Fernsehen hilft Live-Kultur

Herr Schmidt, haben Sie laut Hurra gerufen, als das ZDF anfragte, ob es für die Fernsehserie „Der Palast“ bei Ihnen im Haus drehen darf?

Die Anbahnungsgespräche begannen bereits 2019, und ich habe in der Tat sofort signalisiert, dass ich größtes Interesse daran habe – weil ich es für eine außerordentliche Chance erachte, wenn der Palast in einer Fernsehserie eine wichtige, ja sogar namensgebende Rolle spielt. Wir waren gewillt, alles Menschenmögliche zu tun, um die Dreharbeiten zu ermöglichen.

Was sich dann aber als schwerer herausstellte als gedacht…

Ja, das Projekt wurde auf der Berlinale 2020 öffentlich bekannt gemacht. Wenige Tage nach dem Ende der Filmfestspiele kam dann ja bekanntlich der erste Lockdown. Die Dreharbeiten fanden schließlich bei uns von November 2020 bis Mai 2021 statt, also während des zweiten Lockdowns. Dass wir pandemiebedingt keinen laufenden Spielbetrieb hatten, kam dem Filmteam entgegen, weil wir ihnen unser Ballett sehr viel großzügiger zur Verfügung stellen konnten, als wenn wir acht Shows die Woche gezeigt hätten. Aber gleichzeitig lief bei uns im Haus eine wahnsinnig aufwändige Sanierung der Lüftungsanlage, so dass Zuschauerraum und Bühne nur nachts für die Dreharbeiten zur Verfügung standen. Erst, wenn die Bauarbeiter gegangen waren, konnte es losgehen. Für den Biorhythmus aller Beteiligten war das eine echte Herausforderung.

Gleichzeitig galten doch sicher auch noch strengste Hygienemaßnahmen?

Wir hatten drei strikt voneinander getrennte Bereiche. Da waren einerseits die Bauarbeiter, andererseits unsere Leute im Backstagebereich, und der Filmcrew hatte wir das Foyer zur Verfügung gestellt. Dennoch war es für uns ein Segen, dass die Serie gedreht wurde, in den Monaten, in denen wir nicht für die Öffentlichkeit da sein konnten. So hatte Corona für uns auch einen positiven Aspekt. Es gibt nicht viele, die das sagen können.

Jetzt sind die Folgen im ZDF mit enormem Erfolg ausgestrahlt worden. Hatte das auch einen Effekt bei Ihnen an der Vorverkaufskasse?

Unter normalen Bedingungen wären wir jetzt wohl zwei Jahre im Voraus ausverkauft, so wie das zu DDR-Zeiten üblich war. Wir merken einen sehr deutlichen Anstieg der Buchungszahlen, allerdings starten wir von einer niedrigen Basis. Wir merken die Zurückhaltung des Publikums, hatten schlechte Dezemberverkäufe und auch für Januar sieht es durchwachsen aus. Dabei sind das sonst unsere umsatzstärksten Monate. Viele, die aufgrund der ZDF-Serie buchen, machen das für den Frühling und Frühsommer.

Szene aus der Fernsehserie mit der Schauspielerin Luise Befort (Mitte) und den echten Tänzerinnen des Friedrichstadt-Palasts.Foto: Julia Terjung/ZDF/dpa

Ein Theaterbesuch, bei dem man durchgängig die FFP2-Maske tragen muss, ist nun einmal kein reines Vergnügen.

Das ist wohl wahr, aber wir sind froh, dass wir überhaupt spielen können, denn alles ist besser als zumachen zu müssen. Aber die Bedingungen sind tatsächlich nicht gerade verkaufsfördernd. Durch 2G fällt ein Fünftel der möglichen Zielgruppe weg, dann müssen sich alle, die nicht geboostert sind, um einen tagesaktuellen Test bemühen, und eben während der Show noch eine FFP2-Maske tragen. Das muss man schon wollen.

Ich habe den Eindruck, dass die Leute besonders bei leichter Unterhaltung zögerlich sind, also in den Veranstaltungsorten, wo man sonst immer besonders viel Spaß hatte. Auch von der Bar jeder Vernunft und dem Tipi ist zu hören, dass dort teilweise nur ein Drittel der Plätze besetzt ist.

Psychologisch wäre das nachvollziehbar. Wer im Theater gerne mal den Alltag vergessen möchte, der wird durch die Maske permanent an die bedrückende Situation erinnert, der er für einen Abend gerne entfliehen wollte. Hinzu kommt, dass wir einen hohen Anteil an Touristen haben. Nur rund die Hälfte unserer Tickets verkaufen wir an Gäste aus Berlin und dem Umland. Doch Touristen gibt es gerade kaum in der Stadt.

Beim Friedrichstadt-Palast kommt ja noch hinzu, dass sich die Leute sagen: Jede Show läuft zwei Jahre lang, da warte ich mit meinem Besuch einfach auf bessere Zeiten.

Ja, das stimmt. Unter diesen Umständen sind die 60 Prozent Auslastung im Januar ganz gut. Das sind immerhin im Schnitt 1150 Gäste pro Vorstellung.

Im ZDF haben durchschnittlich 6,23 Millionen Zuschauer die Folgen gesehen. Um auf diese Zuschauermenge zu kommen, müssen Sie 3278 ausverkaufte Vorstellungen spielen.

Ja, das sind beeindruckende Zahlen. In unseren besten Jahren hatten wir eine halbe Million Gäste pro Jahr. Gleichzeitig sind und bleiben unsere Shows aber natürlich etwas Einmaliges, Unvergleichliches, das man live erleben muss. Im Umfeld der Ausstrahlung von „Der Palast“ im Fernsehen wurde unsere Website knapp eine Million Mal aufgerufen. In einer Woche! So viel Seitenaufrufe haben wir sonst in einem halben Jahr. Und das Interesse ist wahrscheinlich noch größer, denn das ZDF hat ja ein eher älteres Publikum, das vielleicht nicht durchweg internetaffin ist.

Sieht die Kantine im Friedrichstadt-Palast eigentlich wirklich so cool aus wie im Film?

Nein, das ist eine Studiokulisse. Unsere Kantine war nicht benutzbar, weil sich dort die Bauarbeiter und unsere Mitarbeitenden aufhielten. Und auch das Intendantenbüro sieht übrigens anders aus als im Fernsehen, schon großzügig, aber bescheidener in den Ausmaßen und ohne dunkle Holzvertäfelung.

Spielen Sie eigentlich auch mit bei „Der Palast“, laufen Sie irgendwann mal im Hintergrund durchs Bild, nach Art von Alfred Hitchcock?

Nein, das wurde mir nicht angeboten.