Hertha BSC steckt im Transferstau
Fredi Bobic hat nach eigener Aussage ein ruhiges Wochenende hinter sich. Ob das für den Sportgeschäftsführer von Hertha BSC eine gute Nachricht ist, das sei mal dahingestellt. Am Freitag hat im deutschen Profifußball offiziell die Transferperiode begonnen. Früher hieß das: Jetzt geht die Arbeit richtig los. Seit Beginn der Corona-Pandemie aber hat sich das grundlegend geändert. Die Planung des neuen Kaders, vor allem aber die Umsetzung dieser Planung, kommt bei Hertha derzeit nicht richtig voran.
Die Berliner stecken im Transferstau. Am 14. Juni haben sie mit Jonjoe Kenny den zweiten und vorerst letzten Zugang dieses Sommers verpflichtet; seitdem ist nichts mehr passiert. Und dieser Zustand kann durchaus noch einige Zeit anhalten. Denn weitere Verpflichtungen kann Bobic für Hertha erst tätigen, wenn er zuvor Spieler abgegeben hat.
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Konkret heißt das: In den nächsten Tagen wird es ganz schön voll auf dem Trainingsplatz. Am Montag sind die ersten Nationalspieler (Peter Pekarik, Fredrik Björkan, Jurgen Ekkelenkamp und Marton Dardai) in die Vorbereitung eingestiegen. Dedryck Boyata und Krzysztof Piatek folgen am Dienstag. Am Mittwoch dann – nach den Leistungstests und medizinischen Untersuchungen – werden sie erstmals am Mannschaftstraining teilnehmen.
Nur Omar Alderete fehlt dann noch. Er hat eine weitere Woche frei bekommen, ehe er in Berlin zurückerwartet wird. Ob der Innenverteidiger aus Paraguay überhaupt noch mal auf dem Schenckendorffplatz auftauchen wird, ist jedoch zumindest zweifelhaft. In der vergangenen Saison war Alderete an den FC Valencia verliehen. Eine feste Verpflichtung konnte sich der Klub nicht leisten; in der Primera Division aber gibt es durchaus einen Markt für ihn.
Die Südländer räkeln sich
Die spannende Frage für Hertha ist, wann ein möglicher Transfer Alderetes über die Bühne geht. Vor zwei Wochen, beim Trainingsauftakt, hat Fredi Bobic gesagt, dass die Südländer noch schliefen. Inzwischen räkeln sie sich zumindest schon. Am Wochenende hat in Mailand der sogenannte Calciomercato, der Fußballmarkt, stattgefunden. Seit den fünfziger Jahren treffen sich Spielerberater und Sportdirektoren der italienischen Profiklubs in einem Mailänder Hotel, um Transfers anzubahnen und abzuwickeln. „Das ist wie Panini-Bildchen tauschen“, sagt Bobic. „Du kriegst den, dafür nehme ich die beiden.“
Die vertrackte Situation kennt Herthas Geschäftsführer schon aus dem vergangenen Sommer. Auch da konnte er erst sehr spät auf dem Transfermarkt tätig werden, musste ebenfalls zunächst Spieler verkaufen. Durch die Medien geistert gerade, dass Bobic einen Transferüberschuss von 15 bis 20 Millionen Euro erzielen müsse.
Eine fixe Vorgabe ist das nicht. Allerdings wird Hertha in diesem Sommer das Budget deutlich entlasten müssen. Das kann über Transfererlöse geschehen. Aber auch über Gehaltseinsparungen. Sollte Bobic einen Großverdiener wie Piatek loswerden, würde dies seinen Spielraum bereits deutlich erweitern.
Hertha BSC schaut sich in Russland um
Der Pole ist im Januar 2020 nach Berlin gekommen – kurz vor Corona und in einer Phase, in der Geld bei Hertha BSC nach dem Einstieg von Investor Lars Windhorst scheinbar keine Rolle spielte. Piatek hat nicht nur 23 Millionen Euro Ablöse gekostet, er erhält auch pro Jahr knapp fünf Millionen Euro Gehalt. Und das bis 2025. Auch bei einigen seiner Kollegen (Vladimir Darida, 2,5 Millionen Euro Jahresgehalt, Javairo Dilrosun, 2,2 Millionen) hat sich Hertha in der Vergangenheit recht großzügig gezeigt.
Für Fredi Bobic heißt das: Sein Spielraum ist erheblich eingeschränkt, und er muss sich erst einmal weiterhin in Geduld üben. Die Vorarbeiten sind längst gemacht. Vor allem in Russland hat Hertha sich umgeschaut – und das schon vor Monaten. Wegen des Angriffskriegs auf die Ukraine und des Ausschlusses russischer Klubs aus den internationalen Wettbewerben können ausländische Spieler nun leihweise ohne Ablöse und für ein Jahr ins Ausland wechseln.
Bei Hertha ist neben dem nigerianischen Flügelspieler Chidera Ejuke (24, ZSKA Moskau) und dem Tschechen Alex Kral (24, defensives Mittelfeld, Spartak Moskau) weiterhin auch Sebastian Szymanski im Gespräch. Herthas neuer Trainer Sandro Schwarz kennt den 23 Jahre alten Pole, der als Achter und Zehner spielen kann, aus der gemeinsamen Zeit bei Dynamo Moskau. „Ein sehr guter Spieler“, sagt Fredi Bobic. An mangelndem Interesse liegt es ganz sicher nicht.