Niemand kassiert weniger Tore in der Bundesliga: Frederik Rönnow ist Unions Ruhepol
Frederik Rönnow ist es gewohnt, dass er nicht im Rampenlicht steht und dem ruhigen Dänen ist das auch ganz recht. Nach dem knappen 1:0-Auswärtssieg beim VfB Stuttgart am Sonntag war das erste Bundesligator von Paul Jaeckel das große Thema, drei Tage zuvor beim wichtigen Erfolg in Malmö rückte das Sportliche angesichts der Zuschauerausschreitungen komplett in den Hintergrund.
Dass der 1. FC Union beide Spiele ohne die hervorragenden Paraden von Rönnow nicht gewonnen hätte, war allenfalls eine Randnotiz. Dabei hätte insbesondere seine Parade gegen Stuttgarts Dan-Axel Zagadou allerlei Lobeshymnen verdient gehabt. Mit einem katzenartigen Reflex sprang Rönnow Richtung Pfosten und kratzte den Ball mit der linken Pranke gerade noch von der Linie. Es wäre nach einer guten halben Stunde das 0:1 gewesen – und in einem zähen Spiel vielleicht die entscheidende Initialzündung für den verunsicherten VfB.
Doch Rönnow hielt die Null, bereits zum dritten Mal in neun Bundesligaspielen, und Union baute die Tabellenführung sogar aus. Wenn man über den Berliner Erfolg spricht, fallen oft die Namen Sheraldo Becker, Jordan Siebatcheu Pefok, Rani Khedira oder Robin Knoche – stellvertretend für die unheimlich stabile Dreierkette. Rönnow fliegt meist etwas unter dem Radar, hat seinen Status als Nummer eins bei den Berlinern aber mittlerweile felsenfest untermauert.
In der vergangenen Saison stand Rönnow als Neuzugang noch klar im Schatten von Andreas Luthe. Nach einer Katastrophensaison beim FC Schalke 04 saß er bei Union bis April fast durchgängig auf der Bank und kam fast nur in den Pokalwettbewerben zum Einsatz. Als er Luthe dann endlich aus dem Tor verdrängt hatte, verletzte er sich.
Typisch Rönnow, könnte man meinen. Denn seit seinem Wechsel nach Deutschland vor vier Jahren schien der Däne nahezu vom Pech verfolgt zu sein. Wann immer er richtig in Schwung kam, verletzte er sich, oder es kam ein neuer Trainer, oder sein Verein setzte ihm einen prominenten Konkurrenten vor die Nase wie in Frankfurt Kevin Trapp.
Doch diese schwierigen Zeiten sind mittlerweile nur noch Erinnerungen und mit jedem erfolgreichen Spiel verblassen sie. Und erfolgreiche Spiele erlebt der 30 Jahre alte Keeper in beeindruckender Regelmäßigkeit. 25 Mal stand Rönnow bisher zwischen den Berliner Pfosten und kassierte dabei nur 19 Gegentreffer. Die Bilanz von 16 Siegen, fünf Unentschieden und vier Niederlagen ist herausragend.
Dass Rönnow dennoch eher ein Schattendasein fristet, hat auch mit Unions Spielweise zu tun. Während sich Torhüter anderer Mannschaften zigfach pro Spiel auszeichnen können – etwa Gladbachs Yann Sommer vor einigen Wochen gegen den FC Bayern –, lassen die Berliner kaum Chancen zu.
Auch wenn es auf den ersten Blick paradox klingt, ist es für einen Torwart wahrscheinlich schwieriger, in einer so defensivstarken Mannschaft wie Union zu spielen als in einer mit vielen gegnerischen Torschüssen. Rönnow muss über die gesamten 90 Minuten wachsam bleiben, auch wenn er meist mehr im Spielaufbau gefragt ist als beim Verhindern von Chancen. Diese Herausforderung meistert er in dieser Saison bravourös.
Der 1,88 Meter Torwart aus Horsens strahlt eine enorme Ruhe aus und diese hilft auch seinen Mitspielern, die wissen, dass sie sich auf Rönnow verlassen können. Schon am Donnerstag in Malmö rettete er Union zwei Mal vor dem Rückstand. Erst mit einer unorthodoxen, aber höchst effektiven Volleyball-Abwehr, dann im Eins-gegen-eins mit guten Nerven. Wenn Trainer Urs Fischer sagt, dass man „bei den Chancen vielleicht auch ein wenig Match-Glück braucht“, schließt das auch die gute Torhüterleistung mit ein.
Viel Zeit, um sich über die starken Leistungen der vergangenen Wochen zu freuen, hat Rönnow aber nicht. Am Donnerstag (21 Uhr, RTL+) steht im Stadion An der Alten Försterei das Rückspiel gegen Malmö auf dem Programm und mit einem Sieg hätte Union das Überwintern im Europapokal sicher, mindestens in der Conference League.
Schon am Sonntag ist dann Borussia Dortmund in Berlin zu Gast, und in diesem Rhythmus geht es bis Mitte November weiter. Dann steht für Union eine lange Winterpause an, für Frederik Rönnow mit ziemlicher Sicherheit nicht. Als Ersatztorwart der dänischen Nationalmannschaft fährt er zur WM nach Katar.
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