Kapitänin Alexandra Popp geht entschlossen voran
Alexandra Popp ist eine Erscheinung. Nicht erst seit ihren zwei Toren am Mittwochabend beim 2:1 im EM-Halbfinale gegen Frankreich, aber jetzt noch mehr als bisher schon. Die deutsche Kapitän strotzte in Milton Keynes vor Entschlossenheit und Durchsetzungskraft, so wie es sich für eine echte Anführerin gehört.
Popp kann den Unterschied ausmachen, wie sie bei diesem Turnier in England eindrucksvoll unter Beweis stellt. In fünf Spielen hat sie sechs Tore erzielt und damit so viele wie die Engländerin Bethany Mead. Damit gibt es neben dem Kampf um den EM-Titel im Finale am Sonntag auch das Duell der beiden Stürmerinnen um die Auszeichnung der Torschützenkönigin. „Das erste Ziel ist ganz klar, den Europameistertitel zu holen“, sagte Popp, die die beiden vergangenen EM-Turniere wegen Verletzungen verpasst hatte.
Dass Popp an dieser EM überhaupt teilnehmen kann, war im Vorfeld des Turniers alles andere als selbstverständlich. Die 31-Jährige verletzte sich im vergangenen Jahr schwer am Knie und kehrte nach einem weiteren Eingriff im Januar erst in zum Ende der Rückrunde zurück auf den Platz.
Dann fing sie sich in der EM-Vorbereitung auch noch das Coronavirus ein, doch erneut kämpfte sie sich zurück. Wie schon so oft in ihrer Karriere. Denn sie hatte das große Ziel vor Augen, wenigstens einmal eine Europameisterschaft zu spielen. Dass sie dann eine solche Leistung abliefern würde, hatten wohl die wenigsten erwartet.
Zumal sie zunächst nur Einwechselspielerin war und erst durch die Corona-Infektion von Lea Schüller im zweiten Spiel gegen Spanien in die Startelf rückte. Aus der ist sie jetzt nicht mehr wegzudenken.
Popp steckt mit ihrer Willensleistung das ganze Team an
Dass Popp wieder absolut fit ist, zeigte eine Situation gegen Frankreich 30 Minuten vor Schluss: Die Stürmerin legte den Ball am Sechzehner der Französinnen etwas zu ungenau auf Magull ab, wodurch Frankreich eine Kontergelegenheit bekam. Doch Popp sprintete zurück, blockte den anschließenden Schussversuch von Selma Bacha und atmete erst danach kurz durch. Eine absolute Willensleistung, mit der sie ihre Mitspielerinnen über das ganze Spiel ansteckte.
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Auf diese Art war Popp auch bei ihrem ersten Tor mit voller Wucht zur Stelle. „Ich habe gesehen, dass Svenja sich über die Seite durchgetankt hat und recht viel Raum hatte zum flanken“, erklärte Popp. „In den Raum bin ich dann eingelaufen bin und habe Gott sei Dank den Ball auch optimal getroffen.“ Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg hatte Svenja Huth gegen Frankreich auf der linken Außenbahn spielen lassen. Trotzdem kam ihre Flanke zum 1:0 dann aber über die ihr vertraute rechte Seite.
Dahinter steckte ein taktisches Konzept: Deutschland sollte vorne viel rotieren und dann mit Flanken über rechts vor allem die kopfballstarke französische Kapitänin Wendie Renard aus dem Spiel nehmen. „Wir wussten, dass Wendie, gerade wenn man über ihre Seite kommt, ein bisschen über dem ersten Pfosten steht und zwischen den Innenverteidigerinnen ein wenig Raum entsteht“, erzählte Popp im Anschluss. Diesen Raum nutzte die Torschützin und brachte Deutschland sehenswert in Führung.
Im Halbfinale verzichteten beide Teams auf ihr gewohntes Angriffspressing, wohl aus zu großem Respekt voreinander. Auch im Mittelfeld spielten Sara Däbritz, Lina Magull und Lena Oberdorf lieber den sicheren Pass, als zu viel Risiko einzugehen. Das deutsche Team schien die Französinnen, die sonst oft furios gestartet waren, im Griff zu haben. Umso bitterer, dass das Team von Cheftrainerin Corinne Diacre kurz vor der Pause mit der allerersten Chance im Spiel umgehend den Ausgleichstreffer erzielen konnte.
„Poppi ist einfach ein Biest da vorne drin“
Deutschland schien davon allerdings unbeeindruckt und war in der zweiten Halbzeit weiterhin das spielbestimmende Team. Mit einem kurzen Schwächephase, in der Frankreich mehrere Chancen zum 2:1 hatte. Doch wieder versetzte Popp den Hoffnungen der Französinnen einen herben Dämpfer und wieder war Huth die Vorlagengeberin von rechts. „Poppi hat überragend geköpft mal wieder, sie ist einfach ein Biest da vorne drin“, sagte Lena Oberdorf, die im defensiven Mittelfeld erneut stark spielte.
Am Ende verteidigte Deutschland leidenschaftlich, kämpfte als Einheit um jeden Ball . „Wie wir gerade auf dem Platz zusammenstehen, das macht mich unglaublich stolz, dass wir das als Mannschaft so geschafft haben“, sagte Popp ergriffen nach dem Spiel. „Ich bin schon seit zehn Jahren bei der Frauen-Nationalmannschaft dabei – und so einen Teamspirit, so ein Teamgefüge habe ich ganz ehrlich noch nie erlebt.“
Nun greift das deutsche Team nach dem neunten Titel bei einer EM, die Finalteilnahme ist die Belohnung für ein bis hierhin starkes Turnier. Auch Voss-Tecklenburg war hochzufrieden mit ihren Frauen und sprach nach dem Spiel von einem „völlig verdienten Sieg“. Am Sonntagabend gibt es dann das Traumfinale schlechthin in Wembley zwischen Gastgeber England und Deutschland.