Musical-Uraufführung an der Universität der Künste: Junge Liebe rastet nicht

Was für eine Power! Was für ein Drama! Was für Gefühlsaufwallungen! Zehn junge Frauen fetzen im Uni.t, dem Theater der Universität der Künste an der Fasanenstraße, über die Bühne, angetrieben vom größten aller Gefühle: der Liebe. Eine kollektive „Sie“ verzehrt sich dabei nach „Ihm“: Tobi, das Aas, ist gerade bei seinen Eltern, zuhause, irgendwo auf dem Land. Weil er entschieden hat, dass ihre Beziehung mal eine Pause bräuchte.

Was gab ihm das Recht dazu? Und warum ist die Zeit ohne ihn so schwer auszuhalten, obwohl es sich vorher auch für „Sie“ schon nicht mehr richtig angefühlte? Die literarische Vorlage für „21:53 – zu früh, um schlafen zu gehen, zu spät, um wen anzurufen“ stammt von Elisabeth Pape, UdK-Professor Mathias Noack hat zusammen mit den aktuellen Viertsemestern des Musical-Studiengangs eine rasante Revue daraus gemacht. Eine hinreißende, wirklich witzige Herzschmerz-Hitparade, die sich bei der Premiere am Freitag zum kleinen Bühnenwunder auswächst.   

Zwischen Pippi Langstrumpf und Superwoman

Mehr als ihre eigenen Begabungen und minimale szenische Mittel benötigen die Protagonistinnen dafür nicht: Die Bühnenbild-Studentinnen Jeanot Kempf und Soli Jang steuern ein Podest in Herzform und ein paar Sperrholz-Elemente bei, die sich zur Hochzeitstorte schichten lassen, Kostümdesignerin Lara Duymus macht mit transparenten Babydoll-Hängerchen und neonfarbenen Glanz-Leggings klar, in welchem Stadium des Erwachsenwerdens „Sie“ sich befindet: zwischen spätpubertierender Pippi Langstrumpf und Superwoman nämlich.

Damian Omansen, der musikalische Leiter, sitzt selbst am Flügel, trägt mit beherztem Griff in die Tasten die jungen Allrounderinnen durch Musical-Nummern von „My Fair Lady“ bis Hamilton“ und von „Ku’damm 56“ bis „Shrek“. Cyndi Laupers „Girls just wanna have fun“ ist ebenso dabei wie Kens Lied aus dem „Barbie“-Film. Für einen berührenden Moment des Innehaltens in diesem wild wirbelnden Melodie-Trubel sorgt Olivia Goga mit einem selbstkomponierten Song.  

Es geht um Selbstzweifel und -optimierung an diesem lebensnahen Abend, um Einsamkeit und Freiheitsdrang, um Dating-Apps und Tiktok-Content, kurz, um alles, was junge Menschen emotional umtreibt. Und gleichzeitig ums Musical-Handwerk, um diese höchst anspruchsvolle Kombination aus Tanzen, Singen, Schauspielern, die live ganz mühelos wirken soll, um Gruppenchoreografien, rhythmisches Sprechen im Chor, Bühnenpräsenz, Spannungsdramaturgie – und um den Flirt mit dem Publikum.

Sämtliche Beteiligten glänzen da jeweils auf ihre eigene, ganz individuelle Weise, gemeinsam wird eine herzerwärmende Hommage an die Liebe daraus. Was für ein Kontrast zur „Ku’damm 59“-Show, die nur zwei Blocks entfernt läuft, seit einer Woche, im Theater des Westens. Was man dort am meisten vermisst – Leichtigkeit und Selbstironie -, hier wird’s Ereignis.