Die Spur der Scheine

Dieser Comic-Held hat keine feste Form und kein Geschlecht. Vielleicht ist er der stärkste Superheld aller Zeiten – zumindest der langlebigste. Denn er ist unverwüstlich, tritt in immer wieder neuer Gestalt auf. Die Rede ist vom Geld, das sich früh dem Homo Sapiens andiente.

Mit dem Aufkommen von Viehzucht und Ackerbau vor etwa 12 000 Jahren entstanden erste Tauschgeschäfte. Schon in der späten Bronzezeit um 1000 v. Chr. gab es erste Währungen, etwa aus Schmuck oder Muscheln, bis durch die Einführung der Metallbearbeitung sogenanntes Geräte- oder Barrengeld üblich wurde. Münzgeld setzte sich erstmals in China und Indien durch, in Lydien wurde der Goldstater zum dominierenden Zahlungsmittel.

Auch kriegerische Konflikte bewirkten, dass sich Münzgeld durchsetzte, denn Soldaten mussten schließlich bezahlt werden. In Lydien zog der noch heute prominente König Krösus gegen die Perser und verlor. Aus seinem Gold wurden persische Münzen geprägt, die im Mittelmeerraum zur beherrschenden Währung wurden.

Der 1963 in der ukrainischen Hafenstadt Odessa geborene, seit Mitte der 90er Jahre in Deutschland lebende Zeichner Vitali Konstantinov („Der Sandmann“) erzählt in „Alles Geld der Welt“ (Gerstenberg, 88 S., 26 €) die Geschichte des Geldes in Form eines Sachcomics, der sich vorwiegend an Kinder und Jugendliche richtet, aber auch für erwachsene Leser unterhaltsam und lehrreich ist.

Mit der Unterstützung durch den Numismatiker und Wirtschaftshistoriker Sebastian Steinbach hat der Comicautor einen Reiseführer geschaffen, der um die ganze Welt führt und das komplexe Thema in großen Wimmelbildern leichtfüßig darstellt.

Erfahrung mit unterhaltsamer Wissensvermittlung

Positiv anzumerken ist, dass der Künstler keiner Kultur den Vorrang einräumt, stattdessen sich seinem Thema auch mit Beispielen aus entlegenen Weltgegenden nähert. In lockerer, episodischer Erzählweise zeigt er auf, wie das Geld bis heute immer wieder zu überraschenden Metamorphosen fähig ist. Zuletzt wohl mit der 2009 aufgekommenen ersten digitalen Kryptowährung, dem Bitcoin.

Eine weitere Doppelseite aus „Alles Geld der Welt“.Foto: Gerstenberg

Schon im Vorgängerband „Es steht geschrieben: Von der Keilschrift zum Emoji“, der für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert war, hat Konstantinov ähnlich Wissensvermittlung mit unterhaltsamer Form verbunden.

Seine leicht grotesk überzeichneten, stark typisierten Figuren zeichnet er meist schwarzweiß, jedoch werden häufig kleine Flächen farbig hervorgehoben, dabei dienen Gelbtöne für Münzwährungen und Grün oft für Papiergeld.

Auf fast jeder Seite wird eine weitere Facette des Themas behandelt, wie etwa die kriminellen Dimensionen des Geldes. So ergeben sich witzige Episoden, wenn etwa Mary Butterworth 1716 aus Versehen eine Banknote mit der Wäsche bügelt und auf die Idee kommt, Geld zu fälschen.

Und selbst komplexere Phänomene wie „Krisen und Blasen“ werden auf anschauliche Weise in kurzen Comicepisoden verdichtet, die auf historischen Ereignissen beruhen.

Der Ökonom und leidenschaftliche Kartenspieler John Law beriet Anfang des 19. Jahrhunderts den französischen Regenten Philippe II. und regte an, Mississippi-Aktien aus der Kolonie in Amerika zu drucken. Da die dortigen Sümpfe nicht genügend Bodenschätze hergaben, platzte die Blase sehr bald. Nur eine von vielen Finanzblasen bis heute. Auch das Verständnis von Dax und Dow Jones dürften für Klein und Groß nach der Lektüre (fast) ein Zuckerschlecken sein.