Hertha BSC könnte bald ein eigenes Frauenteam gründen
Schon wieder wird Hertha von Union geschlagen. Doch dieses Mal nicht auf dem Platz, sondern in einem ganz anderen Thema. Denn Bayer Leverkusen, Bayern München, 1. FC Köln und Herthas Lieblingskonkurrent – all diese Vereine und viele mehr stellen Teams im Fußball der Frauen. Hertha tanzt aus der Reihe. Während das Unioner Frauenteam in der Regionalliga spielt, ist Herthas Frauenteam vor allem eins – nicht vorhanden.
Inaktivität kann man Hertha in diesem Bereich allerdings auch nicht vorwerfen. Von 2009 bis 2016 hatte der Klub eine Kooperation mit dem 1. FC Lübars, einem Berliner Verein mit Frauenabteilung. Seit 2020 hat Hertha eine neue Kooperation mit dem Traditionsfrauenfußballverein schlechthin: Turbine Potsdam.
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Für viele ist das aber nicht genug, daher gibt es ernsthafte Bestrebungen, in nächster Zeit eine Abteilung für Fußballerinnen bei Hertha einzuführen. Seit den späten Achtzigern gibt es die nicht mehr im Verein. Der Offizielle Hertha-Fanklub „Axel Kruse Jugend“ (AKJ) schreibt dazu in einem Artikel: „Hertha gibt Turbine Geld und darf sich ein Bienchen für gutes Benehmen ins Heft kleben.“
Der Vorwurf steht im Raum, dass sich Hertha mit der Kooperation der Verantwortung entziehe, die Hälfte der Bevölkerung als aktive Mitglieder einzubinden. „Das kann ja nicht sein, dass man als Kind noch nicht mal den Traum haben kann, für seinen Lieblingsverein zu spielen“, sagt Klaus Gierl, Mitglied der Axel Kruse Jugend.
Aus dieser Unzufriedenheit hat sich eine Gruppe, hauptsächlich bestehend aus Mitgliedern der AKJ, zusammengeschlossen, um einen Plan für eine Frauenabteilung bei Hertha BSC zu entwerfen. „Das fing eigentlich damit an, dass ich vor drei Jahren bei der MV (Mitgliederversammlung, Anm. d. Red.) mal in einer Aussprache gesagt habe, dass ich das komisch finde, dass wir keine einzige Frauenabteilung haben“, erzählt Gierl, der selbst der zuständigen Gruppe angehört.
Die Kooperation mit Turbine soll nicht darunter leiden
Sie möchte zur nächsten Mitgliederversammlung einen Antrag zum Aufbau einer Frauenabteilung stellen. „Dann schreiben wir einfach mal einen Antrag, dass wir wollen, dass Hertha auch einfach Frauenfußball hat.“ Im Mai 2022 wird der erste Antragsentwurf für die nächste Mitgliederversammlung auf dem AKJ-Twitter-Account veröffentlicht.
Kurz darauf, im Juni, erklärt ein Artikel der Axel Kruse Jugend genauer die Pläne der Frauenmannschaft. Es sollen ab spätestens 2023 ein oder mehrere Mädchen- oder Frauenteams gebildet werden und im Rahmen des BFV-Spielbetriebs als „Hertha BSC“ teilnehmen.
Das neue Hertha-Präsidium und die Mitgliederversammlung sind keineswegs abgeneigt. In einer Umfrage der Axel Kruse Jugend, in der alle Kandidierenden zur Mitgliederversammlung befragt wurden, zeigt sich: Kein einziger Befragter spricht sich gegen die Gründung einer Frauenabteilung aus. Auch Präsident Kay Bernstein befürwortet das Konzept. Allerdings möchte er „die Art und Weise so gestalten, dass die Frauenfußball-Instanz Turbine Potsdam nicht darunter leidet“.
Und hier liegt das Problem: Die Kooperation zwischen Hertha und Turbine ist für die Potsdamerinnen inzwischen essentiell. Der Verein ist in der Bundesliga der Frauen noch eine Größe. Trotzdem hat der reine Frauenfußball-Verein gegenüber riesigen Vereinen wie Bayern München oder dem VfL Wolfsburg einen finanziellen Nachteil.
Sollte nun die Kooperation mit Hertha gekündigt werden, könnte das für den Brandenburger Klub fatal werden. „Wir würden uns freuen, wenn wir die Kooperation weiter führen könnten“, sagt Turbine-Vizepräsident Uwe Reher dem Tagesspiegel. Allerdings sei es für Turbine keine Option, unter dem Namen Hertha zu spielen.
Frauenabteilung ist Thema bei der nächsten Präsidiumssitzung
Hier stimmt die Axel Kruse Jugend zu. Die Betonung liegt für den Fanklub auf „organischem Wachstum“ eines neu gegründeten Teams. Es soll keine Profilizenz eines existierenden Teams wie Turbine erworben werden, um es unter der Hertha-Flagge weiterzuführen. „Das finde ich doof. Warum können wir nicht einfach mal anfangen, von bottom up Frauenfußball einzuführen?”, so Klaus Gierl.
Das Ziel soll auch nicht direkt der Aufstieg bis in die Bundesliga sein. In einem Antrag der AKJ an das Hertha Präsidium heißt es: „Wir schließen keine Teilnahme am Profibetrieb aus, treiben ihn aber auch nicht mit allen (finanziellen) Mitteln voran.“ Auch die finanziellen Mittel wurden in der Vergangenheit immer wieder als Argument gegen eine Frauenabteilung verwendet. Hier sieht die Axel Kruse Jugend bei Vereinsbeiträgen, freiwilligen Helfern, regionalen Sponsoren und eventuellen Fördermitgliedschaften eine mögliche Lösung.
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Präsident Bernstein hat bereits bestätigt, dass das Thema Fußballerinnen in der nächsten Präsidiumssitzung Anfang September auf der Tagesordnung stehen wird. Ein erster Schritt in die richtige Richtung, findet Klaus Gierl. „Das neue Präsidium ist, das muss ich auch lobend erwähnen, sehr offen und sehr kommunikativ. Also das heißt, wir haben noch keinen Termin, aber ich weiß, dass das Präsidium sich damit beschäftigt“, sagte Gierl dem Tagesspiegel.
Die Präsidiumssitzung im September und die Mitgliederversammlung im November werden ganz entscheidend sein für das Thema einer weiblichen Fußballabteilung bei Hertha. Stand jetzt stehen stehen die Chancen gut, dass in den nächsten Jahren die ersten Hertha-BSC-Spielerinnen auflaufen werden.