Sein Werk begann mit einer Sprengung, doch sein Medium wurde die Sprache
„Milk and honey taken far far away – Milch und Honig weit weit weggebracht“ steht in großen Lettern an der Fassade der Sophie-Gips-Höfe geschrieben. Lawrence Weiner ließ den Sinnspruch vor knapp 25 Jahren dort oben anbringen als Verweis auf die in den oberen Etagen eingezogene Sammlung Hoffmann und stiftete damit Verwirrung: Befand sich nicht gerade hier, hinter diesem Gemäuer das Gelobte Land der Kunst, in dem Milch und Honig fließen?
In den 1990er Jahren war Lawrence Weiner zu Gast in den Kunst Werken
Das war typisch für Weiners Sinnsprüche: dass sie sich nicht eindeutig interpretieren ließen, geistige Räume eröffneten, Poesie an den Ort entließen, wo sie in seiner markanten Manier in schwarz umrandeten Großbuchstaben standen. Damit gehörte er in die Riege der US-Konzeptkünstler um Joseph Kosuth, beide weilten in den 1990ern als Gäste der Kunst Werke auf Einladung von Klaus Biesenbach eine Zeitlang in Berlin. Weiner hatte das geschriebene Wort als skulpturales Werk in die Kunst eingeführt.
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Der Weg dorthin führte nicht gerade gradlinig. Geboren im New Yorker Stadtteil Bronx, wo sein Vater ein kleines Süßwarengeschäft führte, musste er schon als 12-Jähriger nach der Schule arbeiten gehen, um zum Familienunterhalt beizutragen. Nach einem Abstecher beim Hunter College entschied er sich, Künstler zu werden, weil ihm der Lebensstil besser gefiel. Radikal war bereits sein erstes Werk von 1960, die „Cratering Pieces“, entstanden durch Sprengungen im Nationalpark des kalifornischen Mill Valley.
Weiner erklärte bereits die Idee zum Kunstwerk. Das war revolutionär
Heute gilt es als frühes Beispiel für Land Art, doch fand der Künstler seine Bestimmung erst im Medium der Sprache. Er schrieb nicht nur Denksprüche an Wände, sondern produzierte auch Künstlerbücher. Wegweisend für die Konzeptkunst wurden die „Statements“, sein erstes Buch von 1968, in dem er auf 68 Seiten mehrere Projekte beschrieb. Im gleichen Jahr veröffentlichte er seine „Absichtserklärung“, die nur drei Punkte umfasst: „1. Der Künstler kann das Werk herstellen. 2. Das Werk kann angefertigt werden. 3. Das Werk braucht nicht ausgeführt zu werden.“
Und den Zusatz: „Jede Möglichkeit ist gleichwertig und entspricht der Absicht des Künstlers, die Entscheidung über die Ausführung liegt beim Empfänger zum Zeitpunkt des Empfangs.“ Damit erklärte Weiner bereits die Idee zum Kunstwerk und eröffnete die Möglichkeit, dessen Realisierung anderen zu überlassen. Ein damals revolutionärer Ansatz.
Erst spät zollte ihm seine Heimat, die USA, ihre Anerkennung
Harald Szeemann holte ihn daraufhin in seine legendäre Ausstellung „When Attitudes Become Form“ nach Bern. Europa, genauer: Amsterdam, sollte das Zuhause für Weiner werden, wo er mehrfach zu Documentas, der Biennale in Venedig eingeladen und hoch geehrt wurde. Erst spät zollten dem liebenswürdigen Rauschebart-Träger auch die Vereinigten Staaten ihre Anerkennung. 2008 erhielt er im New Yorker Whitney-Museum eine Retrospektive.
Sein letzter Gruß in Europa ist die Inschrift „Over & Above“ im Erweiterungsbau des Kunsthauses Zürich, genau dort, wo es unterirdisch zum Hauptbau geht. Über die Bedeutung lässt sich wieder rätseln. Noch im Sommer zierten seine Zeilen „Vertrocknete Erde & Gestreute Asche Oder Vertrocknete Erde & Vergrabenes Gold Oder“ auf rotem und blauem Grund den gläsernen Eckraum an der Charlotten-/Leipziger Straße in seiner Berliner Galerie Thomas Schulte. Nach langer Krankheit starb Weiner am 2. Dezember mit 79 Jahren.