Die Hoffnung eines Effzeh-Fans: Union wird uns retten!

Beim Nachglühen an der Union-Tanke waren wir dem Tiefpunkt nahe. Am 20. Dezember hatte unser Effzeh in Köpenick 0:2 gegen Union verloren – chancenlos, also ohne eine echte Torchance.

Unsere katastrophale Bilanz vor der Winterpause: Zehn Punkte nach 16. Spieltagen, und nur neun Tore. Direkt nach dem Spiel schmiss Steffen Baumgart hin. Der Trainer, der in Köln zweieinhalb Jahre kultisch verehrt worden war: Bei jedem Heimspiel in Müngersdorf trugen auf den Rängen hunderte Männer und Frauen seine graue Schiebermütze. Vorbei. Auch er glaubte nicht mehr an den Klassenerhalt.

Immerhin war es vier Tage vor Weihnachten ungewöhnlich warm in Köpenick. Und so tranken meine Kumpels und ich an der Tanke, dem Open-Air-Wohnzimmer der Union-Fans, das entfernt an einen offenen Stall erinnert, noch ein paar Trostbiere.

Union bringt den Glauben zurück

Der Glaube ist in Köln seitdem nie wirklich zurückkehrt. Bis am vergangenen Spieltag Union nach Müngersdorf kam. Drei zu zwei, nach 0:2 Rückstand, durch zwei Tore kurz vor Schluss. So die nackten Fakten. Die nackten Fakten eines Wunders. Zwei Tage nach Christi Himmelfahrt war in meiner religiös begabten Heimatstadt sofort jeder von der Wiederauferstehung des Effzeh überzeugt. Und damit auch von Unions Untergang.

Denn die Dramaturgie dieser Bundesliga-Saison will es so, dass Union und Köln am letzten Spieltag ein Fern-Duell um den Klassenerhalt austragen. Drei Punkte und vier Tore muss der Effzeh aufholen, um Union vom Relegationsrang 16 zu verdrängen. Eigentlich unmöglich, zumindest aus eigener Kraft.

27

Tore hat der 1. FC Köln in 33 Spielen nur geschossen

Union müsste gegen Freiburg verlieren und wir gegen Heidenheim am besten hoch gewinnen. Unsere Spieler haben aber in 33 Spielen bisher nur 27 Tore geschossen. Aber wenn Union schon gegen uns drei Tore kassiert, warum sollten sie dann an diesem Samstag nicht auch gegen Freiburg einbrechen.

Ich glaube an den Klassenerhalt, weil ich auf das Versagen von Union hoffe. Oder andersherum. Ich habe die feste Hoffnung, dass Köln drinbleibt. Denn ich glaube, dass Union kollabiert und uns damit rettet.

Trainerrücktritt und Transfersperre

Dafür, liebe Union-Fans, sprechen unsere beiden schicksalhaften Begegnungen in dieser Saison. Und damit noch einmal zurück nach Köpenick. Der Abend an der Union-Tanke war wirklich nett. Auch die Gespräche mit ein paar Union-Fans aus Österreich. Irgendwann waren die 90 Minuten in der Alten Försterei vergessen. Wir fuhren recht beschwingt mit der S-Bahn nach Hause.

Bis am nächsten Tag der schreckliche Kater folgte. Der Internationale Sportgerichtshof in Lausanne entschied, dass der Effzeh im Winter und auch im Sommer 2024 keine neuen Spieler verpflichten darf. Wir müssen also vorerst mit unseren harmlosen Stürmern weiterspielen. Der Tiefpunkt war da. Nun fürchteten wir uns nicht mehr vor der zweiten Liga, sondern vor der dritten oder vierten.

Zur Not hat Steffen Baumgart das ganze Stadion zusammengeschrien.

© imago/Herbert Bucco/imago/Herbert Bucco

Statt Steffen Baumgart wurde Timo Schultz unser Trainer. Ein Ostfriese. Will Schultz unsere Spieler motivieren, klopft er sich zweimal gegen den Oberkörper. Brust raus, soll das heißen. Steffen Baumgart hat mitunter das ganze Stadion zusammengeschrien.

Aber Schultz gelang es, die Mannschaft zu stabilisieren. Mit dem jungen Faride Alidou, den Baumgart links liegen gelassen hatte, entwickelte zwischenzeitlich sogar ein Stürmer etwas Torgefahr.

Doch es reichte nicht. Nach einer Niederlage gegen Darmstadt und einem Unentschieden in Mainz, bei dem der die ganze Saison enttäuschende Luca Waldschmidt einen Elfmeter verschoss, stand unser Abstieg vor Unions Auswärtsspiel in Müngersdorf bei einem Unentschieden oder einer Niederlage fest.

Timo Schultz ist kein Wütterich an der Seitenlinie.

© imago/Eibner/IMAGO/Eibner-Pressefoto/Florian Wiegan

Auch dieses Spiel sah ich in Berlin, genauer in der Redaktion des Tagesspiegel. Im verlassenen Hauptstadtbüro schrieb ich über ein schmissiges Zitat von Christian Lindner und die empörten Reaktionen von Grünen und SPD. Routine.

Jubelschreie vorm Redaktionsfernseher

Als ich fertig war, stand es zwei zu null für Union. Ich ging trotzdem runter in die Büros vom Sport, um die zweite Halbzeit zu sehen. Noch bevor ich ein Stockwerk tiefer ankam, hatte Florian Kainz per Elfmeter das 1:2 geschossen. In der zweiten Halbzeit passierte dann nichts. Bis Steffen Tigges, der Stümer mit den unglücklichen Laufwegen, in der 87. Minute seinen Kopf perfekt in einen verunglückten Schuss des meist verletzten Mark Uth reinhielt. 2:2. In der 93. Minute nickte der junge Damion Downs eine Flanke zum 3:2 ein.

Ich jubelte den Fernseher an, während der Kollege neben mir hektisch die Tabelle für die Sonntagsausgabe aktualisierte. Seitdem bin ich überzeugt: Köln kann nur in der Liga bleiben. Dieser aufopferungsvolle Kampf gegen das Unausweichliche muss mit einem Relegationsspiegel gegen Fortuna Düsseldorf belohnt werden. Der perfekten Pointe für diese Saison.

Union erinnert mich dagegen an den 1. FC Nürnberg 1999 oder Werder Bremen 2021. Mannschaften, die sich längst gerettet wähnten und nach einer Negativserie zum Schluss doch noch abstiegen.

Mit Stürmern wie Kevin Volland, Benedict Hollerbach und dem Offensiv-Verteidiger Robin Gosens hat sich Union vor der Saison für die Champions League gerüstet. Spieler, die wir gut gebrauchen könnten. Doch Union hat darüber seinen charakteristischen Underdog-Fußball verloren.

In den letzten Minuten in Köln wirkte das Team teilnahmslos. Diese Pomadigkeit muss mit dem Abstieg bestraft werden. Das glaube ich fest.

Und sollte Köln den Klassenerhalt doch verpassen, dann – sorry – hoffe ich, dass auch Union in der Relegation absteigt. Denn auf das schöne Auswärtsspiel in Köpenick will ich nur ungerne verzichten.