„Strange!“ in der Sammlung Scharf-Gerstenberg: Die sonderbare Welt der Surrealisten

Brav steht der Titel gebende Wachmann da, mit einer Laterne in der Hand. Er scheint auf das Eintreffen des nächsten Zuges zu warten, der sich mit Flammen spuckendem Schornstein gerade hinter dem Bahnhofsgebäude ins Bild schiebt. Darüber dräut dunkel der Abendhimmel mit bereits aufgegangenem Mond. Irgendetwas stimmt hier nicht. Tatsächlich nähert sich ebenfalls von rechts eine junge Frau mit langem, blau fließendem Kleid, das ihren nackten Busen zeigt.

Paul Delvaux hat zahlreiche solcher rätselhaften Bahnhöfe gemalt, auf denen unbekleidete Schönheiten auftauchen und verwirren. In der Sammlung Scharf-Gerstenberg begrüßt das gewaltige Querformat des Belgiers den Besucher gleich zu Beginn: Willkommen in der sonderbaren Welt der Surrealisten. Und doch ist das nicht ganz richtig. Die gezeigten Maler fühlten sich nicht zwingend dieser Kunstbewegung zugehörig, deren Ende gerne mit dem Todesjahr ihres geistigen Vaters André Breton, 1966, gleichgesetzt wird.

Die DDR-Künstler probten die Entrückung aus der Wirklichkeit

Mit den 1960ern fängt die Ausstellung im ehemaligen Marstall des östlichen Stüler-Baus von Schloss Charlottenburg allerdings gerade erst an. Unter dem Titel „Strange!“ vereint sie rund sechzig Werke von vierzig Künstlern aus den Sammlungen der Nationalgalerien in Ost- und West-Berlin, die bis zur Fusion 1990 in der geteilten Stadt getrennt erworben wurden.

„Der Mittag“ aus Mac Zimmermanns Zyklus „Die Tageszeiten“ (1954).

© Mac Zimmermann, VG Bild-Kunst Bonn 2025, Staatliche Museen zu Berlin, Eigentum des Landes Berlin / Jörg P. Anders

Clemens Gröszers Akt balanciert auf seinem rechten Mittelfinger eine gläserne Kugel und trägt dazu eine Kaufhaustüte auf dem Haupt, stolz wie eine Krone. Das exzentrische Modell soll auch sonst diese Kopfbedeckung getragen haben.

Die überlängten Figuren der Neuen Sachlichkeit tauchen auch bei Sighard Gille auf, der sich im Selbstporträt von seiner Freundin in der Rolle einer sexy Friseuse im roten Minikleid die Haare ondulieren lässt. Bullig schaut er zwei Mal den Betrachter an: aus dem Spiegel und unmittelbar frontal.

Statt Gefälligkeiten schufen sie Großformate Das Bucerius Forum in Hamburg zeigt surrealistische Bildhauerinnen „Kosmos Kandinsky“ im Potsdamer Museum Barberini Eruptionen der Farbe und geistige Höhenflüge