Superman in der Krise: Wenn der Held Eichhörnchen vor einstürzenden Wolkenkratzern rettet

Als langjähriger Erdbewohner mit einer interplanetarischen Migrationsbiografie hatte Superman schon immer einen gewissen, sagen wir, Standortnachteil gegenüber den anderen Superhelden des DC-Universums.

Der Weltraumreisende Kal-El vom Planeten Krypton war nur durch Zufall auf der Erde gestrandet. Der Wunsch, einfach nur Mensch zu sein, war bei ihm daher ausgeprägter als etwa beim zynischen und von der Welt enttäuschten „Nepobaby“ Bruce Wayne, der sich mit seiner geerbten Macht bloß als maskierter Rächer in den Dienst der Menschheit stellt.

Der Superheld, der im Alleingang eine ganze Regierung mitsamt Militär ersetzen könnte, aber Eichhörnchen vor einstürzenden Wolkenkratzern rettet. Der unter dem Anpassungsdruck des Migranten so sehr einer von uns sein will, dass er ein Haustier adoptiert. Ja, Superman (David Corenswet) hat jetzt auch einen Hund: einen fliegenden, mit Cape, versteht sich. Er hütet Krypto allerdings nur für Supergirl (lange Geschichte).

David Corenswet als Supermann: unbekümmert und positiv

Etwas Sonnenlicht – ein Allheilmittel nicht nur für unseren Lieblingskryptonier – hat nach den hochgradig humorbefreiten und trostlosen „Justice League“-Filmen von Zack Snyder auch die Marke DC dringend nötig. Gunn scheint dafür der richtige Mann zu sein, er verbindet auf seine hemdsärmlige Weise den positiven Pragmatismus des Weltenrettertums mit einer letztlich sehr realistischen Unernsthaftigkeit. Der bisher in Hauptrollen noch nicht großartig in Erscheinung getretene David Corenswet bringt hier genau die richtige Unbekümmertheit und sonnige Disposition mit ein, die der Job erfordert.

Denn was Superman in diesem gefühlt x-ten Reboot alles auf seinen Schultern tragen muss – neben kollabierenden Gebäuden und einem Godzilla-Verschnitt aus einem Paralleluniversum – ist geradezu absurd. Als beliebtester Vertreter der Justice League liegt jetzt auch noch der Neustart des kommerziell und kreativ siechen DC-Universums in seiner Verantwortung; zu einem Zeitpunkt, an dem selbst Marvel nach einer neuen Erfolgsformel sucht. Gunn hat es zuletzt im inspiriert-grenzdebilen „The Suicide Squad“ mit einem Kuriositätenkabinett von Superhelden aus der zweiten Reihe versucht. Sein Superman muss nun die Herausforderung bewältigen, bloß nicht den Glauben an die Menschheit zu verlieren.

Tech-Milliardär mit Trollfabrik. Nicholas Hoult reiht sich in eine Tradition chargierender Lex Luthors ein.

© Warner Bros

Am allerwenigsten der Humor, der selbst Superman in seiner übereifrigen Ahnungslosigkeit – neben einem Haufen Knallchargen, allen voran Hoults Lex Luthor – manchmal wie den größten Deppen der Galaxie dastehen lässt. Auch die Romantic-Comedy-Momente mit Brosnahan sowie die Sidekick-Dynamik mit einer uncharismatischen Spaßcombo namens „Justice Gang“ um Mister Terrific (Edi Gathegi), Green Lantern (Nathan Fillion) und Hawkgirl (Isabela Merced) bleiben unterentwickelt.

Dass Gunn dann selbst das Potenzial für eine Satire sträflich verschenkt, ist vielleicht die größte Tragik dieses Blockbusters, der sichtlich um popkulturelle Relevanz ringt. Denn irgendwo im „Taschenuniversum“ befindet sich eine Trollfabrik aus geklonten Affen, die Fake News im Netz verbreitet. Superman hat nämlich noch eine weitere Achillesferse: Er ist eben nur der Superheld, solange die Menschen seine Heldentaten bejubeln. Wachsen die Zweifel an dieser Lichtgestalt, ist er bloß wieder der illegale Einwanderer: ein Sündenbock für die Fehlbarkeit der Menschen.