In mir drin singt die Veränderung
Change we can believe in“ hieß 2008 der Wahlkampfslogan, mit dem Barack Obama US-Präsident wurde, und „Change“ war neben „Hope“ und „Progress“ eins der Wörter, die groß unter Postern mit gezeichneten Obama-Porträts standen.
Amanda Gorman, die Anfang des Jahres als gänzlich unbekannte, 22 Jahre junge Dichterin bei der Amtseinführung von Joe Biden und Kamala Harris auftrat und ihr Poem „The Hill We Climb“ performte, hat nun dieses politisch so gewichtige Signalwort aufgegriffen und damit ein Lied für Kinder leitmotivisch strukturiert.
„Change – eine Hymne für alle Kinder“ heißt denn auch das erste Kinderbuch, das Gorman jetzt zusammen mit dem Illustrator Loren Long veröffentlicht hat. (Hoffmann und Campe, Hamburg 2021. 32 S., 14 €. Ab 6 Jahre)
Es geht darum, Brücken zu bauen
Hatte der Verlag Hoffmann und Campe vor ein paar Monaten gleich drei Übersetzerinnen für die deutsche Ausgabe des gerade einmal 140 Zeilen langen Gedichts „The Hill We Climb“ engagiert – der Verlag wollte nach der identitätspolitischen Debatte über die Legitimität der Gorman-Übersetzung auf der sicheren, unangreifbaren Seite sein –, sind es dieses Mal abermals gleich zwei Übersetzerinnen für einige wenige Strophen: die Lyrikerin und kookbooks-Verlegerin Daniela Seel und die Soulmusikerin Joy Denalane.
Das ergibt Sinn, denn das Liedhafte soll durchaus betont, eine musikalische Vertonung mitbedacht werden.
Auf der ersten Seite sitzt die junge Heldin dieses Buches, womöglich ein frühes Alter ego von Gorman, mit einer im Vergleich zu ihrem Körper fast überdimensionierten Akustikgitarre in den Händen sowie in Jeans und Sneakers und stimmt ihre ersten Zeilen an: „Ich höre sie summen: Veränderung, / höre ihr buntes mutiges Lied, / ich fürchte mich nicht vor Veränderung / und stimme ein, singe mit.“
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Nach und nach stoßen andere Kinder zu dem Gitarrenmädchen, ein Junge mit einer Kippa auf dem Kopf, ein Mädchen im Rollstuhl oder ein weiterer Junge mit einem Hund, der von „Change“ anscheinend nichts hören will, sich aber überzeugen lässt: „Anderen begegne ich mit Toleranz / auch wenn das Mut kosten kann.“
Sie alle wollen etwas bewegen, was am besten gemeinsam geht, wollen die Gleichheit betonen, und so sieht man die Kinder auf den großformatigen Bildern von Loren Long tischlern, Häuser renovieren, Lebensmittel an arme Menschen verteilen und immer wieder Angebote unterbreiten, sich der Musik, den musizierenden Kindern anzuschließen.
Vielleicht ist Gorman ja erfolgreicher als Obama
Gormans Botschaft ist schlicht, in ihrer Schlichtheit aber überzeugend. Es geht darum, wie es einmal heißt, „keine höheren Zäune“ zu ziehen, sondern „für gute Brücken“ einzustehen, eben die Welt zum Guten, zum Solidarischen zu verändern.
Leider klingt manche Liedzeile im Vergleich zum Original eher unrhythmisch und ungelenk, von „da ist Hoffung, wo meine Veränderung singt“ (wahlweise „da ist Liebe, wo…) über den Mut, der kostet, bis hin zu dem Satz „Wo singt Veränderung? Hier! In mir drin.“
Am Ende, das ist dann wieder hübsch, stehen alle zusammen, jung und alt, schwarz und weiß, vor einer riesigen Wand mit einer Zeichnung der Kinderband und darüber der Zeile „We are the change“. Und wer weiß? Vielleicht ist Amanda Gorman eines Tages mit ihrem Lied erfolgreicher als es Barack Obama in seinen zwei Amtszeiten als US-Präsident war.<