„Ich bin nicht der Präsident des Investors“
In einer anderen, einer besseren Welt würde die allgemeine Aufregung in diesen Tagen vermutlich kontinuierlich zunehmen. Denn in einer Welt ohne explodierende Coronazahlen fände am Sonntag die Mitgliederversammlung von Hertha BSC statt. Und nachdem Lars Windhorst, der Großinvestor des Klubs, angekündigt hatte, er werde diese Veranstaltung nutzen, um sich den Mitgliedern einmal richtig vorzustellen, haben sich manche wahrscheinlich schon auf den Showdown unterm Funkturm gefreut.
Doch die Mitgliederversammlung ist abgesagt worden, verschoben auf einen noch nicht benannten Termin – und damit auch der mögliche Showdown zwischen Lars Windhorst, dem Anteilseigner der Hertha BSC Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), und der Vereinsführung um Werner Gegenbauer. Dass es bei aller Verbundenheit knirscht und knarzt, das ist nicht neu. Das wird auch in dem knapp 100-minütigen Interview deutlich, das Herthas Präsident dem Podcast Hertha Base gegeben hat.
So klar und auch so kritisch hat sich noch kein hoher Vertreter von Hertha über die Probleme in der Beziehung zwischen dem Klub und Windhorsts Unternehmen, der Tennor Group, geäußert. Über ein Problem, das vor allem ein kommunikatives ist. „Sie können der Tennor Group nicht verbieten, über ihr Investment zu reden“, sagte Gegenbauer. „Aber wir haben von Anfang an versucht, ihnen klar zu machen, sie mögen doch bitte unsere Kommunikation nicht konterkarieren, den Leuten nur das zu versprechen, was wir halten können. Das haben sie nicht hinbekommen.“
Windhorst hält 64,7 Prozent der Anteile der KGaA
Vor allem Jürgen Klinsmann, der zunächst von Windhorst in Herthas Aufsichtsrat entsandt worden war und dann im November 2019 Cheftrainer des Fußball-Bundesligisten wurde, sei mit dieser Situation nicht klar gekommen, sagte Gegenbauer. Er habe sich so geriert, als ob Windhorst alles gehöre. Deshalb, so Herthas Präsident, hätte der Klub darauf bestehen müssen, dass Klinsmann seinen Vertrag mit Tennor während seiner Tätigkeit als Trainer hätte ruhen lasse oder sogar auflöse.
Windhorst hält 64,7 Prozent der Anteile der KGaA, für die er seit Sommer 2019 insgesamt 374 Millionen Euro gezahlt hat. Gegenbauer hob noch einmal die Bedeutung des Investors für den Klub hervor, gerade in einer Zeit, da der Profifußball von der Corona-Pandemie hart getroffen wird. „Er hat in einer wirklich schwierigen Zeit alles geliefert, was wir vereinbart haben“, sagte der 71-Jährige. Und auch der Austausch sei intensiver, als es oft dargestellt werde.
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Allerdings machte Gegenbauer noch einmal deutlich, dass die Entscheidungsgewalt beim Verein liege. Schon in der Vergangenheit hat er darauf hingewiesen, dass Windhorst nur über, aber nicht für Hertha spreche. In der Öffentlichkeit ist dadurch der Eindruck entstanden, dass sich beide Parteien mehr oder weniger feindlich gegenüberstehen.
Gegenbauer kritisierte, dass sich Windhorst öffentlich zu sportlichen Themen äußert
Auch zuletzt war das wieder der Fall, in einem Fernsehbeitrag des RBB, für den Gegenbauer und Windhorst getrennt voneinander interviewt worden waren. Windhorst klagte darin: „Ich habe erwartet, dass man mehr als Team konstruktiv und positiv an Projekten und Themen arbeitet, sich austauscht und wirklich mit Freude, Kreativität und Dynamik den Verein entwickelt und auf eine neue Ebene hebt. Dazu ist es bisher nicht so richtig gekommen.“
Gegenbauer erklärte, von Windhorsts Zusage für das Interview mit dem RBB überrascht worden zu sein, weil man sich eigentlich darauf verständigt habe, sich nicht mehr öffentlich zu äußern. „Es war alles geklärt“, sagte Herthas Präsident, „aber wenn eine Seite versucht es zu modellieren, dann muss ich den Mitgliedern auch sagen können: Ich bin nicht der Präsident des Investors.“
Gegenbauer kritisierte auch, dass sich Windhorst öffentlich zu sportlichen Themen äußere. Wenn der Investor über Pal Dardai, Herthas Trainer, rede, komme er ihm vor wie Klaus-Michael Kühne beim Hamburger SV. So etwas schaffe nur Unruhe. Mit interner Kritik habe er überhaupt keine Probleme, sagte Gegenbauer, aber „es öffentlich zu machen beschädigt den Trainer. Und es beschädigt sein Investment. Das macht keinen Sinn. Punkt.“
Auch zu der schon mehrmals von Windhorst geäußerten Ankündigung, noch mehr Geld in Hertha zu investieren, nahm Gegenbauer Stellung. Die erste Phase der Zusammenarbeit mit Tennor war „super für Hertha, was den Zufluss angeht, aber für beide Seiten deutlich verbesserungsfähig, was die öffentliche Erscheinung angeht. Dann sollten wir doch jetzt erst mal die öffentliche Erscheinung üben.“ Danach, so Werner Gegenbauer, könne man immer noch über den nächsten Schritt reden: „Ich glaube, im Moment ist das nicht angesagt.“