Originalkunst oder Kryprowährung
Elon Musk hat kürzlich seine Brandenburger Tesla-Factory als „gigantischen Geldverbrennungsofen“ bezeichnet. Wahrscheinlich hat der Milliardär im Krach um die gescheiterte Übernahme von Twitter noch mehr Kohle versenkt – das ist ohnehin das Geschäftsmodell dieser Unternehmer, die sich wie Götter aufführen. Geld wird erschaffen, Geld wird verballert, die Welt schaut zu. Es hat auf jeden Fall den höchsten Unterhaltungswert.
Auf diesem Markt der irren, wirren Eitelkeiten wird mit Erwartungen gespielt und auch mit der Lust des Publikums, einer genialen und am Ende sich vielleicht doch auszahlenden Täuschung aufzusitzen. 2017, zur Zeit der Biennale, hat Damien Hirst, der Elon Musk des Kunstbetriebs, in Venedig an zwei prominenten Orten „Treasures from the Wreck of the Unbelievable“ präsentiert. Statuen, Münzen, Schmuck aus einem vor Sansibar entdeckten Schiff, das vor 2000 Jahren gesunken sein soll. Ein Fake, ein Monsterscherz, unterstützt vom französischen Kunstsammler und Milliardär Francois Pinault.
Hirst und das Geld: Der 57-jährige Künstler hat nun das spektakuläre Finale einer Aktion angekündigt, die seit 2016 läuft und sich „The Currency“ nennt, die Währung. Ab dem 9. September will er in seiner Galerie in London täglich eines seiner Bilder verbrennen. Und zusehen, was das macht mit dem Markt.
Die Käufer ziehen die digitalen Artefakte vor
Der Künstler als Spekulant. 10 000 gepunktete Bilder hat Hirst für je 2000 Dollar verkauft. Keines gleicht dem anderen, aber sie sehen einander zum Verwechseln ähnlich. Von diesen bunten Wimmelbildern gibt es jeweils ein nicht kopierbares NFT auf einer Blockchain. Kunst als Kryptowährung, Kryptowährung als Kunst. Hier kommt Hirsts Dreh: Er stellte die Käufer vor die Wahl, ob sie das Bild in digitaler Form oder physisch behalten wollen. Die Hälfte votierte für das NFT – und deren materielle Pendants sollen den Flammen übergeben werden.
Das muss man nicht gleich verstehen. Und es stellen sich tatsächlich viele Fragen. Wenn so ein Bild in Flammen aufgeht, existiert es also virtuell weiter und könnte, wenn die Sicherung geknackt würde, theoretisch auch wieder physisch hergestellt werden, so oft und so viel man wollte. Und wie hat Damien Hirst diese Kunstwerke in so hoher Stückzahl anfangs überhaupt produziert, wenn nicht mit dem Computer? Kryptowährungen haben stark an Wert verloren, und das betrifft auch die Hirst-NFTs.
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Das kann sich wieder ändern, aber momentan erzielt ein gepunkteter Hirst physisch um die 20 000 Dollar. Mit den rituellen Verbrennungen, die sich bis Oktober zur Eröffnung der Londoner „Frieze“-Kunstmesse hinziehen sollen, dürfte es einige Währungsschwankungen geben.
Es geht hier um ein soziales Kunstwerk. Hirst stellt das Konzept des Besitzes in Frage, macht sich darüber lustig. Der Fake wird transparent gemacht. Man denkt an Banksy und das Bild, das sich während einer Auktion selbst zerstörte. Es gibt aber sehr viele und sehr unterschiedliche Formen der Entwertung von Kunst. Das teuerste Bild aller Zeiten, ein so genannter Leonardo, der „Salvator mundi“, wurde 2017 bei Christie’s für 450 Millionen Dollar verkauft. Die Echtheit ist nicht geklärt, abgesehen von der seltsamen Hässlichkeit der Christus-Darstellung.
Die Documenta in Kassel bietet ebenfalls Anschauungsunterricht. Unumstritten war sie nie, die Kontroverse steckt in ihrer Geschichte. Diesmal aber haben die Kuratoren die Politisierung so weit getrieben, dass es der Kunst schlecht bekommt. Propaganda und Aktivismus ist dabei die Währung.