Klare Worte beim ersten öffentlichen Auftritt in Katar: DFB-Chef Neuendorf kritisiert Fifa-Boss Infantino

Das erste Wort gebührte dem Präsidenten. Bernd Neuendorf, seit Anfang des Jahres an der Spitze des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), hatte die Bühne am Freitagmittag für sich alleine. Und man konnte das durchaus als Zeichen werten.

Bei dieser Fußball-Weltmeisterschaft in Katar geht es eben nicht nur um falsche Neuner und abkippende Sechser. Bei dieser WM geht es auch um andere, um größere Themen.

Dass der DFB-Präsident sich bei einem Turnier zu Wort meldet, ist nicht neu. Dass er es gleich zu Beginn tut, das hat es in der Vergangenheit auch schon gegeben. Aber vor vier Jahren in Watutinki vor den Toren Moskaus saßen Reinhard Grindel, einer von Neuendorfs Vorgängern, und Joachim Löw, der Bundestrainer, gemeinsam auf dem Podium.

Neuendorf will sich den Mund nicht verbieten lassen

Sport und Politik waren gewissermaßen gleichberechtigt. Das ist bei diesem Turnier anders. Zumindest jetzt noch, da der erste Ball noch nicht gespielt ist. Noch gilt das Primat der Politik.

Am Sonntag (17 Uhr) eröffnen Gastgeber Katar und Ecuador das vermutlich politisch umstrittenste Turnier der Fußballgeschichte. Drei Tage später (Mittwoch, 14 Uhr) folgt dann auch die deutsche Mannschaft, die zum Auftakt auf Japan trifft.

Seit Donnerstag ist der DFB-Tross im Land. Aus Oman kommend, haben die Deutschen ihr Basisquartier im Norden des Landes bezogen in einem luxuriösen Wellness-Resort, das fernab der trubeligen Hauptstadt Doha liegt und nur von Sand und Meer umgeben ist.

„Wir sind eine Mannschaft, die versucht, ein ruhiges Ambiente zu finden, geschlossen für sich, wo man sich frei und ruhig bewegen kann“, sagt Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff. All das bietet das Zulal Wellness Resort, inklusive ausreichender Begegnungsmöglichkeiten im Freien.

Wenn Gianni Infantino den Trainingsanzug anzieht, will er sich am liebsten nur noch zu sportlichen Themen äußern.
Wenn Gianni Infantino den Trainingsanzug anzieht, will er sich am liebsten nur noch zu sportlichen Themen äußern.
© Foto: IMAGO/Pro Shots

Die Bedingungen sind nicht nur für die deutsche Mannschaft glänzend. Doch um welchen Preis? Dass es hinter der funkelnden Fassade ganz anders aussieht, ist in den vergangenen Tagen und Wochen umfassend thematisiert worden.

Und auch beim Auftritt von Bernd Neuendorf geht es natürlich vor allem um die Zustände im Land Katar und um die Verfasstheit des Fußball-Weltverbandes Fifa.

Dabei hat Gianni Infantino, der Präsident der Fifa, sich das ausdrücklich anders gewünscht. Volle Konzentration auf den Fußball hat er für die Zeit des Turniers gefordert. In einem Brief mahnte er die 32 WM-Teilnehmer: „Lassen Sie bitte nicht zu, dass der Fußball in jeden ideologischen oder politischen Kampf hineingezogen wird, den es gibt.“

Beim Deutschen Fußball-Bund und dessen Präsidenten ist diese Bitte nicht besonders gut angekommen. Das hat Neuendorf bei seinem Auftritt im deutschen WM-Quartier am Freitag noch einmal deutlich zum Ausdruck gebracht. Infantinos Brief „hat uns einigermaßen irritiert und auch verstört“, sagte er.

Ich persönlich wäre durchaus bereit, auch eine Geldstrafe in Kauf zu nehmen.

DFB-Präsident Neuendorf für den Fall, dass die Fifa die One-Love-Kapitänsbinde verbietet

Noch vor der Abreise in den Nahen Osten hatte das DFB-Präsidium in dieser Woche beschlossen, die Wiederwahl des amtierenden Präsidenten beim Fifa-Kongress im März in Kigali nicht zu unterstützen und zugleich bei der Fifa ein deutlicheres Bekenntnis für die Menschenrechte sowie ein größeres Engagement in humanitären Fragen angemahnt.

„Ich glaube, da mussten wir jetzt dieses Zeichen setzen“, sagte Neuendorf. Folgen wird das für Infantino nicht haben. Er ist von sämtlichen Kontinentalverbänden mit Ausnahme der Uefa für die Wiederwahl nominiert worden. Sein Erfolg gilt als so gut wie sicher.

Neuendorf kritisierte nicht nur Infantinos Brief, sondern auch andere Entscheidungen der Fifa. Zum Beispiel, dass es der dänischen Mannschaft verboten ist, bei ihren Trainingseinheiten in Katar Shirts mit der Aufschrift „Human Rights for all“, also Menschenrechte für alle, zu tragen. Dabei, so die Fifa, handle es sich um eine politische Äußerung.

„Das ist keine politische Äußerung im klassischen Sinne“, erklärte Neuendorf. „Hier geht’s um Menschenrechte, und Menschenrechte sind allgemeingültig und verbindlich auf der ganzen Welt.“

Hinter der Forderung „Menschenrechte für alle“, so der DFB-Präsident, „sollten wir uns alle versammeln können, auch die Fifa, die sich in ihren Statuten und ihren Grundsätzen diese Menschenrechte auf die Fahne geschrieben hat“.

Als Statement für Menschenrechte sieht Neuendorf auch die Kapitänsbinde mit der Aufschrift „One Love“, die Manuel Neuer bei der WM tragen soll. Ob die Fifa das zulässt, ist noch offen. Ob der DFB sich über ein mögliches Verbot durch den Weltverband hinwegsetzen würde, ebenfalls.

„Ich persönlich wäre durchaus bereit, auch eine Geldstrafe in Kauf zu nehmen“, erklärte Bernd Neuendorf, der zudem nicht ausschließen wollte, „dass es im Turnierverlauf noch die eine oder andere Aktion“ gebe. „Die Mannschaft hat in den vergangenen Monaten immer wieder Zeichen gesetzt.“

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