Iran-Panel bei der Berlinale: Frau, Leben, Film
Die Schauspielerin Melika Foroutan bringt es als erste auf den Punkt. Es ist das eine, auf dem roten Teppich seine Solidarität kundzutun, und das andere, ungleich gefährlichere, im Iran selbst auf die Straße zu gehen. Gerade wir Iraner:innen in der Diaspora müssen den Unterschied deutlich und die Proteste der Menschen im Land sichtbar machen, betont die 46-Jährige, deren Familie nach der Revolution 1979 nach Deutschland geflohen war.
Auf dem Panel am Samstagmittag im Hebbel am Ufer diskutieren acht Filmschaffende aus dem Iran, Afghanistan und Kurdistan über den „Jin Jiyan Azadî“-Effekt im iranischen Film, über die Frage, wie sich die Kunst zur Protestbewegung unter dem Motto „Frau Leben Freiheit“ und zur dramatischen Realität der Widerstandsbewegungen im Nahen und Mittleren Osten verhält. Sie alle leben im Exil oder sind hier aufgewachsen, in Frankreich, in Deutschland. Die Filmemacherinnen Sepideh Farsi und Tamana Ayazi aus Afghanistan genauso wie die Schauspielerinnen Melika Foroutan, Zar Amir Ebrahimi, Jasmin Tabatabai, Zübeyde Bulut und Sara Fazila und der Produzent Farzad Pak, der einzige Mann in der Runde.
Berlinale-Chefin Mariette Rissenbeek erinnert bei dem gemeinsam mit der Initiative Háwar.help und dem HAU organisierten Panel eingangs daran, wie stark das iranische Filmschaffen schon immer auf der Berlinale vertreten war und wie häufig die Künstler nicht anreisen können. Nicht einmal, um Goldene Bären entgegenzunehmen.
Der in Hamburg lebende Produzent Pak, der Rasoulofs Todesstrafendrama „Doch das Böse gibt es nicht“ (Goldener Bär 2020) realisierte, registriert in der iranischen Filmszene eine Zeitenwende. Früher hätten sie sich mit dem Regime arrangiert, sich selber zensiert. Heute sei die Unreformierbarkeit des totalitären Systems offenkundig, und immer mehr Menschen wollten sich nicht mehr einschüchtern lassen. Lasst uns mit den offiziellen Narrativen brechen, sagt Sepideh Farsi, deren Golfkriegs-Animationsfilm „La Sirène“ das Panorama eröffnete.
Die Menschen lassen die Angst hinter sich, so Zar Amir Ebrahimi, die 2022 in Cannes den Darstellerinnenpreis für „Holy Spider“ gewann. Sie spielt eine iranische Journalistin, die im Prostituiertenmilieu einem Serienmörder auf der Spur ist. Viele aus der Crew könnten heute nicht mehr arbeiten. Der Mut gerade der jungen Generation im Land mache auch ihr im Exil Mut. Ein wechselseitiges Geben und Nehmen: Zur Unterstützung der Kolleg:innen im Land gehört auch finanzielle Förderung, sagt Ebrahimi. Damit die Filmschaffenden staatliche Gelder etwa aus dem Fonds der Revolutionsgarden verweigern können.
„Künstler versuchen, die Wahrheit zu sagen. Und sie lassen die Menschen träumen. Deshalb haben Diktaturen Angst vor ihnen“, sagt Jasmin Tabatabai. Filmschaffende sind keine Aktivisten, aber sie zeigen, was los ist in einer Gesellschaft: eine Gratwanderung. Eine manchmal notwendige: Tamana Ayazi hatte keine Wahl, erzählt sie. Sie musste einfach Filme drehen, um ihre Anliegen zum Ausdruck zu bringen. Bis auch sie vor den Taliban fliehen musste. Und die Kurdin Zübeyde Bulut verweist auf die Wechselwirkung zwischen Film und Leben. Sie spielte 2018 in „Girls Of The Sun“ eine kurdische Freiheitskämpferin. Deren Slogan „Frau Leben Freiheit“ wagte damals kaum jemand auszusprechen. Heute ist er in aller Munde.
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