NHL knickt bei Trikot-Entscheidung ein: Der Streit um den Regenbogen im Eishockey

Es ist ein großer Rückschritt: Profis der Nordamerikanischen Eishockey-Liga (NHL) sollen sich zukünftig nicht mehr in Regenbogen-Trikots aufwärmen. Das gab die Liga am vergangenen Wochenende bekannt, nachdem einige Spieler sich geweigert hatten, die Trikots zu tragen.

Eigentlich wollten die Klubs anlässlich des Pride Monats im Juni bei den Spielen mehrere Pride Nights feiern, um ein Zeichen für Vielfalt und Gleichberechtigung zu setzen. Doch Spieler wie Ilja Ljubuschkin (Buffalo Sabres), Iwan Proworow (Blue Jackets) und James Reimer (San Jose Sharks) lehnten es ab, das Vereinslogo in den Regenbogenfarben zu tragen. Daraufhin entbrannte eine hitzige Debatte, bei der die Liga schließlich einknickte.

Die Regenbogen-Trikots seien längst zu einer Ablenkung geworden, begründete NHL-Commissioner Gary Bettman die Entscheidung gegenüber „Sportsnet“. Dabei bezog er sich auf die Kontroversen innerhalb der Klubs, die unterschiedlich mit den betreffenden Spielern umgingen. Einige setzten sie auf die Bank, andere untersagten die Trikots sogar für das gesamte Team.

„Es lenkt von der Tatsache ab, dass alle unsere Klubs Abende zu Ehren verschiedener Gruppen oder Anlässe veranstalten, und wir möchten, dass sie weiterhin die angemessene Aufmerksamkeit erhalten, die sie verdienen.“ In der Liga werden in regelmäßigen Abständen Themenabende wie die Pride Night, die Black History Night und die Military Appreciation Night veranstaltet.

Viel Kritik von Seiten der LGBTIQ*-Community

Die Kritik, dass die Entscheidung ausgerechnet in den Pride-Monat falle und viele Spieler immer noch Probleme hätten, sich in ihrer eigenen Haut wohlzufühlen, bezeichnete Bettman als „berechtigte Sorgen“. Immerhin würden die geplanten Pride-Nights weiterhin stattfinden und Spieler könnten die Trikots tragen – wenn auch nicht „auf dem Eis“.

Für die Entscheidung der Liga gab es vonseiten der LGBTIQ*-Community viel Kritik. Die Organisation „You Can Play“, die sich für die Belange queerer Sportler*innen einsetzt, schrieb: „Wir sind besorgt und enttäuscht über diese Entscheidung. Die über 95 Prozent der Spieler, die sich entschieden haben, ein Pride-Trikot zu tragen, um die Gemeinschaft zu unterstützen, nun keine Gelegenheit mehr haben, dies zu tun.“

 Luke Prokop machte als erster NHL-Profi seine Homosexualität öffentlich.
Luke Prokop machte als erster NHL-Profi seine Homosexualität öffentlich.
© IMAGO/ZUMA Press

Die Debatte um Regenbogenfarben ist im Eishockey keineswegs neu. Zu Beginn des Jahres verweigerte der russische Spieler Iwan Proworow das Aufwärmen, weil er dabei Trikot und Schläger in Regenbogen-Optik tragen sollte. Er verwies auf religiöse Hintergründe. In seinem Heimatland stehen queere Rechte spätestens seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine massiv unter Beschuss.

Die Eisbären Berlin sind im Bündnis gegen Homophobie

Kurz darauf strichen die New York Rangers die Regenbogen-Trikots aus dem Programm der Pride-Nights. Ähnlich verfuhren Klubs wie die Minnesota Wild und die Chicago Blackhawks. Einige Spieler brachten diesbezüglich ihr Bedauern zum Ausdruck und hoben die Symbolik des Trikots hervor. Matthew Tkachuk, der seit 2022 bei den Florida Panthers unter Vertrag steht, sagte gegenüber „Outsports“: „Für mich persönlich ist es natürlich schön, da draußen zu sein und die Trikots zu tragen.“

Besonders deutliche Worte fand zuletzt das kanadische Juniorenteam Oshawa Generals. „Wir versprechen, die Pride-Trikots für die Saison 2023/24 noch größer und besser zu machen als bisher“, schrieb es auf Twitter. Für Inklusion und die eigene Community einzustehen, sei das wichtig.

Anna-Maria Nickisch, Kapitänin der Eisbären Juniors in der Eishockey-Bundesliga, sagt: „Es ist wichtig, dass bestimmte Organisationen wie die NHL ein Zeichen setzen. Es ist aber schade, diese Entscheidung jetzt komplett zu kippen, nur weil sich einzelne Spieler dagegen entscheiden. Zumal ungefähr 95 Prozent der Liga das Trikot unterstützen bzw. kein Problem damit haben und nur 5 Prozent querschlagen.“

Auch in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) sind die Regenbogenfarben immer wieder Thema. Zu Beginn des Pride-Monats postete die DEL ein Foto von Spieler Moritz Müller im Regenbogen-Trikot und schrieb dazu: „Wir stehen für Vielfalt! Immer! Jeden Tag!“ Sein Bundesliga-Verein, die Kölner Haie, liefen am Diversity Tag 2022 ebenfalls in den Farben der Pride-Flagge auf.

Auch die Eisbären Berlin sind seit 2016 Mitglied im Bündnis gegen Homophobie. Sie waren der erste deutsche Bundesligist, der beim Aufwärmen entsprechende Trikots trug. Bei einem Spiel gegen Krefeld zierte zudem ein Regenbogen-Logo die Helme der Spieler und die Fans organisierten eine Choreografie unter dem Motto „Love is Love“. In den vergangenen Jahren nahmen diese Solidaritätsbekundungen allerdings ab.

Die Liga selbst nahm an den Sport Prides der vergangenen Jahre teil, um queere Athlet*innen zu unterstützen. Prominente Gesichter wie Profischiedsrichter André Schrader und Nationalspieler Korbinian Holzer bekundeten Solidarität. Überdies kooperiert die DEL mit dem Verein „Hockey is Diversity“ und hat in diesem Zusammenhang die beiden Ombudspersonen Miriam Thimm und Denis Kyei-Nimako berufen, die bei diskriminierenden Vorfällen rund um Spiele als Vermittler*innen agieren sollen.

„Bei den Frauen wird sehr viel offener mit Homosexualität umgegangen. Bei den Männern hingegen wird nach außen ein harter Sport suggeriert, deshalb ist die Angst vor Anfeindungen ungleich größer“, sagte Thimm gegenüber dem Tagesspiegel. So gibt es im Profibereich der Männer bislang keinen offen queeren Sportler bis auf Luke Prokop.

Als erster NHL-Spieler hatte der damals 19-Jährige vor zwei Jahren seine Homosexualität öffentlich gemacht. Ob das Thema künftig enttabuisiert wird und weitere Profis diesen Schritt gehen, ist angesichts der derzeitigen Entwicklungen in der NHL jedoch überaus fragwürdig.

„In unserer Liga hat Ingolstadt mal Warm-up-Trikots zum Aufwärmen getragen. Das sah nice aus. Ich würde das auch tragen“, sagt Anna-Maria Nickisch von den Eisbärinnen. „Allgemein würde ich aber sagen, dass Homosexualität und Bisexualit bei Frauen im Mannschaftssport gar kein Thema mehr sind. Es gibt viel mehr Akzeptanz. Bei den Männern hingegen ist es ein großes Tabu.“