Rune Jarstein ist die Nummer 1 der Herzen bei Hertha BSC
Als die erste Halbzeit zu Ende ist und die Spieler sich Richtung Mittellinie zum Kabinengang begeben, hat Oliver Christensen noch etwa zu erledigen. Er ist wie ein Geisterfahrer auf der Autobahn unterwegs: Alle seine Kollegen kommen ihm entgegen. Christensen, die neue Nummer eins von Hertha BSC, läuft zum Tor vor der Berliner Fankurve, wo sein Ersatzmann gerade angefangen hat, sich von Torwarttrainer Andreas Menger warmschießen zu lassen.
„Rune Jarstein!“, rufen Herthas Fans hinter dem Tor. Christensen geht zu Jarstein, reicht ihm die Hand, dann drückt er ihn an seine Brust.
Es ist eine besondere Situation. Für Christensen. Für Herthas Fans. Vor allem aber natürlich für Rune Jarstein, der im Herbst 38 wird und der noch ein Jahr beim Berliner Fußball-Bundesligisten unter Vertrag steht. In Herthas Testspiel beim Regionalligisten Babelsberg 03 wechselt Cheftrainer Sandro Schwarz zur Pause einmal komplett durch. Von all den Neuen auf Berliner Seite erwähnt der Stadionsprecher im Karl-Liebknecht-Stadion nur einen Spieler namentlich: Rune Jarstein. Die 3695 Zuschauer applaudieren, auf der Tribüne stehen einige von ihren Sitzen auf.
Ein verlorenes Jahr für Jarstein
Hinter Jarstein liegt ein verlorenes Jahr. Im März 2021 hat er sich mit Corona infiziert, er musste deswegen ins Krankenhaus, litt in der Folge unter einer Herzmuskelentzündung, und als er endlich wieder fit war, verletzte er sich am Knie. „Rune hat unglaublich viel Pech gehabt“, sagt Herthas Torwarttrainer Andreas Menger. Am Samstag nun steht er zum ersten Mal seit 468 wieder bei einem Fußballspiel im Tor.
Dass Hertha die Begegnung durch einen frühen Treffer von Marco Richter mit 1:0 (1:0) gewinnt, ist eher nebensächlich. Alles dreht sich um Jarstein. Er trägt die Kapitänsbinde, spielt vor der Kurve mit den Berliner Fans, und immer, wenn er sich seine Trinkflasche aus dem Netz holt, rufen Herthas Anhänger seinen Namen. „Rune hat’s verdient“, sagt Schwarz. „Wenn ein Spieler gesundheitliche Probleme hatte und lange raus war, dann berührt es einen, nicht nur als Trainer, sondern auch als Mensch.“
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Fünf Minuten dauert es nach der Einwechslung, bis Jarstein zum ersten Mal an den Ball kommt. Nach einem Rückpass von Linus Gechter spielt er den Ball mit dem rechten Außenrist punktgenau hinaus auf die rechte Seite zu Julian Eitschberger. „Es war sehr schön, wieder auf dem Platz zu sein“, sagt der Norweger nach dem Spiel. Viel zu tun bekommt er nicht, vor allem nicht mit den Händen.
Und trotzdem: „Ich habe mich sehr gefreut. Es war ein geiles Gefühl.“ Und noch ein bisschen ungewohnt. Einmal will Jarstein den Ball aus dem Strafraum schlagen. Der Babelsberger Angreifer Matthias Steinborn geht dazwischen, blockt den Schuss, erobert den Ball – und setzt ihn schließlich an den Pfosten des leeren Tores. „Ich habe es ein bisschen spannend gemacht“, sagt Jarstein.
Arge Personalprobleme im Tor
Im Frühjahr, nach fast einem Jahr Pause, ist der frühere norwegische Nationaltorhüter bei Hertha ins Mannschaftstraining zurückgekehrt. Doch es auf der Torhüterposition arge Personalprobleme gab, war Jarstein in der Schlussphase der vergangenen Saison noch keine echte Option. Ob er das in Zukunft wieder sein kann, darüber werden die nächsten Wochen entscheiden. „Beide Knie sind sehr gut, der Körper ist auch gut“, sagt Jarstein. „Ich trainiere gut. Ich gebe Gas. Wenn der Trainer mich braucht, bin ich bereit.“
Sollte Sandro Schwarz in den nächsten Wochen zur selben Erkenntnis gelangen, dann wird Jarstein als Nummer zwei hinter Christensen in die Saison gehen. Andernfalls müsste Hertha auf dem Transfermarkt noch einmal aktiv werden. Menger hat Jarstein in den ersten zehn Tagen der Vorbereitung deutlich konzentrierter erlebt als im Frühjahr. Aber Spiele sind eben doch noch eine andere Geschichte als Training. „Es war eine lange Zeit“, sagt Rune Jarstein. Aber: „Vergangenheit ist Vergangenheit, jetzt denke ich nach vorne.“