Die Regenmacher von Hoppegarten
Aus Sicht der Verantwortlichen der Rennbahn in Hoppegarten sagen die Wetterprognosen für den sogenannten Renntag des Berliner Sports am Sonntag etwas zu hohe Temperaturen voraus. „24 Grad und leicht bewölkt, das wäre optimal“, sagt Geschäftsführer Michael Wrulich. „Ab 27 bis 28 Grad zieht es die Leute eher ins Schwimmbad oder an den See, da kann es etwas kippen.“ Und genau auf solche Grad soll das Thermometer steigen, wenn ab 10.50 Uhr insgesamt neun Rennen ausgetragen werden.
Obwohl in Deutschland und in der Region zurzeit also deutlich angenehmere Bedingungen als in Südeuropa herrschen, leidet der Boden des Geläufs und der Trainingsanlage unter der Hitze und muss entsprechend umfassend gepflegt werden. Damit die bis zu rund 500 Kilogramm schweren Tiere perfekte Bedingungen zum Galoppieren haben.
„270 Versenkregner mit der dazugehörigen elektrischen und hydraulischen Steuerung gilt es bei Laune zu halten – dies ist eine anspruchsvolle Aufgabe“, schreibt Rennbahn-Eigner Gerhard Schöningh über die Bewässerung im Programmheft zum kommenden Renntag.
Mit 13,5 Hektar Grasgeläuf gilt es in Hoppegarten eine etwa dreimal so große Fläche zu beregnen wie sie die durchschnittliche deutsche Rennbahn aufweist. Dies liegt an der Breite und Länge des Hauptgeläufs, dazu kommen noch die Grastrainierbahn und die sogenannte Gerade Bahn. In diesem Jahr musste dieses Beregnungssystem, das sein Wasser von drei Brunnen bezieht, bereits im März hochgefahren werden – aufgrund der anhaltenden Trockenheit in der Region. Schauer wie am Samstag ändern daran nichts.
Jeder Tropfen Regen zählt
Dabei gilt es Woche für Woche, sich auf die aktuellen klimatischen Begebenheiten einzustellen. Mithilfe der Agrarwetter-Vorhersage versuchen die fünf Festangestellten für Grünpflege mit den Verantwortlichen der Rennbahn die Beregnung optimal zu kalkulieren. „Hier fließt jeder Tropfen Regen, der vom Himmel fällt, mit ein“, weiß Geschäftsführer Wrulich.
In der Regel wird am späten Nachmittag um 17.30 Uhr der Tribünenrasen bewässert. Zwischen 18 Uhr am Abend und 8 Uhr am nächsten Morgen erhält dann die komplette Bahn die nötige Feuchtigkeit. Allerdings darf am Tag vor den Rennen nicht mehr beregnet werden, weil der Untergrund sonst schmierig zu werden droht.
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Was passieren kann, wenn das Wasser nicht richtig abfließt, zeigte sich in diesem Jahr bereits auf den Rennbahnen in Mannheim und Dresden am 7., beziehungsweise 8. Mai, wo sich aufgrund des rutschigen Untergrunds Stürze ereignet hatten und später Rennen abgebrochen werden mussten. In Mannheim hatte es nach trockenen Tagen stark geregnet, so dass der Boden die Mengen nicht entsprechend aufnehmen konnte. In Dresden hatte man nach Spekulationen der Galopp-Fachpresse unsachgemäß beregnet.
Friederike Schloms, die ihre Tiere nur wenige Meter von der Hoppegartener Rennbahn entfernt trainiert, weiß, dass es durchaus große Unterschiede auf den Rennbahnen gibt, was die Qualität des Bodens angeht. „Hier in Hoppegarten sind die Bedingungen top, auch wenn jeder Tropfen Wasser regelrecht angebetet wird“, sagt sie. „Auf manchen Rennbahnen fehlt es an Finanzen oder einfach an den natürlichen Gegebenheiten.“
Der Arbeitstag beginnt vor 5 Uhr
Die Beschaffenheit des Geläufs kann große Auswirkungen haben bei der Entscheidung, welche Tiere eine Trainerin oder ein Trainer letztlich ins Rennen schickt. „Manche Pferde kommen nicht damit zurecht, wenn es drei Tage geregnet hat. Dann macht es auch keinen Sinn, sie laufen zu lassen“, sagt Schloms. Ähnliches gilt bei hohen Temperaturen. „Einigen macht das nichts aus, einigen gefällt das gar nicht.“
Aus tiermedizinischer Sicht sind selbst Temperaturen weit über 30 Grad unbedenklich für die Pferde: „Zwar fühlen sich Pferde in der Regel zwischen acht und zwölf Grad am wohlsten“, sagt Andreas Faulstich, der die Pferdeklinik Seeburg 1995 gründete und in früheren Jahren auch als Tierarzt bei Rennen in Hoppegarten im Einsatz war. „Im Frühjahr und Herbst sind die Tiere natürlich besonders munter.“ Allerdings dauere ein Galopprennen in der Regel auch nicht länger als zwei Minuten, was völlig unbedenklich sei.
Um das Tierwohl nicht zu gefährden, gibt es gerade bei hohen Temperaturen dennoch einiges zu beachten. Wie beim Menschen kommt es vor allem auf die Flüssigkeitsaufnahme an. „Normalerweise trinken Pferde rund 40 Liter am Tag, nach einem Rennen sind es rund 80 Liter“, weiß Faulstich. Zudem sei es wichtig, dass die Tiere vor und nach den Rennen schattige Plätze zur Verfügung gestellt bekommen.
Beim Training unter der Woche wird die Arbeit am Morgen nach vorne verlegt. Am Rennstall von Friederike Schloms geht es dieser Tage bereits vor 5 Uhr los, damit alle Galopper bis spätestens 9 Uhr einmal geritten sind.
Auch für den erfolgreichen Jockey Andrasch Starke, der im Hauptrennen am Sonntag um 55.000 Euro Preisgeld Mitfavoritin India reitet, geht es derzeit noch etwas früher als ohnehin schon los mit der Arbeit. Schwitzen spielt für seinen Berufsstand ohnehin eine besondere Rolle. Um Gewichtsvorgaben einzuhalten, müssen Starke und seine Mitstreiter:innen vor den jeweiligen Rennen noch Flüssigkeit verlieren. Entsprechend streifen sie häufig noch spezielle Anzüge über, um die Schweißausbrüche zu forcieren.
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Hohe Temperaturen – so könnte man meinen – beschleunigen diesen Vorgang nicht merklich. „Man muss dann noch mehr darauf achten, zum richtigen Zeitpunkt zu trinken“, sagt Starke. Denn jeder Schluck Wasser kann das Gewicht beeinflussen. Im Vergleich zu den Leichtathlet: innen und den Radsportlern bei der Tour de France, die jeweils jüngst bei Temperaturen über 35 Grad Höchstleistungen abliefern mussten, fühlt er sich durch die äußeren Einflüsse jedoch kaum strapaziert.
Entscheidend sei ohnehin das Wohl der Pferde. „Wenn das Tier und der Reiter gut trainiert sind, gibt es keine Probleme“, sagt Starke. Und über den Boden muss er sich trotz der anhaltenden Trockenheit ohnehin keine Gedanken machen. Der wird in Hoppegarten und andernorts fürsorglich gepflegt.