Die Morde der Männer
Angeklagte, die sich wegen Gewaltdelikten an Frauen vor Gericht erklären, verwenden oft auffällig unpersönliches Vokabular. Etwas sei „passiert“, sagen sie aus, oder sei „plötzlich nicht mehr zu bremsen“ gewesen. Unverkennbar ist die Abwehr, das „Es war’s, nicht ich“.
Jeden Tag versucht in Deutschland ein Mann, eine Frau zu töten. Alle drei Tage gelingt das einem Mann. „Femizid“ heißt das Tötungsdelikt in der Kriminologie. Frauen werden zu Opfern, allein weil sie weiblich sind. In der Mehrheit der Fälle sind die Täter derzeitige oder frühere Partner.
Dem zu wenig beachteten Phänomen widmen zwei Publizistinnen, Laura Backes und Margherita Bettoni beide Jahrgang 1987, ihr Buch “Alle drei Tage. Warum Männer Frauen töten, und was wir dagegen tun müssen”. Dem Band ist eine Triggerwarnung vorangestellt. Der Text enthalte „Schilderungen sexualisierter Gewalthandlungen, die belastend und retraumatisierend“ wirken könnten.
Die Warnung verspricht nicht zu viel. In Gesprächsprotokollen berichten Frauen, die Tötungsversuche überlebt haben und Angehörige getöteter Frauen von Verbrennungen, Stichwunden, Knochenbrüchen, von massiven Nachwirkungen, Ängsten, verstörten Kindern und irrationalen Schuldgedanken. In weiterhin wirksamen patriarchalen Machtverhältnissen sehen die Autorinnen die Ursachen des Phänomens, dass Männer mit Argumenten wie „Wenn ich dich nicht haben kann, dann auch kein anderer!“ oder „Du bist nichts wert“ zu Tätern werden.
Auf der Suche nach Tatmustern, Rechtsfolgen und Präventionsstrategien legen sie vieles offen, was breite Kenntnisnahme fördert, während sie andernorts nicht weiter nachforschen. Als wegweisend gelten Studien der britischen Kriminologin Jane Monckton-Smith zu Tatmustern.
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Eine erste Stufe scheint die zu Beginn der Partnerschaft erklärte Aussage des Mannes wie: „Wir bleiben für immer zusammen!“. Es folgen Misstrauen, Eifersucht und Stalken. Beim Trennungsbegehr der Frau eskaliert die Kontrollsucht, ein „Sinneswandel“ setzt ein, die Tat wird geplant – häufiger als angenommen. Der Mann beschafft sich Tatwaffen und schreitet zum Delikt, wobei er mitunter die Kinder ebenfalls attackiert. Die Muster gleichen einander, ob es um deutschstämmige oder migrantische Täter geht.
Wären diese Tötungen Terrortaten, wie würde wohl die staatliche Antwort lauten? Zweifellos: gesamtgesellschaftlicher Alarm, Millionen für Studien, Forschungsmittel, Präventionskonzepte. „Alle drei Tage“ ist ein Plädoyer zur Politisierung und Anerkennung von Femiziden als eigenem Straftatbestand.
Femizide machen laut einer Studie rund 87 Prozent der „Intimizide“ aus, der Partnertötungen. Immerhin lassen Gerichte inzwischen öfter das Mordmerkmal „niedrige Beweggründe“ gelten, wenn etwa ein Mann erklärt, er habe die Frau „aus Liebe“ erdrosselt oder erstochen.
Kritik gilt auch den Medien, die gern von einem “Beziehungsdrama” sprechen
„Trennungstötungen“, so die Autorinnen, müssten juristisch generell eher als Morde gewertet werden denn als „Totschlag“, auch wo mit subjektiver „Verzweiflung“ oder „Ausweglosigkeit“ argumentiert wird. Und: Das Umgangsrecht überführter Täter mit deren Kindern gehöre auf den Prüfstand. Kritik gilt auch den Medien, die gern von einer „Familientragödie“ oder einem „Beziehungsdrama“ sprechen. „Beziehung“ suggeriert den privaten Einzelfall, „Drama“ verleiht dem Fall einen Drall ins Sensationelle.
Bei Themen wie diesen besteht die große Aufgabe darin, Struktur und Ruhe in ein furchtauslösendes Labyrinth zu bringen, um analytische Zugänge zu eröffnen. Analytische Fragen freilich beantwortet ein Begriff wie „Patriarchat“ allein nicht.
Unbewusste Muster, an denen immer auch Mütter, Frauen mitwirken, werden kaum aufgefaltet. Woher die Wut beim Verlust männlicher Kontrolle über ein weibliches „Objekt“? Welche Kollusion der Geschlechter ist mit am Werk? Was sind die tieferen Ursachen der Gewalt? „Es war’s, nicht ich“, sagen die Täter. Doch was ist „Es?“ Danach zu fragen, ergibt Sinn, und erst Antworten darauf vervollständigen die Analyse.
Laura Backes, Margherita Bettoni: Alle drei Tage. Warum Männer Frauen töten und was wir dagegen tun müssen. DVA, München. 208 S., 20 €.