Neues Album von Florence + the Machine: „Everybody Scream“ ist ein düsterer Aufruf zum Hexentanz
Juni 2022, Flughafen Tempelhof: das erste große Berliner Pop-Festival seit Beginn der Corona-Pandemie. Die Menschen vor den Bühnen tanzen und jubeln dicht beieinander, niemand trägt an diesem warmen Tag eine Maske. Das Glück ist perfekt als am Abend der Hauptact Florence + the Machine spielt und mit seinem bombastischen Überwältigungssound alle finsteren Erinnerungen kurz vertreibt.
Sängerin Florence Welch trägt ein weißes Kleid, keine Schuhe, kein Make-up und hat eine unglaubliche Bühnenpräsenz. Die Fans machen alles, was sie sagt, wozu auch intensives Springen gehört – angeblich löst das sogar ein kleines Erdbeben aus, was sich dann aber eher als Medienerfindung entpuppte.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
Auf „Everybody Scream“ packt Florence Welch noch mehr Düsternis in ihren Markenzeichen-Sound, lässt mythische Elemente einfließen, spielt mit Mittelalterbezügen. Sie selbst nennt das Doom Folk. Es ist kein Zufall, dass die Platte, an der unter anderem Mitski, Mark Bowen von Idles und Aaron Dessner von The National mitwirkten, an Halloween erscheint. So lädt die Sängerin zusammen mit einem weiblichen Chor zum „Witch Dance“, der mit einer spannungsgeladenen wogenden Dramaturgie in den Bann zieht und entfacht im Finale von „Sympathy Magic“ einen wild lodernden Synthie-Scheiterhaufen.
Zum Aufatmen gibt es anschließend zwei folkige Midtempo-Stücke, doch es dominiert der Dramamodus. Was daran liegt, dass Welch, die früher schon persönliche Themen wie Alkoholsucht und Essstörungen in ihre Songs einbrachte, diesmal die Erfahrung einer lebensbedrohlichen Situation nach einer Eileiterschwangerschaft verarbeitet. Innere Blutungen in Folge der Fehlgeburt hätten sie fast umgebracht.
Körperlicher, aber auch seelischer Schmerz sind sehr präsent in den zwölf Stücken, die jedoch mit einem Hoffnungsschimmer enden: „And Love“ ist eine zarte Klavier-Harfen-Mediation, die um die Zeile „Peace is coming“ kreist. Es klingt fast wie ein Gebet – der Hexentanz scheint gewirkt zu haben.