Fünf Verlage, 115 Jahre Comic-Geschichte
Es gibt derzeit in der Comicszene viel zu feiern, denn 2021 ist ein großes Jahr für den Comic im deutschsprachigen Raum. Vier Verlage begehen in diesem Jahr einen runden Geburtstag und werden zusammen stolze hundert Jahre alt, ein weiterer bringt es auf 15 Jahre.
Der älteste Jubilar ist Edition Moderne in Zürich, den Verlag gibt es seit 40 Jahren. Vor 30 Jahren startete der Berliner Reprodukt-Verlag, vor 20 Jahren der ebenfalls in Berlins sitzende avant-verlag, vor zehn Jahren kam in der Stadt der Jaja-Verlag dazu. Und dazu kommt der Bielefelder Splitter Verlag, der vor 15 Jahren neugegründet wurde.
Für die Bücher der vier Erstgenannten werden oft Begriffe verwendet, die den Anspruch der „neunten Kunst“ deutlich machen: Graphic Novels, Autor_innencomics, wertige Comics, anspruchsvolle Comics, Comic-Literatur, in sich geschlossene Comicerzählungen und so weiter.
Doch mit welcher Begründung sollten bei einer wohlverdienten Würdigung die Veröffentlichungen des auf das klassische Alben-Format spezialisierten Splitter Verlags herausfallen? „Die Graphic-Novel-Verlage sind unsere Kinder“, so formuliert es Horst Gotta von Splitter.
In der Tat: In den franko-belgischen Alben ist der Anspruch auf höhere Kunstweihen ja unter anderem entstanden. Wenn man also zum Beispiel auf die Erscheinungsdaten der Originalveröffentlichungen schaut, könnte man allenfalls diskutieren, in welcher Reihenfolge man die Würdigung anlegt. Alter vor Schönheit? Der Größe nach aufstellen? Wir folgen dem Diktum von Dirk Rehm, dass es seinen Verlag Reprodukt ohne die Edition Moderne nicht gäbe, und gehen chronologisch vor.
Auch wenn die meisten Comic-Verlage – wie zum Glück auch die Comic-Läden – bisher einigermaßen gut durch die Corona-Krise gekommen sind, wobei auch diverse Verlags- und Verlegerpreise geholfen haben, müssen wegen der Covid-19-Pandemie doch die zum Jubiläum geplanten Ausstellungen und Feiern ausfallen.
Die wichtigsten Künstler_innen und Werke sowie Jubiläumsneuauflagen von Klassikern aus den Programmen sind leicht auf den jeweiligen Verlagswebsites zu finden, und so werfen wir doch lieber einmal einen Blick hinter die Kulissen des Comic-Verlagswesens, in der Hoffnung auf instruktive Anekdoten, Schlaglichter und Details aus dem Nähkästchen.
Natürlich gibt es auch Rivalitäten, aber man ist sich einig in der großen Begeisterung für die Comic-Kunst. Am Ende spielen dann überraschend neben dem Verlagswesen auch noch kleine Verlagswesen eine Rolle.
40 Jahre Edition Moderne: Eine gewisse Dringlichkeit
Das Alleinstellungsmerkmal als einziger größerer deutsch-schweizer Comicverlag hat die Edition Moderne auch nach 40 Jahren nicht verloren. Doch der 2016 vollzogene Generationswechsel von Gründer David Basler, der dem Verlag freiberuflich weiter verbunden ist, zu Julia Marti und Claudio Barandun hat sich inzwischen auch im Programm niedergeschlagen.
„Wir üben beide einen gestalterischen Beruf aus,“ sagt Barandun, „deshalb sind wir auf der grafischen Ebene vielleicht neugieriger und einfacher zu verführen. Aber: Alles soll präzise und durchdacht sein, eine Form von Dringlichkeit haben und das auch narrativ“.
Ob die Leser_innen den neuen Kurs mitgehen, muss sich noch zeigen; man muss befürchten, dass von manchen schlicht der erkennbare Aufwand bei den Zeichnungen bewertet wird. Das kann für eher avantgardistische Werke zum Problem werden, sofern sie nicht das gewisse Etwas haben wie zum Beispiel die minimalistischen Arbeiten von Nicolas Mahler oder „Die Farbe der Dinge“ des Schweizers Martin Panchaud.
Insgesamt überwiegt aber die Kontinuität im Programm, sagt Barandun, wobei eben immer schon der Anspruch war, Wegbereiter für die Speerspitze des grafischen Erzählens zu sein, für Comics, die „damit spielen, was visuelle Kommunikation alles kann“, wie zum Beispiel Fabio Viscogliosis „Kaskade“ und auch Joe Kesslers „Prisma“.
„Was sich am sichtbarsten verändert hat“, sagt Barandun, „ist die bibliographische Komponente: Wir machen Bücher, die man haben muss“. Bei meist nur zwölf Büchern im Jahr muss der Autorenverlag abwägen, was möglich ist, weil die Betreuung der Comic-Künstler_innen aufwändig ist und die Förderung durch die Schweizer Regierung gerade einmal den Franken-Standortnachteil gegenüber der deutschen Konkurrenz ausgleicht.
Andererseits profitiert Edition Moderne als logische erste Anlaufstelle für junge Schweizer Absolvent_innen von grafischen Studiengängen und für Autor_innen aus dem Umfeld des von Basler 1984 mitgegründeten Magazins „Strapazin“.
Und welches sind die „Hits, Misses and Must-reads“ aus dem Programm der Edition Moderne? Erfolgreichstes Buch ist Claudio Barandun zufolge mit Abstand „Persepolis“ von Marjane Satrapi, ein Longseller – zum Jubiläum gibt es eine Neuauflage.
Welches Buch hat weniger Aufmerksamkeit bekommen als verdient? Grundsätzlich würden anspruchsvolle Comics weniger wahrgenommen, als sie es verdient hätten, sagt Barandun. „2000 Menschen sind halt zu wenig“. Der Verlag sei die Bühne für das Werk: „Wenn wir es nicht hinbekommen, verpufft es.“ Um „Das Unbekannte“ von Anna Sommer – „eine sehr dringliche Parabel“ – tue es ihm besonders leid.
Und die Must-reads? „Bei den jüngeren Büchern ist das ja schwer zu sagen, deshalb mache ich hier keine mutige Ansage, sondern nenne Tardi (welches Buch ist Geschmackssache), Baru, Muñoz/Sampayo, David B. und Persepolis.“
30 Jahre Reprodukt: Sind doch alles Comics!
Für Verlagsgründer Dirk Rehm hat der Marketing-Begriff „Graphic Novel“ inzwischen seine Schuldigkeit getan, da die insgesamt literarischer gewordenen Comics inzwischen im Buchhandel und im Feuilleton angekommen sind. „Ich versuche jetzt, das wieder etwas zurückzuschrauben. Alles im Programm sind Comics, die Manga ja auch,“ sagt der Verlagsgründer und -leiter. Seine Begeisterung für alternative Comix aus den USA, die sein eigenes Punk-Lebensgefühl spiegelten, brachten ihn vor gut 30 Jahren dazu, einfach mal US-Verlage und Künstler anzuschreiben.
Später kamen Kontakte unter anderem zu den ähnlich aufgestellten Verlagen Drawn & Quarterly in Kanada und L’Association in Frankreich hinzu. Dass auch im Rahmen der Lizenznahme aus dem Ausland über die Jahre Freundschaften entstanden sind, zum Beispiel mit Lewis Trondheim, Daniel Clowes und Adrian Tomine, zeigt das Besondere eines Autorenverlags, der in die redaktionelle Betreuung seiner Künstler_innen investiert.
Es hat vielleicht auch damit zu tun, dass „die Rechnungen bezahlt werden“, meint Rehm im Gespräch, mit sanfter Ironie ein irgendwie deutsches Klischee aufrufend. Andererseits gibt es dadurch bei einem recht großen Team und einem Fokus auf Handgemachtem, zum Beispiel auf Letterer, die für „ihre“ Künstler „wie Sychronsprecher“ verantwortlich sind, auch Grenzen.
„Reprodukt hat bei jungen Autoren einen schlechten Ruf, weil wir schwieriger, unnahbarer, vorsichtiger sind – wir sagen oft nein“. Umgekehrt sind auch Reprodukt über die Jahre Künstler_innen verloren gegangen, die man wohl gerne behalten hätte. Als Rehm zwischenzeitlich bei Carlsen als Redakteur beschäftigt war, holte er Jason Lutes, dessen „Herbstlaub“ noch bei Reprodukt erschienen war. „Das habe ich inzwischen natürlich bedauert, ‘Berlin‘ hätte ich gerne gemacht“.
Bei nur ungefähr 40 Titeln im Jahr kann auch nicht jeder ästhetische Weg der Autor_innen mitgegangen werden. Während Rehm „Donjon“ von Lewis Trondheim und Joann Sfar zum Glück auch lustig fand“, obwohl Fantasy vielleicht etwas fremd im Programm ist, haben Trondheims Genre-Geschichten nicht gepasst, genauso wenig wie ein eher didaktisches Projekt von Barbara Yelin.
Auch Comic-Experimente und manche Comics, die vermutlich von den Interessierten ohnehin lieber im Original gelesen werden, sind „zu speziell, um darüber hinaus noch Leser zu finden“. Es geht in erster Linie um Unterhaltung. Besonders das Engagement von Reprodukt im Bereich Kinder-Comics ist hier hervorzuheben. Ein Drittel des Programms macht dieser Bereich inzwischen aus, und neben Lizenzen wie „Ariol“ von Emmanuel Guibert und Marc Boutavant sind zunehmend auch Arbeiten deutscher Künstler_innen zu sehen. Lange Zeit wusste man ja wirklich nicht, welche neuen Comics man Kindern schenken sollte.
Die erfolgreichsten Bücher der Verlagsgeschichte? „Kinderland“ von Mawil; „Pjöngjang“ von Guy Delisle und „Habibi“ von Craig Thompson.
Schade drum? „Bei Auflagen von 2-3.000 werden alle noch viel zu wenig gelesen.“
Must-read? „Ich lege mal den Fokus auf die deutschen Bücher, die auch im internationalen Lizenzgeschäft erfolgreich waren: Wieder „Kinderland“ (sogar eine koreanische Lizenz!), „Irmina“ von Barbara Yelin und „Baby‘s in Black“ von Arne Bellstorf.„“
20 Jahre avant-verlag: Den Blick erweitern
Zwanzig Jahre nach der Gründung der Edition Moderne, zehn Jahre nach Reprodukt, und doch konstatierte Johann Ulrich 2001, dass immer noch zu viele aufregende und innovative Comics nicht auf Deutsch vorlagen. Ausgehend von seiner eigenen Leidenschaft als Leser wollte er die „Verlagslandschaft bereichern“ und hat deshalb auch „von Anfang an den Blick weiter gefasst,“ über die französischen Autorencomics hinaus unter anderem auch nach Spanien, Italien, in die Türkei und insbesondere in die skandinavischen Länder – ein Alleinstellungsmerkmal.
Inzwischen geht der Blick sogar noch weiter, unter anderem nach Nigeria (im Herbst erscheint „Lagos – Leben in Suburbia“ von Elnathan John und Àlàbá Ònájin).
Natürlich hat auch Ulrich den Markt im Blick. „Oftmals gelten 1500 verkaufte Exemplare als gut gelaufen“. Deshalb gibt es im Programm auch einen Klassiker-Bereich, unter anderem mit Abenteuerreihen wie „El Cid“ und „Mac Coy“, die nicht recht zum oft künstlerisch und inhaltlich innovativen und engagierten Rest des Programms passen.
Und deshalb muss man sich auch mal „von Sachen trennen“. Lehrgeld wurde vor allem bezahlt, als avant Teil eines Verbundes zur Lizenznahme von Comic-Heften beziehungsweise Alben unter anderem von Igort und David B. wurde. Ein „Anfängerfehler“, denn man habe sich „die Buchveröffentlichung der gesammelten Hefte vermasselt und wir wollten ja von Anfang an in den Buchhandel“.
Auch avant investiert in die Betreuung seiner Autor_innen, wenn diese nicht lieber erst die fertigen Arbeiten abgeben wie zum Beispiel Simon Schwartz, sondern Feedback wünschen, wie zum Beispiel Mikael Ross für „Goldjunge“. „Es kommt darauf an, was das Buch braucht, im Rahmen unserer Möglichkeiten“. Umgekehrt müssen die Autor_innen dann auch in die Vermarktung der Bücher investieren, zum Beispiel mit Auftritten beim Comic-Salon in Erlangen.
Das erfolgreichste avant-Buch? „Überraschend ist das mit Abstand Liv Strömquists „Der Ursprung der Welt“, jetzt in der 15. Auflage“, sagt Johann Ulrich. „Es war in Schweden ja bereits ein Bestseller, aber sie war bis dahin eine in Deutschland unbekannte Autorin und dazu mit einem Sachbuch. Trotz des für eine Graphic Novel ungewöhnlichen Themas hat es ein breites Publikum gefunden. Und sogar einen Trend an feministischen Comics eingeleitet.“
Schade drum? „Mehr Aufmerksamkeit haben deutsche Autorinnen wie Birgit Weyhe („Lebenslinien“) verdient. Im Vergleich zu anderen Verlagen haben wir viele Leserinnen, deshalb sind sie mir besonders wichtig.“
Must read? „Klassiker wie „Eternauta“ und der erste „Valentina“ von Guido Crepax, nicht wegen des Inhalts, sondern wegen des prägenden, puren Pop-Art-Stils.“
15 Jahre Splitter: Enorme Bandbreite
So lang war die Unterbrechung bis zur Neugründung 2006 gar nicht, denn den alten Splitter-Verlag gab es von 1988 bis 2000. Der neue knüpfte zunächst an den Fokus auf franko-belgische Alben an, setzte auf viel Fantasy und Science-Fiction und erweiterte dann unter anderem auf amerikanische, britische und nicht zuletzt deutsche Autor_innen. Für den Humor gibt es den Imprint Toonfish, zum Beispiel für die unverwüstlichen Schlümpfe.
Fünfzehn neue Titel erscheinen heute monatlich, erzählen Verlagsgründer Dirk Schulz und Horst Gotta im Gespräch, darunter auch Gesamtausgaben von Klassikern wie „Rick Master“, „Dan Cooper“ und „Der Incal“, und die fast die gesamt Backlist ist ständig lieferbar. Dadurch ist ein „Tim und Struppi-Effekt“ entstanden, aber in der ganzen Bandbreite des Programms, sagt Gotta: „Der Katalog mit Backlist schafft einen eigenen Markt – bis zu 70 Prozent des Umsatzes!
Habe eine Serie vielleicht erst ab Band 5 überzeugt, so kauften die Leser_innen ab Band 1 nach, das zeige die Analyse des Online-Shops. Und mögen diese Leser_innen auch immer noch „zum großen Teil altgewordene Fans sein, wir gewinnen Leser dazu, auch jüngere, weibliche, auch bei Fantasy-Titeln“, sagt Schulz.
Auch wenn 95 Prozent des Programms Bücher in Lizenz sind, versteht auch Splitter sich als Autoren- und Künstlerverlag. Es gibt für Eigenproduktionen bei Bedarf auch Betreuung.
Vor allem aber vertreten Gotta und Schulz, die selbst Zeichner sind, die franko-belgische (und inzwischen auch deutsche) Tradition, dass die Comic-Künstler_innen ohne Studio-System Originalkunstwerke schaffen und Inhaber der Rechte sind. In diesem Zusammenhang gibt es auch einmal schlechte Nachrichten. Vom vor kurzem verstorbenen Richard Corben hat Splitter zum Beispiel zehn Jahre lang „immer einen Korb bekommen; er wollte nicht, dass seine alten Sachen noch einmal verlegt werden“, sagt Schulz.
Mit „Mutantenwelt“ gibt es zum Glück eine Ausnahme, mit per Crowdfunding finanzierter Nachkolorierung. „Dann haben die Erben die Lizenzen und es wird teuer. Das Programm ist auch dirigiert vom Machbaren“, fügt Gotta hinzu.
Und welches sind Horst Gotta und Dirk Schulz zufolge die „Hits, Misses and Must-reads“ aus dem Splitter-Programm? Der erfolgreichste Titel ist die Reihe „Die alten Knacker“ (Wilfrid Lupano/Paul Cauuet), inzwischen in der 7. oder 8. Auflage. Das habe sich über die sozialen Netzwerke verbreitet, aber die Qualität liege in der Arbeit selbst, sagen Schulz und Gotta.
Schade drum? Dirk Schulz: „Grundsätzlich verdienen alle Bücher mehr Aufmerksamkeit. Gewundert habe ich mich, dass „Der Glöckner von Notre Dame“ (Robin Recht/Jean Bastide) nicht gelaufen ist, das ist wunderschön“. Horst Gotta: „Jedes Jahr erscheinen tausende neue Titel; manchmal ist es einfach die falsche Zeit. Es liegt nicht an der Qualität.“
Must read? Dirk Schulz: „Die alten Knacker“, „Die Schlümpfe“, „Der große Indienschwindel“ (Alain Ayroles/ Juanjo Guarnido) und, obwohl noch neu: „Schloss der Tiere“ (Xavier Dorison/Félix Delep). Horst Gotta: „Genau die!“
10 Jahre Jaja Verlag: „Fein illustrierte Machwerke“ …
… so lautet das Motto des Verlags. Es erfasst einerseits die ökonomische Realität, jedenfalls bis zum Erfolg von Paulin Stulins „Bei mir zuhause“ und Büke Schwarz‘ „Jein“ im vergangenen Jahr, dass die Comicveröffentlichungen unter anderem durch mit Zeichnungen illustrierte Kochbücher, Kalender und anderes quersubventioniert wurden. Auch ein Cocktail-Buch ist Programm, wie bei der Legende Will Eisner, der sich so wirtschaftlichen Spielraum für seine Comics verschaffte.
Im Corona-Jahr ist der „Online-Shop durch die Decke gegangen“, sagt Verlegerin Annette Köhn im Gespräch, und als „Krisengewinner“ leistet Jaja sich jetzt auch einen Agenten für Lizenzierungen des Programms im Ausland. Andererseits steht das Motto auch für den Anspruch, wunderschöne Bücher zu machen. Ebooks, die es z.B. bei Splitter gibt, lehnt Köhn vehement ab: „Nein, nein, nein. Ich liebe Papier“. Wegen der Ausrichtung auf den Buchhandel hat man sich von Heften verabschiedet und entwickelt die Formate der Bücher in Absprache mit den Autor_innen „so schön wie möglich, aber bezahlbar“.
Tatsächlich sind die Bücher meist wunderbar gestaltet, aber es findet sich wenig Naturalistisch-opulentes, sondern vieles eher Skizzenhaftes. Das spiegelt den Geschmack der Verlegerin und ihren eigenen Werdegang als Zeichnerin. Köhn verweist auf das Skizzenfestival in Stralsund, auf gemeinsames Zeichnen in der Ateliergemeinschaft Musenstube (heute der Verlagssitz) und auf Events wie das 24-Stunden-Zeichnen als Quelle der Inspiration und Fundort von Künstler_innen.
„Den Verlag musste es geben, um diese Sachen herauszubringen“, sagt sie. Was für andere unfertig wirkt (so ein Leser über Nozomi Horibes „Der Trip“), ist für sie genau richtig: „Ich will den Strich nachvollziehen können“.
Jaja gibt viele Abschlussarbeiten heraus, nur selten mit Hilfe von Förderung. Wir sind die „Plattform für den deutschen Comicnachwuchs“. Lizenzen aus dem Ausland kann Jaja noch nicht stemmen, aber der Verlag „ist auch international, nur leben unsere Künstler_innen eben in Deutschland“.
Einen expliziten Fokus auf Zeichnerinnen gibt es übrigens nicht, obwohl das so gelegentlich beschrieben wird. Derzeit arbeitet Köhn an einem Buch zum Jubiläum (und an einem weiteren Band mit kollaborativ gezeichneten Interviews mit Jaja-Künstler_innen). „Verlagswesen“, so der Titel, zeigt einen „Tag aus dem Verlagsalltag“.
Neben der Verlegerin, Praktikant_innen und dem Atelierhund tauchen auch „kleine, souveräne Querulanten“ immer wieder auf, die „Verlagswesen“, sagt Köhn. Die Pandemie macht sich auch hier bemerkbar, normalerweise kommen mehr Künstler_innen zum Feedback vorbei. Tatsächlich kennt Köhn „zwei ihrer Autoren bisher nur über Videochat“ (Franz Alken, „Mein Leben in China“ und Josep Rodes „Corona go home“).
Und was ist das erfolgreichste Jaja-Buch? Mit Abstand „Bei mir zuhause“ vor „Jein“, aktuell in der vierten Auflage von 2000 Exemplaren.
Schade drum? „„Nomaden“ von Jan Vismann, das hat sogar einen Preis gewonnen, und „Maertens“ von Maximilian Hillerzeder.“
Must read? „„Papa Dictator“ von Michael Beyer alias mic. Die Reihe gibt es bei Jaja auch auf Englisch und Französisch.“