Papa-Bär und die zwei Teenager
Um die Fitness von Arne Friedrich muss man sich wirklich keine Sorgen machen. Dass der 42-Jährige voll im Saft steht, war erst am vergangenen Freitag im Spiel von Hertha BSC gegen die Spielvereinigung Greuther Fürth wieder zu beobachten. Eine gute Viertelstunde vor dem Abpfiff reichte die Luft noch für einen 40-Meter-Sprint von der Trainerbank zum vermeintlichen Siegtorschützen Jurgen Ekkelenkamp, dem Herthas Sportdirektor Friedrich höchstpersönlich zu seinem Traumdebüt in der Fußball-Bundesliga gratulieren wollte.
Am Morgen danach erzählte Pal Dardai, der Trainer der Berliner: „Arne Friedrich geht heute zu Herrn Kuchno. Dann fangen sie an zu trainieren.“ Herr Kuchno, mit Vorname Henrik, ist Athletiktrainer bei Hertha BSC und als solcher ebenso geschätzt wie gefürchtet. Vermutlich würde es Herr Kuchno tatsächlich irgendwie hinbekommen, Arne Friedrich in kürzester Zeit wieder spielfit zu bekommen.
[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können]
Bedarf an einem gestandenen Innenverteidiger wie ihm besteht durchaus. Aber Arne Friedrich wird die vorhandene Lücke definitiv nicht schließen, wenn Hertha am Samstagnachmittag beim Vizemeister Rasenballsport Leipzig antritt – selbst wenn er den Duktus eines aktiven Fußballers immer noch draufhat: „Die Aufstellung macht Pal, deshalb kann ich nichts dazu sagen.“
Was man sagen kann: Es steht nicht gut um Herthas Abwehr. „Wir sind am Limit“, gibt Pal Dardai zu. Aktuell muss Herthas Trainer auf drei Spieler verzichten, die für eine Dreierkette in Frage kämen – und das nicht nur für ein Spiel. Dedryck Boyata: Muskelfaserriss im hinteren Oberschenkel, mehrere Wochen Pause. Jordan Torunarigha: Muskelfaserriss im hinteren Oberschenkel, mehrere Wochen Pause. Lukas Klünter: Operation an der Schulter, mehrere Wochen Pause.
In Leipzig wird der 19 Jahre alte Marton Dardai links in der Dreierkette verteidigen. Rechts wird Linus Gechter spielen, der erst 17 ist und in seinem dritten Bundesligaspiel erstmals in der Startelf stehen wird. Und in der Mitte soll Niklas Stark, 26, den Laden irgendwie zusammenhalten. „Wie ein Papa-Bär“, sagt Pal Dardai.
Startelfdebüt für den 17 Jahre alten Linus Gechter
Sein Sohn Marton hat seine Eignung für höhere Aufgaben längst nachgewiesen; er war bereits in der vergangenen Saison im Abstiegskampf eine feste Größe. Und auch bei Gechter muss man sich nach den bisherigen Eindrücken offenbar keine übermäßigen Sorgen machen. Trainer Dardai lobt seine Körpersprache und seinen Charakter. „Er zeigt: Ich will verteidigen“, sagt er. „Und wenn er einen Fehler macht, versteckt er sich nicht.“
Dass die Dreierkette der Berliner in Leipzig jung und halbwegs unerfahren sein wird, bereitet den Verantwortlichen bei Hertha BSC keine übermäßigen Sorgen. „Ich bin überhaupt nicht unruhig. Ich schlafe sehr gut”, sagt Trainer Dardai. Problematisch würde es nur, wenn sich ein weiterer Verteidiger verletzen sollte. Dardai hat daher in dieser Woche Christalino Atemona, 19, und Cimo Röcker, 27, im Training vorspielen lassen. Beide gehören zum Kader von Herthas Regionalligateam, und beide sind bisher noch ohne Einsatz in der Bundesliga. „Einen müssen wir bestimmt mitnehmen“, sagt Herthas Trainer. „Wir müssen improvisieren.“
Für den Worst Case hat er auch schon die Variante ins Spiel gebracht, dass Lucas Tousart, eigentlich defensiver Mittelfeldspieler, eine Reihe nach hinten rücken könnte. „Lucas ist vorbereitet“, erzählt Dardai. „Er hat die Schnelligkeit, die Zweikampfführung, die Passschärfe.“ Der Franzose würde vermutlich die Position von Niklas Stark als zentraler Mann der Dreierkette übernehmen und eine moderne Variante des guten alten Liberos geben.
Dardai will an der Fünferkette festhalten
„Wir wünschen uns keine weiteren Verletzten, das ist klar, aber selbst wenn das passieren sollte, werden wir immer wieder Lösungen haben“, sagt Sportdirektor Friedrich, „Wir haben eine tolle Jugendabteilung, die immer wieder gute Spieler hervorbringt. Wenn sie zum Einsatz kommen, sind sie bereit.“ Linus Gechter zum Beispiel, der es bisher hervorragend gemacht habe.
Möglich wäre auch eine Abkehr von der Dreier- respektive Fünferkette. Für die Viererkette werden schließlich nur zwei Innenverteidiger benötigt, nicht drei. Aber das würde nur im absoluten Notfall passieren. „Die Jungs fühlen sich besser und sicherer mit der Fünferkette“, sagt Pal Dardai.
Die Systemumstellung nach dem dritten Spieltag und der dritten Niederlage der Saison hat den gewünschten Effekt gebracht. Defensiv habe es bei den jüngsten beiden Siegen gegen Bochum und Fürth „sehr gut ausgesehen“, sagt Dardai. „Es gab keine großen Chaosmomente.“ Deswegen bringe es auch nichts, immer wieder zu variieren und zwischen den Systemen hin- und herzuwechseln, findet Dardai: „Denn mit der Viererkette haben wir eine Menge Tore bekommen.“