Nach Arbeitssieg wartet viel Arbeit auf Hertha BSC

Nach dem Spiel beim VfL Bochum gab es einen kurzen Dialog zwischen Trainer Pal Dardai und Lukas Klünter. Der Abwehrspieler von Hertha BSC war mit einer schmerzhaften Schulterverletzung früh ausgewechselt worden, muss eventuell operiert werden. Dardai sagte im Scherz, er müsse sich erst einmal erkundigen, ob es trotz der kurzen Einsatzzeit die Siegprämie gäbe. Auch Klünters Antwort teilte der Trainer am Montag mit: „Scheißegal, Hauptsache wir haben gewonnen.“

Hauptsache gewonnen, diese Meinung dürften viele rund um Hertha BSC nach dem 3:1 in der Fußball-Bundesliga geteilt haben. Endlich sind sie da, die ersten Punkte. Nach einem Spiel, das vor allem die Gastgeber ratlos zurückgelassen hatte. Dort herrschte allenthalben Fassungslosigkeit, wie eine solche Partie – mit 67 Prozent Ballbesitz und einem Torschussverhältnis von 18:5 – verloren werden konnte.

Pal Dardai hatte den Abend nach der Rückkehr nach Berlin mit einem Glas Wein und einer Mini-Zigarre abgeschlossen. Dann war er schnell ins Bett gegangen, schließlich begann am Montag die ganze normale Woche. Herthas Trainer sah die Dinge etwas anders als die Bochumer. Natürlich sei der Gegner überlegen gewesen. „Aber es gab keine großen Torchancen.“ Die vielen Flanken gegen die kopfballstarken Abwehrspieler seien zudem „eine mutige Entscheidung“ gewesen. „Ein großes Lob an die defensive Kette. Die Spieler haben alles weggeköpft, sich reingeschmissen und leidenschaftlich gekämpft.“

[Mehr guten Sport aus lokaler Sicht finden Sie – wie auch Politik und Kultur – in unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Hier kostenlos zu bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Dardai fand, es hätte auch 3:0 ausgehen können: „Beim Gegentor haben wir es selbst verbockt außen.“ Generell bilanzierte der Coach: „So wie Bochum gespielt hat, war es eine Einladung für uns. Jeder prallende Ball ist ein Konter. Aus meiner Sicht hätten wir in der ersten Halbzeit noch mehr kontern müssen.“ Überrascht hat ihn der Sieg nicht: „Wir haben unsere Qualitäten.“

Dardais defensiver Ansatz funktionierte

Die Berliner profitierten auf jeden Fall davon, dass der VfL zwar äußerst engagiert, aber in Sachen Kreativität im Angriffsspiel eben ziemlich limitiert agierte. Und daher die vor allem zu Anfang spürbare Verunsicherung bei Hertha nach drei Niederlagen in Serie nicht nutzen konnte. So ging Dardais neue, sehr defensive Ausrichtung mit einer Dreier- beziehungsweise Fünferkette und dem Lauern auf Kontersituationen gut auf.

Durch den Sieg ist Hertha nicht mehr Tabellenletzter. Das ist schon einmal hilfreich für die kommenden Wochen, aber fast noch bedeutsamer ist der psychologische Aspekt: Das Spiel in Bochum war ein Charaktertest. Noch ohne Punkt, in heißer Atmosphäre, von Beginn an unter Druck – so etwas kann gegen jeden Gegner böse schiefgehen.

Hertha bestand den Charaktertest. Weil sich die Spieler reinbissen. Nur ein Beispiel war die Balleroberung von Stark vor dem Führungstreffer. Vor dem gegnerischen Tor machten die Berliner – begünstigt durch grobe Nachlässigkeiten der Gastgeber – aus sehr wenig ganz viel. Auch wegen der individuellen Klasse von Doppeltorschütze Suat Serdar, die er in den ersten Spielen kaum gezeigt hatte, oder Neuzugang Myziane Maolida, der das Spiel mit seinem Sololauf entschied.

In Sachen Effizienz ließ Hertha im Ruhrstadion keine Wünsche offen. Ein Sieg ist in der jetzigen Situation wichtiger als alles andere. Ungeachtet dessen fand ein geordnetes Offensivspiel lange Zeit nicht statt. Stürmer Ishak Belfodil etwa hatte in den ersten gut 15 Minuten überhaupt keine Ballberührung.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können]

Letztlich haben sich die Berliner, die auf dem Rasen insgesamt fünf Kilometer mehr zurücklegten als der Gegner, den Sieg in erster Linie erkämpft. „Alle haben gearbeitet. Dieser Sieg riecht nach Arbeit. So entwickelt sich Teamgeist. Für einen Trainer ist das fantastisch“, sagte Dardai. Als Mannschaft auf dem Platz stehen, das hat hervorragend geklappt. Hinten gut agieren, das hat mit kleinen Abstrichen gut geklappt. Dies waren zwei Dinge, auf die Dardai in der Länderspielpause viel Wert gelegt hatte.

Am Freitag wartet der nächste Aufsteiger

Trotzdem liegt natürlich viel Arbeit vor ihm und dem Team. „Wenn wir den Ball erobern, müssen wir ihn länger halten“, nannte Abwehrspieler Stark eine Baustelle. Schon am Freitag geht es weiter, dann im Olympiastadion gegen den zweiten Aufsteiger Greuther Fürth, an den Hertha am Sonntagabend Tabellenplatz 18 übergeben hat.

Eine deutlich offensivere Spielweise gegen die, zusammen mit Hertha, schwächste Abwehr der Liga (elf Gegentreffer) schließt Dardai weitgehend aus. „Keiner soll erwarten, dass wir jetzt von null auf hundert gehen.“ Ein weiterer Arbeitssieg würde dem Trainer vollkommen reichen. Er ist zuversichtlich: „Wenn wir die Mentalität behalten, kommt der Sieg automatisch.“

Allerdings wird es personell schwierig. Jordan Torunarigha fällt wegen einer Oberschenkelverletzung mehrere Wochen aus, wie der Verein mitteilte. Sollte Marton Dardai nicht wieder fit sein, wird es in der Innenverteidigung eng. Zur Not könne Lucas Tousart auf dieser Position spielen, kündigte Dardai an.