das korrekte Tragen der Masken über Mund und Nase, dabei möglichst enganliegend ohne Bart oder Lücken, und nur mit einem Einkaufswagen pro Kunde über die Schwelle in den Supermarkt eintreten durften, freuen wir uns auf alte Regeln und Konventionen. Ist der Weg zurück in das soziale Leben vor Frühjahr 2020 goldrichtig? Trotz aller Unannehmlichkeiten der letzten Zeit könnten wir auch einige positive Aspekte einfach mit hinüberretten in unser neues, altes Leben. Die Zahl der Magen-Darm-Erkrankungen oder Erkältungen ist erfreulich niedrig gewesen während des Lockdowns. Homeoffice bietet neue Chancen und ein Plus an Lebensqualität. Und möchten wir wirklich wieder schweißnasse Hände schütteln im Juli?

Einsam, zweisam, Großveranstaltung?

Soziale Isolation hat zahlreiche Spuren hinterlassen. Kinderpsychologen verzeichnen einen Patientenanstieg, der sich auf Alltags-Veränderungen im Lockdown zurückführen lässt. Dabei sind es nicht nur die Härtefälle, die Hilfe benötigen. Lehrer suchen Unterstützung für Kinder, die zu Hause nicht sicher sind oder aufgrund mangelnder Unterstützung den Anschluss im Lehrstoff verpassen. Aber auch in einem stabilen Umfeld lebende Kinder zerbrechen unter der Last der Sorgen und Nöte. Sie haben Angst um Großeltern, vermissen ihre Freunde, möchten Geburtstage feiern und zum Sport gehen. Schule ist nicht nur Bildungsträger, hier finden auch zwischenmenschliche Lehrstunden statt. Streit, Diskussionen, Freundschaften und sich selbst im emotionalen Raum positionieren – all das konnte während des Homeschoolings nicht stattfinden. Soziale Reife benötigt Konfrontation ebenso wie Teamgeist. Das Gefühl von Verlassenheit betrifft nicht nur junge Menschen, auch Berufstätigen fällt im Homeoffice die Decke auf den Kopf. Digitale Meetings mögen zeitweise effektiver sein als Treffen im Besprechungsraum, doch Small Talk und Flurfunk sind nicht nur Ablenkung im stressigen Arbeitsalltag, sie sind wichtig für den Zusammenhalt im Team. Wer auch zwischendurch über das Wetter oder Privates spricht, findet schneller Kontakt und hilft sich gegenseitig in stressigen Zeiten. Der sprichwörtliche kurze Draht zum Kollegen reißt auf große Distanz und hinterlässt ein weniger stabiles Gefüge. Senioren sind nicht nur aufgrund ihres Alters und des schwächeren Immunsystems betroffen. Im Alter ist Isolation besonders gefährlich, da das Gehirn beansprucht werden muss, um voll funktionstüchtig zu bleiben. Wer niemanden zum Sprechen findet, zu keiner Veranstaltung gehen kann und auch keinen Besuch von Familie und Freunden empfängt, läuft Gefahr zu vereinsamen. Während Menschen in systemrelevanten Berufen dem Druck zeitweise kaum standhalten konnten, fühlten sich andere wiederum alleingelassen.

Die logische Konsequenz müsste eine überbordende Vorfreude auf gemeinsame Aktionen sein. Familienfeste, Alltag inmitten der Kollegen oder Mitschüler, Konzerte, Restaurantbesuche wecken bei vielen Menschen tatsächlich euphorische Gefühle, bei anderen dagegen löst allein der Gedanke an Gedrängel und Menschenmassen Irritation bis hin zur Panik aus. Haben wir verlernt, uns in Gemeinschaft wohlzufühlen? Wie war das mit den gesellschaftlichen Regeln noch mal? Small Talk über das Wetter wirkt fantasielos und zeugt von mangelndem Interesse? Müssen wir uns jetzt wieder abends schick machen und ausgehen? Wir haben es uns wohnlich eingerichtet, in der pandemiebedingten Komfortzone mit Jogginghose, Netflix und Tiefkühlpizza. Wie finden wir zurück zu dem sozial aktiven Vor-Corona-Ich?

Die Angst vor anderen Menschen, wenn sie uns in großer Zahl und in geschlossenen Räumen begegnen, ist verständlich nach den langen Monaten. Niesen wir weiterhin in die Ellenbogen und begrüßen uns mit einem leichten Aneinanderstoßen der geschlossenen Faust? Bleiben wirklich alle Angestellten mit einem beginnenden Schnupfen zu Hause? Wir fragen uns, was kollegialer ist: Den Schreibtischnachbarn vor einem Haufen unerledigter Arbeit allein zu lassen oder bewusst das Risiko einzugehen, alle anderen anzustecken? Wenn wir eines gelernt haben in den letzten Monaten, dann dieses: Abstand zueinander mag keinen Spaß bringen, doch es schützt uns vor Ansteckung jeglicher Art. Die Diskussion um den Preis polarisiert; während die einen am liebsten jeglichen Kontakt zu anderen Menschen vermeiden möchten, tummeln sich andere auf Demos gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung; eine gesunde Mitte scheint es kaum zu geben, so wenig Gehör findet sie. So oder so kehren wir aktuell Schritt für Schritt in ein Leben mit weniger und bald gar keinen Einschränkungen zurück. Wer nun aus Furcht vor Menschen oder Ansteckungen den Kontakt vermeidet, verpasst vieles. Ist Sicherheit eine Illusion? Der gesunde Mix aus Vorsicht und Lebensfreude scheint der optimale Weg zu sein. Schützen wir uns vor dem, was wir während des Lockdowns nicht vermisst haben: Erkältungen, Großraumbüros und Büroklatsch sowie überhandnehmende soziale Verpflichtungen, die einseitig und anstrengend erscheinen.

So stärken wir unser Immunsystem

Natürlich bewahrt uns unser Immunsystem nicht zu 100 % vor allen Gefahren, doch gute Abwehrkräfte schützen uns in vielen potenziellen Situationen, in denen wir uns anstecken könnten. Gesund und munter durch den Alltag zu spazieren, auch wenn um uns herum Freunde, Familie und Bekannte husten, schniefen oder über Magenbeschwerden klagen, ist mit einem gesunden Lebensstil viel häufiger machbar, als wir manchmal vermuten. Als komplexes Verteidigungssystem meistert unser Immunsystem gleich drei Aufgaben: Es verhindert, dass Erreger eindringen. Sollte das doch geschehen, spürt es Viren, Bakterien oder sonstige Erreger auf und macht sie unschädlich. Im Anschluss an eine Infektion sorgt es dafür, dass wir eine Immunität gegen die Verursacher aufbauen oder den Erreger beim nächsten Versuch direkt erkennen. Unsere Abwehrkräfte sind zum einen angeboren, zum anderen erworben.

Mit der Geburt besitzt der Körper eines Säuglings bereits die Fähigkeit, schnell auf jegliche eindringenden Krankheitserreger zu reagieren und sie unschädlich zu machen. Als erste Barriere dienen Haut und Schleimhäute, beide sind mit diversen Schutzmechanismen, wie z. B. Flimmerhärchen oder Enzyme im Speichel, versehen und können Erreger so effektiv bekämpfen. Spezielle Eiweiße zerstören die Angreifer entweder direkt oder sie mobilisieren weitere Zellen zur Abwehr, z. B. Fresszellen. Neben dem angeborenen existiert das erworbene Immunsystem. Es reagiert langsamer, aber spezifischer.

Stress, Schlafmangel, ungesunde Ernährung, Alkohol oder Nikotin schädigen unsere Abwehrkräfte. Auch ein überstandener Infekt oder eine schwere Krankheit mindert die Leistungsfähigkeit unseres Immunsystems, ebenso wie chronische Erkrankungen oder Entzündungen. Viele dieser Faktoren können wir aktiv beeinflussen. Statt Chips und Bier sind Karotten- und Gurkensticks eine schmackhafte Alternative, wenn wir abends gemütlich auf der Couch sitzen. Es muss nicht immer der süße Brotaufstrich zum Frühstück sein. Viele Essgewohnheiten sind genau das: Gewohnheiten. Sie lassen sich nicht ohne Mühe umstellen, doch es lohnt sich langfristig. Wir leben mit einer ausgewogenen Ernährung nicht nur gesünder, sondern sind auch schlanker und beweglicher. Frische Vitamine, Ballaststoffe aus Vollkornprodukten, mageres Eiweiß und wenig Genussmittel sind die optimale Basis für einen gesunden Lebensstil. Wer sich ausreichend bewegt – vor allem regelmäßig und gerne an der frischen Luft – erzielt denselben Effekt. Zur Motivation sind Fitnesstracker oder eine Smartwatch perfekt. Sehen wir am Abend, wie viele Schritte wir gegangen sind und verraten uns Apps die Kalorienbilanz, steigert das die Kontrolle und weckt den Wunsch, weiterzumachen, das Ziel auch morgen zu erreichen. Experten raten davon ab, sich direkt vor dem Schlafen völlig auszupowern. Besser sind Sporteinheiten im Laufe des Tages. Frühaufsteher nutzen die Morgenstunden für ein paar Bahnen im Schwimmbad, für eine Laufrunde oder einen Besuch im Fitnessstudio auf dem Weg ins Büro. Wer lieber abends aktiv ist, sollte das möglichst einige Stunden vor dem Schlafengehen machen. Der Körper benötigt Zeit, um die Funktionen wieder runterzufahren und zu entspannen.

Ausreichend Schlaf – je nach Alter und individueller Veranlagung zwischen sieben und neun Stunden – ist essenziell für eine gesunde körpereigene Abwehr. Kommt der Schlaf nur eine oder zwei Nächte zu kurz, ist das Ansteckungsrisiko nicht unbedingt erhöht. Wer allerdings regelmäßig zu wenig schläft, schadet sich langfristig selbst. Autogenes Training oder Yoga können helfen, wenn Einschlafschwierigkeiten allabendliche Begleiter sind. Rituale, ein kühles, dunkles Zimmer und der Verzicht auf digitale Medien in der letzten Stunde vor dem Schlafen sind ebenfalls hilfreich. Nicht nur bei Kindern bietet es sich an, dem Rhythmus zu folgen und regelmäßige Zeiten möglichst konsequent beizubehalten. Krankheiten und die Umstellung auf Sommer- oder Winterzeit sind für Eltern und Kinder Jahr für Jahr eine Herausforderung, bis sich die Zeiten wieder eingependelt haben. Die Abwehrkräfte schützen uns vor Infektionen, so gut es ihnen möglich ist. Wir können durch aktives Handeln einer potenziellen Ansteckungsgefahr aus dem Weg gehen, indem wir uns die Hände gründlich waschen, wenn wir Türklinken, Geld oder allgemein Flächen angefasst haben, die bereits von vielen anderen Menschen berührt wurden. Abstand zu hustenden Personen und der Verzicht auf Händeschütteln sind ebenfalls probate Mittel, um uns vor Infektionen zu schützen. Stoßlüften ist nicht nur im Zusammenhang mit Corona eine vielversprechende Idee, auch während Erkältungs- und Grippephasen bietet es sich an, alle zwanzig bis dreißig Minuten frische Luft in den Raum zu lassen.

Tschüss Homeoffice – willkommen Großraumbüro

Pro Homeoffice, kontra Küchentisch – in der Diskussion zum besten Arbeitsort geht es hoch her. Homeofficepflicht, Misstrauen der Arbeitgeber und technische Möglichkeiten sind nur einige Argumente, die von beiden Seiten bemüht werden. Überlastung durch zeitgleiche Kinderbetreuung, Homeschooling und Job sind demnächst Geschichte – die Schulen öffnen deutschlandweit die Türen, Präsenzunterricht ist wieder überall geplant. Was bleibt, sind Unsicherheiten auf allen Seiten. Ist es ein Vorteil für Arbeitgeber, wenn Eltern im Krankheitsfall der Kinder doch von zu Hause aus arbeiten können, ohne sich als betreuende Person ebenfalls krankschreiben zu lassen? Sparen Arbeitnehmer Zeit und Kosten für die Anfahrt ins Büro? Müssen Computer, Netzwerk oder Papier an beiden Schreibtischen zur Verfügung stehen? Klar ist: Homeoffice verschiebt das Gefüge. Stromkosten entstehen jetzt beim Arbeitnehmer; können dann noch Schreibtische im Wechsel besetzt werden, sparen Arbeitgeber auch an der internen Infrastruktur. Doch bezahlen beide das unter Umständen teuer? Werden Arbeitsabläufe unübersichtlich und kompliziert? Fehlt das direkte Miteinander oder können sich Angestellte in den eigenen vier Wänden sogar besser konzentrieren? Umfragen unter beiden Parteien sollen Licht ins Dunkel bringen. Schon jetzt steht fest, dass ein Hybridmodell für viele die beste Lösung wäre – ein Mix aus Homeoffice und regelmäßigen Präsenztagen für alles, was gemeinsam besprochen und im Team erledigt werden muss. Kommunikation und Teambuilding funktioniert besser, wenn sich die beteiligten Personen nicht nur am Monitor sehen, sondern sich direkt gegenübersitzen. Nonverbale Zeichen lassen sich im digitalen Meeting nicht so gut deuten wie im direkten Gespräch. Dagegen stehen Aufgaben, die Konzentration erfordern. Im Großraumbüro oder einer Kultur der offenen Türen lassen sich komplexe Exceltabellen oder komplizierte Berechnungen nicht in Ruhe bearbeiten, ohne dass Kollegen stören. Viele Arbeitnehmer vermissen ihre Kollegen, auch dafür finden sich im Hybridmodell gute Lösungen.

Schön, euch zu sehen. Kommt doch rein!

Der Abstand zu geliebten Menschen war eine große Herausforderung während der Pandemie. Nicht nur Familienmitglieder, auch gute Freunde oder Nachbarn haben wir schmerzlich vermisst. Geburtstage im Kreis der Besten, Straßenfeste mit allen Bewohnern statt einzelner Gespräche über den Gartenzaun hinweg oder zum Kaffee und Kuchen am Sonntagnachmittag die Großeltern besuchen – all das ist endlich wieder möglich. Wenn wir ehrlich sind, hat uns nicht jeder Mensch aus unserem Umkreis wirklich gefehlt. Einige alte Freundschaften waren schon längst eher anstrengend als belebend und der wöchentliche Besuch bei den Schwiegereltern verläuft nicht in allen Familien entspannt. Soziale Abgrenzung kann auch etwas Gutes sein. Natürlich müssen wir diese Kontakte nicht völlig kappen, doch jetzt ist die beste Gelegenheit für eine Modifizierung alter Gewohnheiten. Statt also jeden Samstag die Familie zu besuchen, könnte es jetzt der erste Samstag im Monat sein. Statt eine Freundschaft wiederzubeleben, die ihren Zenit schon vor Jahren überschritten hat, kann man es bei gelegentlichen Telefonaten belassen. Eine Geburtstagsfeier dürfen wir mit gutem Gewissen nach einiger Zeit wieder verlassen; schließlich haben wir unser Leben anders organisiert und wollen auf neue Gewohnheiten nicht verzichten. Das ist legitim und kann mit guten Argumenten untermauert werden – muss es aber nicht. Jeder ist verantwortlich für sein eigenes Leben. Soziale Abgrenzung kann ebenfalls hilfreich sein, wenn es um die eigene Gesundheit geht.

Neben allen Vor- und Nachteilen, Gesundheit, Einschränkungen oder alten und neuen Freundschaften ist eines nach wie vor von größter Wichtigkeit: Lachen! Nur wer sich mit anderen – face-to-face oder digital – amüsieren kann, hat mehr vom Leben. Lachen stärkt die Abwehrkräfte, hält uns fit und pusht unser Gute-Laune-Level in die Höhe.

lic/news.de