Da braucht Investor Lars Windhorst erst einmal „einen Drink“

Die Stimmung im Berliner Block war blendend. Ein Hauch von 2009, als Hertha BSC in der Fußball-Bundesliga lange um den Titel mitspielte, lag in der Leipziger Luft. „Wir hol’n die Meisterschaft“, sangen die Fans. Und später auch: „O, wie ist das schön.“ Mehr Zynismus ging nicht. 0:5 lag Herthas Mannschaft zu diesem Zeitpunkt zurück, am Ende hieß es gar 0:6 gegen Rasenballsport Leipzig.

Anders als mit Zynismus oder auch der sedierenden Wirkung des Alkohols ließ sich das Spiel als Berliner Fan auch kaum ertragen. In all den Jahren ihrer Bundesligazugehörigkeit hat Hertha noch nie höher als 0:6 verloren. Am Ende konnten die Gäste sogar noch froh sein, dass das Ergebnis nicht noch drastischer ausgefallen war. Lars Windhorst, der 374 Millionen Euro in den Klub investiert hat und damit gewisse Erwartungen verbindet, äußerte sich noch vor dem Schlusspfiff bei Facebook: „Wow! Bin etwas geschockt grad und brauche gleich einen Drink …“

Herthas Darbietung erinnerte in vielem an die heftige 0:5-Niederlage gegen die Bayern vor gut einem Monat – und war am Ende noch viel schlimmer. „Wir müssen das einfach schnell vergessen: in den Bus einsteigen, nach Hause fahren und nächste Woche bei null anfangen“, sagte Pal Dardai. Für ihn als Trainer stellt sich die Situation ähnlich dar wie nach dem 0:5 bei den Bayern, aber: „Eins ist gut. Wir wissen, wie die Methode ist, um die Mannschaft wieder aufzubauen.“

Der Niederlage in München folgten zwei Siege gegen die Aufsteiger Bochum und Fürth, denen nun wiederum das Debakel in Leipzig folgte, das Hertha in die Realität zurückgeholt hat. „Ich will mich einfach nur entschuldigen“, sagte Stürmer Davie Selke bei Sky. „Aber fangt mir nicht mit Trainerdiskussionen an, wir stehen hinter dem Trainerteam. Das haben wir auf dem Platz verzapft.“ Dardai gab zu, dass die Situation schwierig sei, aber: „Die Jungs haben Vertrauen in mich.“

Hertha macht es Leipzig viel zu leicht

In Leipzig erlebten die Berliner einen durch und durch deprimierenden Nachmittag, der schon mit dem Abschlusstraining am Tag zuvor ungut angefangen hatte. Danach klagte der 17 Jahre alte Innenverteidiger Linus Gechter über Adduktorenprobleme, die nicht nur seinen ersten Startelfeinsatz in der Bundesliga unmöglich machten, sondern auch Herthas Personalnot in der Abwehr noch weiter verschärften. Für Gechter spielte Lucas Tousart, eigentlich defensiver Mittelfeldspieler, rechts in der Dreierkette.

Es war aber weniger die ungewohnte Besetzung als die allgemeine Sorglosigkeit, die Herthas Niederlage entscheidend begünstigte. Die Berliner machten es ihrem Gegner immer wieder viel zu einfach. Vor den ersten beiden Toren der Leipziger ließen sie sich jeweils von einem simplen Steilpass in die Tiefe überrumpeln. Beim 1:0 war es Christopher Nkunku, der vollendete, beim 2:0 Yussuf Poulsen.

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Hertha lief nach halbwegs ordentlichem Beginn nur noch hinterher. Trotzdem sagte Dardai über sein Team: „Jeder hat seinen Job gemacht. Ich habe keinen Spieler gesehen, der spazieren gegangen ist.“ Das Spiel der Leipziger sei einfach einen Tick zu schnell gewesen. „Es war mehr eine Ausdauermannschaft gegen eine Sprintmannschaft.“

Leipzig hätte zur Pause schon deutlich höher führen können. Emil Forsberg traf noch einmal die Latte, Nkunku scheiterte freistehend an Alexander Schwolow im Berliner Tor, und das vermeintliche 3:0 durch Lukas Klostermann nach einem Freistoß wurde vom Videoschiedsrichter wegen einer Abseitsposition wieder einkassiert.

Hertha aber überhörte auch diese Warnung. In der Nachspielzeit der ersten Hälfte gab es noch einen Freistoß für die Leipziger aus dem Halbfeld. Nach Angelinos Hereingabe stand Nordi Mukiele am zweiten Pfosten völlig frei und konnte zum 3:0 vollenden. So einfach ist es in der Bundesliga selten.

Dardais Wechsel bleiben wirkungslos

Dardai reagierte in der Pause, brachte Dennis Jastrzembski für Vladimir Darida und stellte auf Viererkette um. Am grundsätzlichen Bild und den ungleichen Kräfteverhältnissen änderte sich aber nichts. Die Leipziger, vor dem Spieltag mit nur einem Saisonsieg lediglich Tabellenzwölfter und damit hinter Hertha platziert, hatten auch die erste gute Chance der zweiten Hälfte, als Marton Dardai einen tödlichen Rückpass in den Fuß von Nkunku spielte, der den Ball aber übers Tor setzte.

Die Berliner mussten sich an den kleinen Dingen erfreuen. Zum Beispiel daran, dass nicht noch ein weiterer Innenverteidiger für das nächste Spiel ausfällt – weil Schiedsrichter Sascha Stegemann das Foul von Niklas Stark an Nkunku im eigenen Strafraum nicht als Notbremse wertete und es bei Gelb für Herthas Abwehrspieler beließ. Elfmeter gab es trotzdem. Forsberg verwandelte nach einer Stunde zum 4:0.

Bei etwas gnädigerem Ausgang und ohne die weiteren Tore durch Nkunku und Amadou Haidara hätten sich die Berliner vermutlich auch daran erfreuen können, dass Krzysztof Piatek nach mehr als fünfmonatiger Verletzungspause sein Comeback feierte. Der Pole war es, der in der 90. Minute mit einem Schuss aufs kurze Eck Herthas beste Chance im ganzen Spiel hatte.