Scholz bezeichnet gleiche Bezahlung im Fußball als „etwas Politisches“
Bundeskanzler Olaf Scholz ist ein Mann, der seine Wortwahl in der Regel sorgsam abwägt. Umso überraschender war kürzlich sein Tweet zum Thema Geschlechtergerechtigkeit im Fußball, in dem Scholz schrieb: „Wir haben 2022. Frauen und Männer sollten gleich bezahlt werden. Das gilt auch für den Sport, besonders für Nationalmannschaften (…).“
Anlass waren die starken Leistungen der Frauen bei der EM in England, die bis ins Finale stürmten und dabei von immer mehr Menschen in Deutschland begeistert begleitet wurden. Scholz stieß mit seiner Forderung eine Debatte los und wollte dieses Thema mit Vertretern des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) noch einmal persönlich besprechen.
Am Dienstag kam es nun zu diesem Treffen im neuen DFB-Campus in Frankfurt. DFB-Präsident Bernd Neuendorf war dabei, genau wie Geschäftsführer Oliver Bierhoff und Vizepräsidentin Celia Sasic. Und neben vielen freundlichen Worten füreinander standen am Ende auch einige Fakten.
„Ich finde, das ist etwas Politisches, anders als die Gehaltsverhandlungen, die erfolgreiche Spieler und Spielerinnen anderswo führen“, sagte der Bundeskanzler. Für den es deshalb Sinn ergibt, „dass man da über gleiche Prämien diskutiert.“ Er freue sich nun darüber, „dass die Bereitschaft besteht, diese Frage zu diskutieren und sich zu überlegen, wie das in Zukunft sein soll.“
Neuendorf kündigte an. „Ich bin zumindest bereit, in unseren Gremien mit den Vertretern und Vertreterinnen der A-Nationalmannschaften darüber zu reden, ob unser über Jahrzehnte gewachsenes Prämiensystem noch zeitgemäß ist.“
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Für viele neutrale Fußball-Beobachter scheint dies schon länger nicht mehr der Fall zu sein. Wobei es nicht nur um die überschaubaren Prämien oder Gehälter im Frauenfußball geht, sondern mehr noch um die Millionen, die die Männer mit ihrem Sport verdienen können. Ein Anthony Modeste beispielsweise, dessen Wechsel vom 1. FC Köln zu Borussia Dortmund seit Montag fix ist, verließ seinen alten Klub auch deshalb, weil er beim BVB noch mehr als die 3,5 Millionen Euro verdienen kann, die er beim FC für seine fußballerischen Dienste erhielt.
Von solchen Dimensionen können die besten deutschen Fußballerinnen nicht einmal träumen – sie tun es auch gar nicht, sondern beweisen einen klaren Blick für Realitäten. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg, die momentan im Urlaub ist und deswegen das Treffen am Dienstag in Frankfurt verpasste, erklärte kürzlich im Sender Bayern 1: „Wir haben gesagt, wir wollen erst mal ’Equal Play’ haben, dass wir bessere Strukturen haben, dass wir Talent-Gerechtigkeit haben, dass alle Mädchen Fußball spielen können.“
Auch davon sind die Spielerinnen in Deutschland noch weit entfernt. Im ZDF-Sportstudio unterstrich Voss-Tecklenburg dies zuletzt noch einmal; und ihre Nationaltorhüterin Merle Frohms nannte dafür klare Schlagworte: „Sichtbarkeit. Chancengleichheit. Akzeptanz.“
Sichtbar sind die Frauen bisher nur bei großen Turnieren, dort allerdings waren die Einschaltquoten bei den Übertragungen der Spiele im Fernsehen zwar etwas schwächer als bei vergleichbaren Männerevents, lagen aber mit Werten zwischen zehn und 20 Millionen Zusehern in einem sehr hohen Bereich.
Auch deshalb kam die Frage nach der gleichen Bezahlung auf; und es ist für viele schwer nachvollziehbar, warum die Männer für den EM-Titel 2021 pro Spieler 400.000 Euro erhalten hätten und die Frauen „nur“ 60.000 Euro. Beim Premiumprodukt Nationalmannschaft sind daher am ehesten Angleichungen vorstellbar, weil hier die Nachfrage stimmt.
Die Märkte für Frauen- und Männerfußball sind nach Ansicht von DFB-Präsident Neuendorf unterschiedlich
Auf Vereinsebene sieht das noch anders aus, das betonte DFB-Präsident Neuendorf am Dienstag noch einmal, als er sagte: „Es muss auch zur Kenntnis genommen werden, dass trotz gleicher Tätigkeit die Märkte immer noch sehr unterschiedlich sind.“
Während die Bundesligaspiele der Männer Woche für Woche in ausverkauften großen und modernen Fußballarenen stattfinden und von vielen Menschen zudem im Fernsehen verfolgt werden, ist das bei den Frauen nicht der Fall. Eine Vergleichbarkeit auf dieser Ebene ist daher nicht gegeben und kann auch nicht zielführend sein.
Auf der anderen Seite ist es für die Entwicklung des Frauenfußballs hierzulande wenig förderlich, wenn 50 Prozent der Bundesliga-Spielerinnen neben dem Sport noch einem Beruf nachgehen müssten. Grundgehälter könnten hier eine Lösung sein. Für Voss-Tecklenburg ist klar: „Nicht nur reden, sondern Tatsachen folgen lassen“. Ein Anfang scheint jetzt immerhin gemacht zu sein.