Rollstuhlfechter Maurice Schmidt: „Nach zwei Jahren war ich schon der beste Deutsche“
Herr Schmidt, war Rollstuhlfechten auf Anhieb Ihre Leidenschaft?
Mit 13 Jahren habe ich mit Rollstuhlfechten angefangen, davor habe ich mit meinen Prothesen alle möglichen nicht behinderten Sportarten gemacht. Rollstuhlfechten war die erste Para-Sportart, bei der ich mein volles Potenzial zeigen konnte. Ich bin dann relativ schnell erfolgreich gewesen. Bei meiner ersten deutschen Meisterschaft habe ich direkt den Titel im Jugendbereich gewonnen, war dann international dabei und habe bei Jugend-Weltmeisterschaften abgeräumt. Nach zwei Jahren war ich dann schon der beste deutsche Rollstuhlfechter. Spätestens da habe ich dann gemerkt: „Okay, Rio wird noch etwas knapp, aber Tokio 2020 ist mein großes Ziel.“
Ist die Sportart Ihrer Erfahrung nach inklusiv?
Das Coole beim Fechten ist, dass Rollstuhlfechten und Fußgängerfechten nicht besonders getrennt sind – in vielen Vereinen findet das gemeinsam statt. Am Anfang meiner Karriere habe ich eigentlich nur gegen Fußgänger gefochten. Es gibt auch viele Turniere, die inklusiv sind. Es gibt Fußgänger-Turniere, bei denen Rollis mitmachen durften und andersrum. Auf Vereinsebene ist Rollstuhlfechten sehr inklusiv. Auf Bundes- oder Landesebene könnte man definitiv noch mehr miteinander arbeiten – vielleicht gerade auch auf Leistungssportebene.
Wie ist das in anderen Nationen?
Wenn man sich andere Nationen wie die Italiener oder Franzosen ansieht, gibt es da mehr Zusammenhalt – da kommen auch Fußgänger zu den Turnieren mit, um die Rollstuhlfechter warmzufechten. Bei uns in Deutschland gibt es immer wieder Leute, die hinterfragen, warum die Rollis denn bei den Turnieren dabei sein müssen. Oft ist es Fußgängern aber auch egal, wenn sie durch ihre Beweglichkeit gegen die stärker behinderten Rollis gewinnen und diese ihnen so nicht die Ergebnisse versauen.
Die Klassifizierung je nach Grad der Behinderung ist im Para-Sport Dauerthema. Wie beurteilen Sie die Klassifizierung innerhalb Ihrer Sportart?
Dadurch, dass wir nur drei Kategorien haben, ist die Klassifizierung sehr schwer. In anderen Sportarten gibt es das viel spezifizierter. Bei uns kommt es vor allem darauf an, wie viel Bewegungsmöglichkeit man im Rumpfbereich hat. Ich zum Beispiel habe eine Behinderung in der linken Hand und keine Füße. Das heißt, dass ich keine Stabilität aus den Beinen habe, wenn ich im Rollstuhl sitze. Dadurch muss ich alles aus dem Bauch heraus machen und fechte mit anderen in einer Klasse, die zum Teil ganz normal laufen können. Trotzdem ist es fair, weil ich mich für die B-Kategorie, in der viele querschnittgelähmt sind, zu viel bewegen kann. Das weckt höchstens die Idee, dass man bei der Klassifizierung vielleicht eine neue paralympische Zwischenkategorie einführen könnte.
Sie studieren aktuell Umwelttechnik. Haben Sie schon eine Idee, was Sie danach konkret machen möchten?
Ich weiß noch nicht, in welche Richtung es geht. Nach den Paralympics in Tokio wollte ich mir mehr Gedanken über meine Karriere nach dem Sport machen. Bis dahin war bei mir nur der Sport im Fokus und alles andere daran angepasst. Auf den Studiengang bin ich über meine vegane Ernährung gekommen – für den Sport fing ich an, mich ernährungstechnisch weiter zu informieren und habe mich dadurch viel mit dem Thema Umwelt- und Klimaschutz beschäftigt.
Es macht mir extrem Spaß, sportlich tätig zu sein und das auch im Leistungssport zu machen. Aber ich brauche auch noch irgendwas später in meinem Leben, mit dem ich der Gesellschaft, der Welt und der Natur etwas zurückgeben kann.
Ich möchte schon zeitnah meine Karriere nach dem Sport angehen. Gerade mache ich ein Urlaubssemester, nach Paris möchte ich mich dann aber ordentlich auf das Studium konzentrieren. Und wenn ich dann meinen Bachelor habe, ist es auch schon wieder langsam Zeit für die Vorbereitung auf Los Angeles.
Womit können Sie junge Leute mehr inspirieren: mit Ihrem Karriereweg als Sportler oder Ihren Ambitionen beim Thema Umwelt?
Mit beidem. Vor allem kann ich über meinen Sport wichtige Themen kommunizieren, wenn ich zum Beispiel durch die Paralympics auch noch mal eine größere Community erreichen kann. Gerade für junge Leute ist es total wichtig, auf die Umwelt zu achten, denn der Mensch ist nicht so stark wie viele denken – am Ende ist die Natur noch viel stärker und wir müssen lernen, nicht mehr gegen sie anzugehen. Der Sport ist eine Herzenssache für mich – ich musste schon immer in meinem Leben Sport machen. Durch den Leistungssport kann ich das bestmöglich ausleben und damit Geld verdienen. Momentan ist also der Sport meine Priorität. Auf lange Hinsicht möchte ich mich aber auf jeden Fall auf die Umwelt fokussieren.