Hertha dreht gegen Borussia Dortmund nach der Pause auf
Die Frage, ob im Fußball eine Abseitsposition als passiv zu bewerten ist oder doch als strafbar, ist mitunter nicht ganz einfach zu beantworten. Die Fans von Hertha BSC aber besitzen für solche Fälle inzwischen eine recht verlässliche Eselsbrücke. Passiv bleibt eine Abseitsposition, wenn ein Tor gegen ihre Mannschaft fällt. Trifft hingegen Hertha, wird aus einer passiven Stellung eine aktive und damit strafbare.
Das war in den vergangenen Wochen so, das war auch am Samstagabend wieder so, als der Berliner Fußball-Bundesligist zum Hinrundenabschluss Borussia Dortmund empfing. Nach 15 Minuten brach lauter Jubel unter den wenigen Anwesenden im Olympiastadion aus. Myziane Maolida hatte zum vermeintlichen 1:0 für Hertha getroffen. Der Ball lag schon wieder zum Anstoß bereit, als Schiedsrichter Marco Fritz vom Videoassistenten angefunkt wurde. Der Treffer zählte nicht, weil bei der Hereingabe von Peter Pekarik der hinter Maolida postierte Ishak Belfodil eine Fußspitze im Abstand gestanden hatte.
Statt 1:0 für Hertha hieß es ein paar Minuten später 1:0 für den BVB. Aber das war letztlich kaum mehr von Belang. Weil die Berliner dem Tabellenzweiten mit einem beherzten Auftritt vor allem nach der Pause noch den Sieg entrissen, den der BVB wohl gedanklich schon für sich verbucht hatte. 3:2 (0:1) hieß es am Ende für die Gastgeber, die damit einen nicht erwarteten Big Point im Abstiegskampf landeten. „Wir haben uns noch mal zusammengerauft“, sagte Marco Richter, der zwei Tore zu Herthas Erfolg beigesteuert hatte. „Wir wollten es unbedingt.“
Herthas Trainer Tayfun Korkut wartete – notgedrungen – mit einer etwas überraschenden Aufstellung auf. „Wir mussten ein bisschen basteln“, sagte er. Bei den angeschlagenen Stevan Jovetic und Suat Serdar hatte es, wie erwartet, nicht gereicht. Außerdem fiel kurzfristig auch Kapitän Dedryck Boyata aus. Insgesamt standen sechs Neue in Herthas Startelf. Aber auch die Dortmunder hatten mit Personalsorgen zu kämpfen.
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Gemessen an den Tabellenständen beider Mannschaften entwickelte sich ein unerwartet offenes Spiel mit Chancen auf beiden Seiten. Bei den Berlinern scheiterte Jurgen Ekkelenkamp einmal an Dortmunds Ersatztorhüter Marwin Hitz, und einmal traf er in bester Position fünf Meter vor dem Tor den Ball nicht richtig. Auf der anderen Seite hatte Kapitän Marco Reus zwei gute Chancen. Von Erling Haaland war vor der Pause wenig zu sehen, weil Niklas Stark und Jordan Torunarigha im Zentrum sehr umsichtig verteidigten. „Der Jordan hat es überragend gemacht“, sagte Richter. Trainer Korkut sprach „ein Sonderlob an unsere Viererkette“ aus.
Dass die Dortmunder trotzdem nach einer halben Stunde in Führung gehen, war aus Berliner Sicht eine Verkettung unglücklicher Umstände. Beim Versuch, gegen Haaland zu klären, spitzelte Maximilian Mittelstädt den Ball genau zu Julian Brandt, der mit einem Heber zum 1:0 traf.
Hertha steckte diese Schläge erstaunlich ungerührt weg und kam voller Elan aus der Pause. „Wir haben nie den Glauben verloren“, sagte Mittelstädt. „Jeder alles gegeben.“ Die Berliner blieben mutig, setzten den BVB unter Druck – und sie wurden für ihren Mut belohnt. Zu Beginn der zweiten Hälfte lief Belfodil Dortmunds Aushilfsverteidiger Axel Witsel nach einem schönen Pass von Vladimir Darida davon, der Algerier spitzelte den Ball auch an Hitz vorbei und traf mit seinem ersten Tor für Hertha zum Ausgleich.
Und es kam noch besser: Nur sechs Minuten später gingen die Berliner sogar in Führung, nachdem sie nach einem Fehler des gerade eingewechselten Deyovaisio Zeefuik noch einen Schreckmoment unbeschadet überstanden hatten. Im Gegenzug traf Richter mit einem Schuss aus 18 Metern genau in den Winkel.
Die wenig inspirierten und allzu lässigen Dortmunder standen plötzlich unter Druck, nachdem sie die Dinge lange einfach hatten laufen lassen. Das vermeintliche 2:2 durch Thorgan Hazard zählte nicht, weil Vorlagengeber Haaland minimal im Abseits gestanden hatte, kurz darauf vergab Mahmoud Dahoud.
Tayfun Korkut sagte: „Man hat gesehen, was möglich ist.“
Es war nur ein kurzes Zwischenhoch, das bald schon wieder endete. Brandt vertändelte vor dem eigenen Strafraum den Ball, den Schuss von Belfodil konnte Hitz noch parieren, gegen Richters Nachschuss war er machtlos: 3:1 für Hertha – der Anhang schwankte zwischen Ekstase und Unglaube.
Die Ekstase wich schon bald der Angst, nachdem der gerade eingewechselte Steffen Tigges per Kopf für die Dortmunder auf 2:3 verkürzt hatte. Zehn Minuten waren es noch mit Nachspielzeit. Hertha zitterte. Hertha wankte. Aber Hertha blieb standhaft und brachte den wichtigen Sieg ins Ziel. Tayfun Korkut sagte: „Man hat gesehen, was möglich ist.“